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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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gesondert worden, da doch die Kirche mit zu dem gemeinen Wesen gehöret, und also das Kirchen Regiment mit dem Politischen in vielen Stücken verknüpffet ist. Weil sich aber entweder geistliche Personen in weltliche Händel mengen, oder die Streitigkeiten der Clerisey auch Uneinigkeit unter ihnen selbst machet, und aus dieser wieder Zwiespalt unter denen Läyen bey Hoffe, das ist, unter denen Staats- und Kriegs-Bedienten des Fürsten, ja in der Stadt und auf dem Lande, zwischen denen Unterthanen und allerwegen unter dem weiblichen Geschlecht, entstehet, und noch mehrern Zanck hervor bringet, so kommt mehr ein Mischmasch, oder zum wenigsten eine Unwissenheit, als eine deutliche Erkäntniß aller zur Politischen Historie gehörigen Umstände heraus, wenn die Politische Historie die Religions-Umstände und die Kirchen-Historie das mit derselben verknüpfte interesse derer Hoff Leute, Weibs-Personen und des gemeinen Volcks anzumercken allzusehr unterläßt. Da aber nach des Vorburgs seinem Wercke papistischer Seite, das historische Studium von denen Protestantischen Lehrern bißher zu grossem Verdruß der Pedanterey-Liebhaber mit Ruhm getrieben worden, und auch auf unserer Academie in gutem Flor ist, (denn von andern kan ich so genau nicht sagen) so ist zu hoffen, es werden die Hoff-Leute die Fortsetzung der Historie, um des Augenscheinlichen Nutzens willen, den die gantze Republique davon hat, befördern und ferner recommendiren. Und sodann werden wir auch Autores genug finden, die von der Politischen und Kirchen-Historie mit Nutzen zu lesen seyn werden. Wiewohl nun aber sowohl die Politische als Kirchen-Historie unserem Verbesserer der Justiz wenig Mittel an die Hand geben wird, die krancke Republique zu heilen, so kan sie ihm doch die Haupt- und neben Ursachen der Kranckheiten sowohl von Seiten der Clerisey, als derer Layen sattsam zeigen / nehmlich die Einführung der falschen und abergläubischen GOttesfurcht, daß man unzehlichen, würcklichen Verbrechen nachgesehen und Straffen darauf gesetzet, so die Verbrecher mehr angereitzet als abgeschrecket, ja daß die Regenten und Lehrenden durch ihr eigen Beyspiel solche Laster in Schwang gebracht, daß man Verbrechen erdichtet in Sachen so wenig zu bedeuten haben, oder in denen doch zum wenigsten keine bürgerliche Straffen statt finden: sie kan ihm zeigen, daß sich die Layen einbilden, sie müsten den Gebrauch der gesunden Vernunfft unter dem Schein, als bestehe der wahre Glaube in einer blinden Leichtgläubigkeit, wegwerffen, und also die handgreiflichsten Betrügereyen nicht wahrnehmen, sondern Ochsen und Eseln gleich werden

gesondert worden, da doch die Kirche mit zu dem gemeinen Wesen gehöret, und also das Kirchen Regiment mit dem Politischen in vielen Stücken verknüpffet ist. Weil sich aber entweder geistliche Personen in weltliche Händel mengen, oder die Streitigkeiten der Clerisey auch Uneinigkeit unter ihnen selbst machet, und aus dieser wieder Zwiespalt unter denen Läyen bey Hoffe, das ist, unter denen Staats- und Kriegs-Bedienten des Fürsten, ja in der Stadt und auf dem Lande, zwischen denen Unterthanen und allerwegen unter dem weiblichen Geschlecht, entstehet, und noch mehrern Zanck hervor bringet, so kommt mehr ein Mischmasch, oder zum wenigsten eine Unwissenheit, als eine deutliche Erkäntniß aller zur Politischen Historie gehörigen Umstände heraus, wenn die Politische Historie die Religions-Umstände und die Kirchen-Historie das mit derselben verknüpfte interesse derer Hoff Leute, Weibs-Personen und des gemeinen Volcks anzumercken allzusehr unterläßt. Da aber nach des Vorburgs seinem Wercke papistischer Seite, das historische Studium von denen Protestantischen Lehrern bißher zu grossem Verdruß der Pedanterey-Liebhaber mit Ruhm getrieben worden, und auch auf unserer Academie in gutem Flor ist, (denn von andern kan ich so genau nicht sagen) so ist zu hoffen, es werden die Hoff-Leute die Fortsetzung der Historie, um des Augenscheinlichen Nutzens willen, den die gantze Republique davon hat, befördern und ferner recommendiren. Und sodann werden wir auch Autores genug finden, die von der Politischen und Kirchen-Historie mit Nutzen zu lesen seyn werden. Wiewohl nun aber sowohl die Politische als Kirchen-Historie unserem Verbesserer der Justiz wenig Mittel an die Hand geben wird, die krancke Republique zu heilen, so kan sie ihm doch die Haupt- und neben Ursachen der Kranckheiten sowohl von Seiten der Clerisey, als derer Layen sattsam zeigen / nehmlich die Einführung der falschen und abergläubischen GOttesfurcht, daß man unzehlichen, würcklichen Verbrechen nachgesehen und Straffen darauf gesetzet, so die Verbrecher mehr angereitzet als abgeschrecket, ja daß die Regenten und Lehrenden durch ihr eigen Beyspiel solche Laster in Schwang gebracht, daß man Verbrechen erdichtet in Sachen so wenig zu bedeuten haben, oder in denen doch zum wenigsten keine bürgerliche Straffen statt finden: sie kan ihm zeigen, daß sich die Layen einbilden, sie müsten den Gebrauch der gesunden Vernunfft unter dem Schein, als bestehe der wahre Glaube in einer blinden Leichtgläubigkeit, wegwerffen, und also die handgreiflichsten Betrügereyen nicht wahrnehmen, sondern Ochsen und Eseln gleich werden

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[175/0183] gesondert worden, da doch die Kirche mit zu dem gemeinen Wesen gehöret, und also das Kirchen Regiment mit dem Politischen in vielen Stücken verknüpffet ist. Weil sich aber entweder geistliche Personen in weltliche Händel mengen, oder die Streitigkeiten der Clerisey auch Uneinigkeit unter ihnen selbst machet, und aus dieser wieder Zwiespalt unter denen Läyen bey Hoffe, das ist, unter denen Staats- und Kriegs-Bedienten des Fürsten, ja in der Stadt und auf dem Lande, zwischen denen Unterthanen und allerwegen unter dem weiblichen Geschlecht, entstehet, und noch mehrern Zanck hervor bringet, so kommt mehr ein Mischmasch, oder zum wenigsten eine Unwissenheit, als eine deutliche Erkäntniß aller zur Politischen Historie gehörigen Umstände heraus, wenn die Politische Historie die Religions-Umstände und die Kirchen-Historie das mit derselben verknüpfte interesse derer Hoff Leute, Weibs-Personen und des gemeinen Volcks anzumercken allzusehr unterläßt. Da aber nach des Vorburgs seinem Wercke papistischer Seite, das historische Studium von denen Protestantischen Lehrern bißher zu grossem Verdruß der Pedanterey-Liebhaber mit Ruhm getrieben worden, und auch auf unserer Academie in gutem Flor ist, (denn von andern kan ich so genau nicht sagen) so ist zu hoffen, es werden die Hoff-Leute die Fortsetzung der Historie, um des Augenscheinlichen Nutzens willen, den die gantze Republique davon hat, befördern und ferner recommendiren. Und sodann werden wir auch Autores genug finden, die von der Politischen und Kirchen-Historie mit Nutzen zu lesen seyn werden. Wiewohl nun aber sowohl die Politische als Kirchen-Historie unserem Verbesserer der Justiz wenig Mittel an die Hand geben wird, die krancke Republique zu heilen, so kan sie ihm doch die Haupt- und neben Ursachen der Kranckheiten sowohl von Seiten der Clerisey, als derer Layen sattsam zeigen / nehmlich die Einführung der falschen und abergläubischen GOttesfurcht, daß man unzehlichen, würcklichen Verbrechen nachgesehen und Straffen darauf gesetzet, so die Verbrecher mehr angereitzet als abgeschrecket, ja daß die Regenten und Lehrenden durch ihr eigen Beyspiel solche Laster in Schwang gebracht, daß man Verbrechen erdichtet in Sachen so wenig zu bedeuten haben, oder in denen doch zum wenigsten keine bürgerliche Straffen statt finden: sie kan ihm zeigen, daß sich die Layen einbilden, sie müsten den Gebrauch der gesunden Vernunfft unter dem Schein, als bestehe der wahre Glaube in einer blinden Leichtgläubigkeit, wegwerffen, und also die handgreiflichsten Betrügereyen nicht wahrnehmen, sondern Ochsen und Eseln gleich werden

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/183>, abgerufen am 21.11.2024.