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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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derheit zu entwerffen angefangen. Da nun nach der Zeit viele u. mancherley Schrifften verschiedener Auctorun diese Materie entweder zu verbessern oder gantz auszuführen getrachtet, u. auch noch viele mit Edirung dergleichen Abhandelungen fortfahren, so wird ein zukünftiger Artzt oder Medicus der Justiz vielfältige Gelegenheit haben, die gesunden Lehren von denen mangelhaften, die gescheiden von denen ungereimten, die bescheidenen von denen aufgeblasenen und hochtrabenden, und mit einem Worte die wahren von denen falschen zu entscheiden; jedoch aber an denen Verfertigern solcher Schrifften zum wenigsten das gute Vorhaben und den Willen, die Mängel einer so nöthigen Lehre durch ihren Fleiß zu ersetzen, zum besten deuten.

§. X. Weil aber die Klugheit, das gemeine Wesen zu regieren,Wie auch die Klugheit / das gemeine Wesen zu regieren. (man mag nun dieselbe die bürgerliche, oder Klugheit Gesetze zu geben, oder die Politic nennen) eine Art der Klugheit, sich und andern wohl zu rathen, ist, und also, gleichwie alle übrige von dieser Klugheit herstammende Arten / über die gemeinen noch ihre besondern Lehren haben muß, so ist zwar die Politic auf denen Universitäten bisher gelehret / alleine von denen papistischen Lehrern von Anfang bis zu Ende mit Geheimnissen der Pfäffischen Politic angefüllet worden, deren vornehmster Lehr-Satz dahin gehet, daß dem Pabst und denen Pfaffen wohl sey, und sich die Läyen nach dieser Vorschrifft eintzig und alleine die Begriffe eines guten und schlimmen Regiments machen mögen. Die Lehrer auf denen protestantischen Universitäten haben entweder diese pias fraudes, als welche man allezeit mit der Ehre GOttes bemäntelt, nicht verstanden, und also unvorsichtiger Weise behalten; oder, wenn sie ja an einige Verbesserung gedacht, sich mit Beschreibung und Eintheilung Politischer Wörter, als der Republique, Majestät, vielerley Arten der Republique, und derer Gerechtsamen der Majestät aufgehalten, eine an sich selbst deutliche Sache verdunckelt, und sich wegen unnützer Fragen, welche gar keinen oder sehr schlechten Nutzen haben, als z. E. von der besten Regiments-Form, von der vermischten Republique, von der Zertheilung der Gerechtsamen der Majestät, von der unmittelbahren Ursache der Majestät, gezancket und die wiedriggesinnten als Ketzer und des Lasters der beleidigten Majestät schuldige ausgescholten, oder haben frey bekennet, sie wüsten keine Mittel, eine Republique glücklich zu machen, an die Hand zu geben, weil man die Bücher des Aristotelis von Gesetzen und Rathschlägen nicht mehr hätte, oder haben sich von der vollkommenen Republique die lächerlichsten und mehr als Platonische ideen formiret, und solche bald in dem Stande der Unschuld, bald bey den Griechen in der fabelhafften Cyropaedia des Xenophontis,

derheit zu entwerffen angefangen. Da nun nach der Zeit viele u. mancherley Schrifften verschiedener Auctorũ diese Materie entweder zu verbessern oder gantz auszuführen getrachtet, u. auch noch viele mit Edirung dergleichen Abhandelungen fortfahren, so wird ein zukünftiger Artzt oder Medicus der Justiz vielfältige Gelegenheit haben, die gesunden Lehren von denen mangelhaften, die gescheiden von denen ungereimten, die bescheidenen von denen aufgeblasenen und hochtrabenden, und mit einem Worte die wahren von denen falschen zu entscheiden; jedoch aber an denẽ Verfertigern solcher Schrifften zum wenigsten das gute Vorhaben und den Willen, die Mängel einer so nöthigen Lehre durch ihren Fleiß zu ersetzen, zum besten deuten.

§. X. Weil aber die Klugheit, das gemeine Wesen zu regieren,Wie auch die Klugheit / das gemeine Wesen zu regieren. (man mag nun dieselbe die bürgerliche, oder Klugheit Gesetze zu geben, oder die Politic nennen) eine Art der Klugheit, sich und andern wohl zu rathen, ist, und also, gleichwie alle übrige von dieser Klugheit herstammende Arten / über die gemeinen noch ihre besondern Lehren haben muß, so ist zwar die Politic auf denen Universitäten bisher gelehret / alleine von denen papistischẽ Lehrern von Anfang bis zu Ende mit Geheimnissen der Pfäffischen Politic angefüllet worden, deren vornehmster Lehr-Satz dahin gehet, daß dem Pabst und denen Pfaffen wohl sey, und sich die Läyen nach dieser Vorschrifft eintzig und alleine die Begriffe eines guten und schlimmen Regiments machen mögen. Die Lehrer auf denen protestantischen Universitäten haben entweder diese pias fraudes, als welche man allezeit mit der Ehre GOttes bemäntelt, nicht verstanden, und also unvorsichtiger Weise behalten; oder, wenn sie ja an einige Verbesserung gedacht, sich mit Beschreibung und Eintheilung Politischer Wörter, als der Republique, Majestät, vielerley Arten der Republique, und derer Gerechtsamen der Majestät aufgehalten, eine an sich selbst deutliche Sache verdunckelt, und sich wegen unnützer Fragen, welche gar keinen oder sehr schlechten Nutzen haben, als z. E. von der besten Regiments-Form, von der vermischten Republique, von der Zertheilung der Gerechtsamen der Majestät, von der unmittelbahren Ursache der Majestät, gezancket und die wiedriggesinnten als Ketzer und des Lasters der beleidigten Majestät schuldige ausgescholten, oder haben frey bekennet, sie wüsten keine Mittel, eine Republique glücklich zu machen, an die Hand zu geben, weil man die Bücher des Aristotelis von Gesetzen und Rathschlägen nicht mehr hätte, oder haben sich von der vollkommenen Republique die lächerlichsten und mehr als Platonische idéen formiret, und solche bald in dem Stande der Unschuld, bald bey den Griechen in der fabelhafften Cyropaedia des Xenophontis,

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[173/0181] derheit zu entwerffen angefangen. Da nun nach der Zeit viele u. mancherley Schrifften verschiedener Auctorũ diese Materie entweder zu verbessern oder gantz auszuführen getrachtet, u. auch noch viele mit Edirung dergleichen Abhandelungen fortfahren, so wird ein zukünftiger Artzt oder Medicus der Justiz vielfältige Gelegenheit haben, die gesunden Lehren von denen mangelhaften, die gescheiden von denen ungereimten, die bescheidenen von denen aufgeblasenen und hochtrabenden, und mit einem Worte die wahren von denen falschen zu entscheiden; jedoch aber an denẽ Verfertigern solcher Schrifften zum wenigsten das gute Vorhaben und den Willen, die Mängel einer so nöthigen Lehre durch ihren Fleiß zu ersetzen, zum besten deuten. §. X. Weil aber die Klugheit, das gemeine Wesen zu regieren, (man mag nun dieselbe die bürgerliche, oder Klugheit Gesetze zu geben, oder die Politic nennen) eine Art der Klugheit, sich und andern wohl zu rathen, ist, und also, gleichwie alle übrige von dieser Klugheit herstammende Arten / über die gemeinen noch ihre besondern Lehren haben muß, so ist zwar die Politic auf denen Universitäten bisher gelehret / alleine von denen papistischẽ Lehrern von Anfang bis zu Ende mit Geheimnissen der Pfäffischen Politic angefüllet worden, deren vornehmster Lehr-Satz dahin gehet, daß dem Pabst und denen Pfaffen wohl sey, und sich die Läyen nach dieser Vorschrifft eintzig und alleine die Begriffe eines guten und schlimmen Regiments machen mögen. Die Lehrer auf denen protestantischen Universitäten haben entweder diese pias fraudes, als welche man allezeit mit der Ehre GOttes bemäntelt, nicht verstanden, und also unvorsichtiger Weise behalten; oder, wenn sie ja an einige Verbesserung gedacht, sich mit Beschreibung und Eintheilung Politischer Wörter, als der Republique, Majestät, vielerley Arten der Republique, und derer Gerechtsamen der Majestät aufgehalten, eine an sich selbst deutliche Sache verdunckelt, und sich wegen unnützer Fragen, welche gar keinen oder sehr schlechten Nutzen haben, als z. E. von der besten Regiments-Form, von der vermischten Republique, von der Zertheilung der Gerechtsamen der Majestät, von der unmittelbahren Ursache der Majestät, gezancket und die wiedriggesinnten als Ketzer und des Lasters der beleidigten Majestät schuldige ausgescholten, oder haben frey bekennet, sie wüsten keine Mittel, eine Republique glücklich zu machen, an die Hand zu geben, weil man die Bücher des Aristotelis von Gesetzen und Rathschlägen nicht mehr hätte, oder haben sich von der vollkommenen Republique die lächerlichsten und mehr als Platonische idéen formiret, und solche bald in dem Stande der Unschuld, bald bey den Griechen in der fabelhafften Cyropaedia des Xenophontis, Wie auch die Klugheit / das gemeine Wesen zu regieren.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/181>, abgerufen am 24.11.2024.