Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.der desjenigen, was einem Theil endlichen zu, und dem andern Theil abgesprochen wird, rechnen solte, jenes oder die blosse Proceß-Kosten diesen weit, ja wohl öffters doppelt und zehnfach übertreffen würden. §. II. Dahero man denn auch wohl vernünfftig urtheilen solte, daßGeneral-Inhalt dieses Bedenckens. es bey solchen Zustand besser wäre, in Civil und Parthey-Sachen (denn die Criminal Sachen schliesset man noch billig aus) die Justiz gar zu se questriren, oder lieber gar keine, als dergleichen zu haben, die mit so grossen Abbruch und Verlust des publici ausgeübet wird, und ihrer edlen Natur zuwieder durch den blossen Mißbrauch gleichsam der nagende Wurm werden muß, der ein gut, wo nicht gar das beste Theil, und das Marck selbsten von des Landes Vermögen heimlich verzehret; weil aber gleichwohl der Schade nicht so verzweiffelt böse, daß er anders nicht geheilet werden könte, es sey dann, daß man das kleinere Ubel von dem grösseren erwehlete, hierüber es auch allerdings an dem ist, daß nechst der wahren Gottesfurcht, auf den rechten Gebrauch einer reinen und gleich durchgehenden Justiz, als der andern bewährten Grund-Säule, die Wohlfarth eines jeden Landes beruhet; So ist nunmehro, nachdem die allgemeine Qvelle, woraus die trüben Wolcken der Ungerechtigkeit und verderblichen Processe fliessen, verstopffet, so wohl von den sich findenden special Gebrechen, auch denen Remediis, wodurch jeden insonderheit zu helffen stehet, wie nicht weniger von denenjenigen zu handeln, welche das Ubel aus seiner verderblichen Wurtzel universaliter, und zwar mit guten Bestande, und solcher Behutsamkeit zu heben nöthig seynd, wodurch man denen vitiis praevalidis & adductis, in ipsa adhibitione medelae, gnugsam gewachsen ist, und nicht darüber zuschanden werden, oder besorgen darff, daß wenn man diese Qvelle nicht sattsam verstopfen, oder auch nur in Proceß verstossen würde, sie mit mehrern Ungestüm wieder ansbrechen, und endlich der Schade gantz unheilbar werden, oder dasjenige hieraus erfolgen dürffte, was dorten der Felix infelix (ap. Tacit. Ann. II.c 51.) erfahren muste: dum intempestivis remediis delicta accendebat, daß das letzte ärger als das erste würde. §. III. Es finden sich aber, wann man, so viel die special - GebrechenAcht special-Classen derer Gebrechen und der Mittel dawieder. betrifft, so gleich in rem praesentem gehen, und von denen eigentlichen Ursachen reden will, welche zeithero in diesen Landen, zumahl bey denen höhern Judiciis nicht nur den schädlichen Proceß-Wesen, und der Ungerechtigkeit selbst dienen, sondern auch beyden den Colorem oder Schein des Rechten geben müssen, fürnehmlich diese: Als (1) die unmäßige Erfindung neuer observantien, so wohl super forma Processus der desjenigen, was einem Theil endlichen zu, und dem andern Theil abgesprochen wird, rechnen solte, jenes oder die blosse Proceß-Kosten diesen weit, ja wohl öffters doppelt und zehnfach übertreffen würden. §. II. Dahero man denn auch wohl vernünfftig urtheilen solte, daßGeneral-Inhalt dieses Bedenckens. es bey solchen Zustand besser wäre, in Civil und Parthey-Sachen (denn die Criminal Sachen schliesset man noch billig aus) die Justiz gar zu se questriren, oder lieber gar keine, als dergleichen zu haben, die mit so grossen Abbruch und Verlust des publici ausgeübet wird, und ihrer edlen Natur zuwieder durch den blossen Mißbrauch gleichsam der nagende Wurm werden muß, der ein gut, wo nicht gar das beste Theil, und das Marck selbsten von des Landes Vermögen heimlich verzehret; weil aber gleichwohl der Schade nicht so verzweiffelt böse, daß er anders nicht geheilet werden könte, es sey dann, daß man das kleinere Ubel von dem grösseren erwehlete, hierüber es auch allerdings an dem ist, daß nechst der wahren Gottesfurcht, auf den rechten Gebrauch einer reinen und gleich durchgehenden Justiz, als der andern bewährten Grund-Säule, die Wohlfarth eines jeden Landes beruhet; So ist nunmehro, nachdem die allgemeine Qvelle, woraus die trüben Wolcken der Ungerechtigkeit und verderblichen Processe fliessen, verstopffet, so wohl von den sich findenden special Gebrechen, auch denen Remediis, wodurch jeden insonderheit zu helffen stehet, wie nicht weniger von denenjenigen zu handeln, welche das Ubel aus seiner verderblichen Wurtzel universaliter, und zwar mit guten Bestande, und solcher Behutsamkeit zu heben nöthig seynd, wodurch man denen vitiis praevalidis & adductis, in ipsa adhibitione medelae, gnugsam gewachsen ist, und nicht darüber zuschanden werden, oder besorgen darff, daß wenn man diese Qvelle nicht sattsam verstopfen, oder auch nur in Proceß verstossen würde, sie mit mehrern Ungestüm wieder ansbrechen, und endlich der Schade gantz unheilbar werden, oder dasjenige hieraus erfolgen dürffte, was dorten der Felix infelix (ap. Tacit. Ann. II.c 51.) erfahren muste: dum intempestivis remediis delicta accendebat, daß das letzte ärger als das erste würde. §. III. Es finden sich aber, wann man, so viel die special - GebrechenAcht special-Classen derer Gebrechen und der Mittel dawieder. betrifft, so gleich in rem praesentem gehen, und von denen eigentlichen Ursachen reden will, welche zeithero in diesen Landen, zumahl bey denen höhern Judiciis nicht nur den schädlichen Proceß-Wesen, und der Ungerechtigkeit selbst dienen, sondern auch beyden den Colorem oder Schein des Rechten geben müssen, fürnehmlich diese: Als (1) die unmäßige Erfindung neuer observantien, so wohl super forma Processus <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0011" n="3"/> der desjenigen, was einem Theil endlichen zu, und dem andern Theil abgesprochen wird, rechnen solte, jenes oder die blosse Proceß-Kosten diesen weit, ja wohl öffters doppelt und zehnfach übertreffen würden.</p> <p>§. II. Dahero man denn auch wohl vernünfftig urtheilen solte, daß<note place="right">General-Inhalt dieses Bedenckens.</note> es bey solchen Zustand besser wäre, in Civil und Parthey-Sachen (denn die Criminal Sachen schliesset man noch billig aus) die Justiz gar zu se questriren, oder lieber gar keine, als dergleichen zu haben, die mit so grossen Abbruch und Verlust des publici ausgeübet wird, und ihrer edlen Natur zuwieder durch den blossen Mißbrauch gleichsam der nagende Wurm werden muß, der ein gut, wo nicht gar das beste Theil, und das Marck selbsten von des Landes Vermögen heimlich verzehret; weil aber gleichwohl der Schade nicht so verzweiffelt böse, daß er anders nicht geheilet werden könte, es sey dann, daß man das kleinere Ubel von dem grösseren erwehlete, hierüber es auch allerdings an dem ist, daß nechst der wahren Gottesfurcht, auf den rechten Gebrauch einer reinen und gleich durchgehenden Justiz, als der andern bewährten Grund-Säule, die Wohlfarth eines jeden Landes beruhet; So ist nunmehro, nachdem die allgemeine Qvelle, woraus die trüben Wolcken der Ungerechtigkeit und verderblichen Processe fliessen, verstopffet, so wohl von den sich findenden special Gebrechen, auch denen Remediis, wodurch jeden insonderheit zu helffen stehet, wie nicht weniger von denenjenigen zu handeln, welche das Ubel aus seiner verderblichen Wurtzel universaliter, und zwar mit guten Bestande, und solcher Behutsamkeit zu heben nöthig seynd, wodurch man denen vitiis praevalidis & adductis, in ipsa adhibitione medelae, gnugsam gewachsen ist, und nicht darüber zuschanden werden, oder besorgen darff, daß wenn man diese Qvelle nicht sattsam verstopfen, oder auch nur in Proceß verstossen würde, sie mit mehrern Ungestüm wieder ansbrechen, und endlich der Schade gantz unheilbar werden, oder dasjenige hieraus erfolgen dürffte, was dorten der Felix infelix (ap. Tacit. Ann. II.c 51.) erfahren muste: dum intempestivis remediis delicta accendebat, daß das letzte ärger als das erste würde.</p> <p>§. III. Es finden sich aber, wann man, so viel die special - Gebrechen<note place="right">Acht <hi rendition="#i">special</hi>-Classen derer Gebrechen und der Mittel dawieder.</note> betrifft, so gleich in rem praesentem gehen, und von denen eigentlichen Ursachen reden will, welche zeithero in diesen Landen, zumahl bey denen höhern Judiciis nicht nur den schädlichen Proceß-Wesen, und der Ungerechtigkeit selbst dienen, sondern auch beyden den Colorem oder Schein des Rechten geben müssen, fürnehmlich diese: Als (1) die unmäßige Erfindung neuer observantien, so wohl super forma Processus </p> </div> </body> </text> </TEI> [3/0011]
der desjenigen, was einem Theil endlichen zu, und dem andern Theil abgesprochen wird, rechnen solte, jenes oder die blosse Proceß-Kosten diesen weit, ja wohl öffters doppelt und zehnfach übertreffen würden.
§. II. Dahero man denn auch wohl vernünfftig urtheilen solte, daß es bey solchen Zustand besser wäre, in Civil und Parthey-Sachen (denn die Criminal Sachen schliesset man noch billig aus) die Justiz gar zu se questriren, oder lieber gar keine, als dergleichen zu haben, die mit so grossen Abbruch und Verlust des publici ausgeübet wird, und ihrer edlen Natur zuwieder durch den blossen Mißbrauch gleichsam der nagende Wurm werden muß, der ein gut, wo nicht gar das beste Theil, und das Marck selbsten von des Landes Vermögen heimlich verzehret; weil aber gleichwohl der Schade nicht so verzweiffelt böse, daß er anders nicht geheilet werden könte, es sey dann, daß man das kleinere Ubel von dem grösseren erwehlete, hierüber es auch allerdings an dem ist, daß nechst der wahren Gottesfurcht, auf den rechten Gebrauch einer reinen und gleich durchgehenden Justiz, als der andern bewährten Grund-Säule, die Wohlfarth eines jeden Landes beruhet; So ist nunmehro, nachdem die allgemeine Qvelle, woraus die trüben Wolcken der Ungerechtigkeit und verderblichen Processe fliessen, verstopffet, so wohl von den sich findenden special Gebrechen, auch denen Remediis, wodurch jeden insonderheit zu helffen stehet, wie nicht weniger von denenjenigen zu handeln, welche das Ubel aus seiner verderblichen Wurtzel universaliter, und zwar mit guten Bestande, und solcher Behutsamkeit zu heben nöthig seynd, wodurch man denen vitiis praevalidis & adductis, in ipsa adhibitione medelae, gnugsam gewachsen ist, und nicht darüber zuschanden werden, oder besorgen darff, daß wenn man diese Qvelle nicht sattsam verstopfen, oder auch nur in Proceß verstossen würde, sie mit mehrern Ungestüm wieder ansbrechen, und endlich der Schade gantz unheilbar werden, oder dasjenige hieraus erfolgen dürffte, was dorten der Felix infelix (ap. Tacit. Ann. II.c 51.) erfahren muste: dum intempestivis remediis delicta accendebat, daß das letzte ärger als das erste würde.
General-Inhalt dieses Bedenckens. §. III. Es finden sich aber, wann man, so viel die special - Gebrechen betrifft, so gleich in rem praesentem gehen, und von denen eigentlichen Ursachen reden will, welche zeithero in diesen Landen, zumahl bey denen höhern Judiciis nicht nur den schädlichen Proceß-Wesen, und der Ungerechtigkeit selbst dienen, sondern auch beyden den Colorem oder Schein des Rechten geben müssen, fürnehmlich diese: Als (1) die unmäßige Erfindung neuer observantien, so wohl super forma Processus
Acht special-Classen derer Gebrechen und der Mittel dawieder.
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/11>, abgerufen am 16.07.2024. |