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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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rum in German. Anno VI. Observat. CCII. pag. 299. zufinden, deßhalben unter andern zulesen würdig, daß man des Spigelii und anderer Autorität anzuführen nicht nöthig hat. Damit aber iedermann sehe, worauf sich diese Experimenta gründen, und aus was Ursachen sie iederzeit unfehlbar erfolgen, wollen wir unsere wohlgegründete, und der Natur gemässe Rationes mit anführen. Was den 1) anlanget pulmones viventium extra uterum, so darff es keines grossen Beweises, warum selbe auff den Wasser schwimmen, sintemahl die durch die Respiration geschöpffte Lufft, welche sich gutes theils auch post exspirationem in denen cellulis pulmonum verhält, so wenig dieselben in Wasser sincken läst, als etwa sonst eine mit Lufft angefüllte Blase, nun respiriret aber 2) die Frucht, so lange sie in Mutter-Leibe liegt, gantz in geringsten nicht. Denn (1) kan man ad oculum demonstriren, wenn die Frucht aus Mutter-Leibe geschnitten wird, daß in geringsten keine Lufft in dem Amnio oder Häutlein, so immediate die Frucht umschliest, sondern dergleicheu Liquor zufinden sey, welcher, so er inter inspirandum (wie es denn nicht wohl anders seyn könte) in die Lungen eingezogen würde, ungereimt, und der Natur allerdings zuwieder wäre. (2) Kan auch dieses alle Tage demonstriret werden, daß so lange der Foetus in seinen involucris verschlossen lieget, selber entweder sich gar in geringsten nicht bewegt, oder doch, wenn er sich gleich in übrigen rege, dennoch Thoracem nicht movire, ohne welchen doch die Respiration keines weges geschehen kan. (3) Hätte sich die Natur nicht vergeblich bemühet, und so wohl das foramen ovale, als nuch anastomosin arteriosam in Embryone formirt, damit das Geblüte die Lungen vorbey gehen könne, und durch selbe nicht dürffte circuliret werden, wenn die Lungen durch die Respiration expandirt, die ordentliche Circulationem sanguinis zuliesse. Wenn demnach eintzig und allein wegen Mangel der Lufft, die Lungen foetus in utero extincti, denen andern zuwieder, welche ausser Mutter-Leibe gelebet, in Wasser untersincken; ein Kind aber den Augenblick, da es zur Welt gebohren wird, alsobald zu respiriren anfängt, so muß auch diß unstreitig erfolgen, daß welche Lungen in Wasser sincken, von keinem animali seyn können, so ausser Mutter-Leibe gelebet habe. Diese unsere Resolution der zugeschickten Frage, welche wir niemand zu Liebe oder Leyd, sondern nach unsern guten Wissen und Gewissen aus eigener Observation und Grunde der Wahrheit auffgesetzt, haben wir auff Begehren schrifftlich ausfertigen, und eigenhändig unterschreiben wollen. Geschehen in Leipzig d. 10. Novembr. 1683.

D. Aug. Quirin. Rivinus.

D. Christian Joh. Lange.

§. XXX. Endlich die excerpta ex scriptis variorum Medicorum, 4. Excerpta varia ex Medicorum scriptis. pulmones embryonum & extra uterum viventium concernentia. A ctorum fol. 134.

rum in German. Anno VI. Observat. CCII. pag. 299. zufinden, deßhalben unter andern zulesen würdig, daß man des Spigelii und anderer Autorität anzuführen nicht nöthig hat. Damit aber iedermann sehe, worauf sich diese Experimenta gründen, und aus was Ursachen sie iederzeit unfehlbar erfolgen, wollen wir unsere wohlgegründete, und der Natur gemässe Rationes mit anführen. Was den 1) anlanget pulmones viventium extra uterum, so darff es keines grossen Beweises, warum selbe auff den Wasser schwimmen, sintemahl die durch die Respiration geschöpffte Lufft, welche sich gutes theils auch post exspirationem in denen cellulis pulmonum verhält, so wenig dieselben in Wasser sincken läst, als etwa sonst eine mit Lufft angefüllte Blase, nun respiriret aber 2) die Frucht, so lange sie in Mutter-Leibe liegt, gantz in geringsten nicht. Denn (1) kan man ad oculum demonstriren, wenn die Frucht aus Mutter-Leibe geschnitten wird, daß in geringsten keine Lufft in dem Amnio oder Häutlein, so immediate die Frucht umschliest, sondern dergleicheu Liquor zufinden sey, welcher, so er inter inspirandum (wie es denn nicht wohl anders seyn könte) in die Lungen eingezogen würde, ungereimt, und der Natur allerdings zuwieder wäre. (2) Kan auch dieses alle Tage demonstriret werden, daß so lange der Foetus in seinen involucris verschlossen lieget, selber entweder sich gar in geringsten nicht bewegt, oder doch, wenn er sich gleich in übrigen rege, dennoch Thoracem nicht movire, ohne welchen doch die Respiration keines weges geschehen kan. (3) Hätte sich die Natur nicht vergeblich bemühet, und so wohl das foramen ovale, als nuch anastomosin arteriosam in Embryone formirt, damit das Geblüte die Lungen vorbey gehen könne, und durch selbe nicht dürffte circuliret werden, wenn die Lungen durch die Respiration expandirt, die ordentliche Circulationem sanguinis zuliesse. Wenn demnach eintzig und allein wegen Mangel der Lufft, die Lungen foetus in utero extincti, denen andern zuwieder, welche ausser Mutter-Leibe gelebet, in Wasser untersincken; ein Kind aber den Augenblick, da es zur Welt gebohren wird, alsobald zu respiriren anfängt, so muß auch diß unstreitig erfolgen, daß welche Lungen in Wasser sincken, von keinem animali seyn können, so ausser Mutter-Leibe gelebet habe. Diese unsere Resolution der zugeschickten Frage, welche wir niemand zu Liebe oder Leyd, sondern nach unsern guten Wissen und Gewissen aus eigener Observation und Grunde der Wahrheit auffgesetzt, haben wir auff Begehren schrifftlich ausfertigen, und eigenhändig unterschreiben wollen. Geschehen in Leipzig d. 10. Novembr. 1683.

D. Aug. Quirin. Rivinus.

D. Christian Joh. Lange.

§. XXX. Endlich die excerpta ex scriptis variorum Medicorum, 4. Excerpta varia ex Medicorum scriptis. pulmones embryonum & extra uterum viventium concernentia. A ctorum fol. 134.

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[77/0093] rum in German. Anno VI. Observat. CCII. pag. 299. zufinden, deßhalben unter andern zulesen würdig, daß man des Spigelii und anderer Autorität anzuführen nicht nöthig hat. Damit aber iedermann sehe, worauf sich diese Experimenta gründen, und aus was Ursachen sie iederzeit unfehlbar erfolgen, wollen wir unsere wohlgegründete, und der Natur gemässe Rationes mit anführen. Was den 1) anlanget pulmones viventium extra uterum, so darff es keines grossen Beweises, warum selbe auff den Wasser schwimmen, sintemahl die durch die Respiration geschöpffte Lufft, welche sich gutes theils auch post exspirationem in denen cellulis pulmonum verhält, so wenig dieselben in Wasser sincken läst, als etwa sonst eine mit Lufft angefüllte Blase, nun respiriret aber 2) die Frucht, so lange sie in Mutter-Leibe liegt, gantz in geringsten nicht. Denn (1) kan man ad oculum demonstriren, wenn die Frucht aus Mutter-Leibe geschnitten wird, daß in geringsten keine Lufft in dem Amnio oder Häutlein, so immediate die Frucht umschliest, sondern dergleicheu Liquor zufinden sey, welcher, so er inter inspirandum (wie es denn nicht wohl anders seyn könte) in die Lungen eingezogen würde, ungereimt, und der Natur allerdings zuwieder wäre. (2) Kan auch dieses alle Tage demonstriret werden, daß so lange der Foetus in seinen involucris verschlossen lieget, selber entweder sich gar in geringsten nicht bewegt, oder doch, wenn er sich gleich in übrigen rege, dennoch Thoracem nicht movire, ohne welchen doch die Respiration keines weges geschehen kan. (3) Hätte sich die Natur nicht vergeblich bemühet, und so wohl das foramen ovale, als nuch anastomosin arteriosam in Embryone formirt, damit das Geblüte die Lungen vorbey gehen könne, und durch selbe nicht dürffte circuliret werden, wenn die Lungen durch die Respiration expandirt, die ordentliche Circulationem sanguinis zuliesse. Wenn demnach eintzig und allein wegen Mangel der Lufft, die Lungen foetus in utero extincti, denen andern zuwieder, welche ausser Mutter-Leibe gelebet, in Wasser untersincken; ein Kind aber den Augenblick, da es zur Welt gebohren wird, alsobald zu respiriren anfängt, so muß auch diß unstreitig erfolgen, daß welche Lungen in Wasser sincken, von keinem animali seyn können, so ausser Mutter-Leibe gelebet habe. Diese unsere Resolution der zugeschickten Frage, welche wir niemand zu Liebe oder Leyd, sondern nach unsern guten Wissen und Gewissen aus eigener Observation und Grunde der Wahrheit auffgesetzt, haben wir auff Begehren schrifftlich ausfertigen, und eigenhändig unterschreiben wollen. Geschehen in Leipzig d. 10. Novembr. 1683. D. Aug. Quirin. Rivinus. D. Christian Joh. Lange. §. XXX. Endlich die excerpta ex scriptis variorum Medicorum, pulmones embryonum & extra uterum viventium concernentia. A ctorum fol. 134. 4. Excerpta varia ex Medicorum scriptis.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/93>, abgerufen am 23.11.2024.