Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.nes zwar vollkommenen, aber todten Kindes genesen, welches ein Mägdlein gewesen: das Kind hätte Sie in Ihrer Schlaff-Kammer in Bette liegend gebohren: Sie habe auch in Schwangergehen Ihr selbst, das die Leibes-Frucht umbkommen möchte, keine Gewalt gethan: Ihre Mutter hätte das Kind nach der Geburth in die Lade gelegt: Sie habe das Kind nicht vorsetzlich ermordet noch umbs Leben gebracht; es habe Ihr auch niemand hierzu Rath und That gegeben: gleichfalls habe Ihre Mutter solches auch nicht gethan. Dem Kinde habe Sie die Nabelschnur nicht verbunden, aber nicht aus dem Vorsatz, daß sich das Kind verbluten und sterben solte: Sie habe nicht gewust, daß man ein Kind verbinden müsse, es wäre das Kind todt gewesen: Sie wisse nicht, was Ihre Mutter gethan hätte, dieselbe wäre alsbald bey Ihr gewesen, als das Kind von Ihr kommen, und hätte es von Ihr genommen. Sie habe das Kind nicht selbst in einen garstigen alten Lappen gewickelt; Ihre Mutter hätte es eingewickelt, und in die Lade gelegt. Das könne sie nicht wissen, wer dem Kinde die daran befundene Stiche zugefüget, selbst habe Sie es nicht gethan: Sie habe auch das Kind nicht vergraben noch vergraben helffen, wisse auch nicht, wer solches gethan habe: Sie habe der Köchin nicht zuentbieten lassen, sie solte sagen, daß Sie das kleine Vogelspießgen bey dem ausgraben gebraucht: Sie sey aber des dritten Tages nach der Geburt von Bette auffgestanden, und herumb gegangen, habe auch das Küssen vor den Leib gebunden; es sey aber solches nicht deßwegen geschehen, daß das Gesinde die Veränderung des Leibes nicht mercken solle, sondern Sie habe dergleichen Küssen sonst stets für dem Leibe zutragen pflegen: Sie habe ferner nicht vorgegeben, daß Sie ein Fieber habe: Sie könne auch nicht wissen, ob Ihre Mutter zu dem Pfarrer zu E. gesagt, daß Ihr das Fieber von Schrecken vergangen sey: Indessen wäre Sie zwar 8. Tage nach der Geburt wieder in die Kirche gangen, habe sich aber nicht galant angezogen, sondern in einer Haube und in einen Habit, wie Sie itzo noch gehe: Solches aber habe Sie nicht eben zu dem Ende gethan, daß Ihre Schande und That nicht offenbahr werden solte, sondern weil das Kind einmahl todt gewesen, hätte Sie gemeinet, würde es nicht viel zu bedeuten haben, und die Leute würden es nicht groß mercken, daß ein Kind da gewesen wäre. Als die Köchin das Kind ausgegraben und in Ofen gesetzt, hätte Inquisitin solches aus Ihrer Mutter Befehl nicht auff den Saal geholet und abgewaschen, sondern als die Zoffe das Kind in Ihre Schlaff-Kammer bracht und abgewaschen, hätte Sie Inquisitin gesagt: Du liebes Kind, ich hätte dich gerne behalten wollen, wenn du wärest lebendig gewesen, (nicht aber: wenn ich vor den Meinigen gedurfft hätte). Sie hätte auch vorhero nicht gesagt: Sie solten das Kind nicht umbbringen, Sie wolte sich gerne in einen Hirten-Häußgen behelffen. Sie sey endlich freylich flüchtig worden, es wäre aber solches geschehen, weil Ihr die Leute so leide gemacht hätten. nes zwar vollkommenen, aber todten Kindes genesen, welches ein Mägdlein gewesen: das Kind hätte Sie in Ihrer Schlaff-Kammer in Bette liegend gebohren: Sie habe auch in Schwangergehen Ihr selbst, das die Leibes-Frucht umbkommen möchte, keine Gewalt gethan: Ihre Mutter hätte das Kind nach der Geburth in die Lade gelegt: Sie habe das Kind nicht vorsetzlich ermordet noch umbs Leben gebracht; es habe Ihr auch niemand hierzu Rath und That gegeben: gleichfalls habe Ihre Mutter solches auch nicht gethan. Dem Kinde habe Sie die Nabelschnur nicht verbunden, aber nicht aus dem Vorsatz, daß sich das Kind verbluten und sterben solte: Sie habe nicht gewust, daß man ein Kind verbinden müsse, es wäre das Kind todt gewesen: Sie wisse nicht, was Ihre Mutter gethan hätte, dieselbe wäre alsbald bey Ihr gewesen, als das Kind von Ihr kommen, und hätte es von Ihr genommen. Sie habe das Kind nicht selbst in einen garstigen alten Lappen gewickelt; Ihre Mutter hätte es eingewickelt, und in die Lade gelegt. Das könne sie nicht wissen, wer dem Kinde die daran befundene Stiche zugefüget, selbst habe Sie es nicht gethan: Sie habe auch das Kind nicht vergraben noch vergraben helffen, wisse auch nicht, wer solches gethan habe: Sie habe der Köchin nicht zuentbieten lassen, sie solte sagen, daß Sie das kleine Vogelspießgen bey dem ausgraben gebraucht: Sie sey aber des dritten Tages nach der Geburt von Bette auffgestanden, und herumb gegangen, habe auch das Küssen vor den Leib gebunden; es sey aber solches nicht deßwegen geschehen, daß das Gesinde die Veränderung des Leibes nicht mercken solle, sondern Sie habe dergleichen Küssen sonst stets für dem Leibe zutragen pflegen: Sie habe ferner nicht vorgegeben, daß Sie ein Fieber habe: Sie könne auch nicht wissen, ob Ihre Mutter zu dem Pfarrer zu E. gesagt, daß Ihr das Fieber von Schrecken vergangen sey: Indessen wäre Sie zwar 8. Tage nach der Geburt wieder in die Kirche gangen, habe sich aber nicht galant angezogen, sondern in einer Haube und in einen Habit, wie Sie itzo noch gehe: Solches aber habe Sie nicht eben zu dem Ende gethan, daß Ihre Schande und That nicht offenbahr werden solte, sondern weil das Kind einmahl todt gewesen, hätte Sie gemeinet, würde es nicht viel zu bedeuten haben, und die Leute würden es nicht groß mercken, daß ein Kind da gewesen wäre. Als die Köchin das Kind ausgegraben und in Ofen gesetzt, hätte Inquisitin solches aus Ihrer Mutter Befehl nicht auff den Saal geholet und abgewaschen, sondern als die Zoffe das Kind in Ihre Schlaff-Kammer bracht und abgewaschen, hätte Sie Inquisitin gesagt: Du liebes Kind, ich hätte dich gerne behalten wollen, wenn du wärest lebendig gewesen, (nicht aber: wenn ich vor den Meinigen gedurfft hätte). Sie hätte auch vorhero nicht gesagt: Sie solten das Kind nicht umbbringen, Sie wolte sich gerne in einen Hirten-Häußgen behelffen. Sie sey endlich freylich flüchtig worden, es wäre aber solches geschehen, weil Ihr die Leute so leide gemacht hätten. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0057" n="41"/> nes zwar vollkommenen, aber todten Kindes genesen, welches ein Mägdlein gewesen: das Kind hätte Sie in Ihrer Schlaff-Kammer in Bette liegend gebohren: Sie habe auch in Schwangergehen Ihr selbst, das die Leibes-Frucht umbkommen möchte, keine Gewalt gethan: Ihre Mutter hätte das Kind nach der Geburth in die Lade gelegt: Sie habe das Kind nicht vorsetzlich ermordet noch umbs Leben gebracht; es habe Ihr auch niemand hierzu Rath und That gegeben: gleichfalls habe Ihre Mutter solches auch nicht gethan. Dem Kinde habe Sie die Nabelschnur nicht verbunden, aber nicht aus dem Vorsatz, daß sich das Kind verbluten und sterben solte: Sie habe nicht gewust, daß man ein Kind verbinden müsse, es wäre das Kind todt gewesen: Sie wisse nicht, was Ihre Mutter gethan hätte, dieselbe wäre alsbald bey Ihr gewesen, als das Kind von Ihr kommen, und hätte es von Ihr genommen. Sie habe das Kind nicht selbst in einen garstigen alten Lappen gewickelt; Ihre Mutter hätte es eingewickelt, und in die Lade gelegt. Das könne sie nicht wissen, wer dem Kinde die daran befundene Stiche zugefüget, selbst habe Sie es nicht gethan: Sie habe auch das Kind nicht vergraben noch vergraben helffen, wisse auch nicht, wer solches gethan habe: Sie habe der Köchin nicht zuentbieten lassen, sie solte sagen, daß Sie das kleine Vogelspießgen bey dem ausgraben gebraucht: Sie sey aber des dritten Tages nach der Geburt von Bette auffgestanden, und herumb gegangen, habe auch das Küssen vor den Leib gebunden; es sey aber solches nicht deßwegen geschehen, daß das Gesinde die Veränderung des Leibes nicht mercken solle, sondern Sie habe dergleichen Küssen sonst stets für dem Leibe zutragen pflegen: Sie habe ferner nicht vorgegeben, daß Sie ein Fieber habe: Sie könne auch nicht wissen, ob Ihre Mutter zu dem Pfarrer zu E. gesagt, daß Ihr das Fieber von Schrecken vergangen sey: Indessen wäre Sie zwar 8. Tage nach der Geburt wieder in die Kirche gangen, habe sich aber nicht galant angezogen, sondern in einer Haube und in einen Habit, wie Sie itzo noch gehe: Solches aber habe Sie nicht eben zu dem Ende gethan, daß Ihre Schande und That nicht offenbahr werden solte, sondern weil das Kind einmahl todt gewesen, hätte Sie gemeinet, würde es nicht viel zu bedeuten haben, und die Leute würden es nicht groß mercken, daß ein Kind da gewesen wäre. Als die Köchin das Kind ausgegraben und in Ofen gesetzt, hätte Inquisitin solches aus Ihrer Mutter Befehl nicht auff den Saal geholet und abgewaschen, sondern als die Zoffe das Kind in Ihre Schlaff-Kammer bracht und abgewaschen, hätte Sie Inquisitin gesagt: Du liebes Kind, ich hätte dich gerne behalten wollen, wenn du wärest lebendig gewesen, (nicht aber: wenn ich vor den Meinigen gedurfft hätte). Sie hätte auch vorhero nicht gesagt: Sie solten das Kind nicht umbbringen, Sie wolte sich gerne in einen Hirten-Häußgen behelffen. Sie sey endlich freylich flüchtig worden, es wäre aber solches geschehen, weil Ihr die Leute so leide gemacht hätten.</p> </div> </body> </text> </TEI> [41/0057]
nes zwar vollkommenen, aber todten Kindes genesen, welches ein Mägdlein gewesen: das Kind hätte Sie in Ihrer Schlaff-Kammer in Bette liegend gebohren: Sie habe auch in Schwangergehen Ihr selbst, das die Leibes-Frucht umbkommen möchte, keine Gewalt gethan: Ihre Mutter hätte das Kind nach der Geburth in die Lade gelegt: Sie habe das Kind nicht vorsetzlich ermordet noch umbs Leben gebracht; es habe Ihr auch niemand hierzu Rath und That gegeben: gleichfalls habe Ihre Mutter solches auch nicht gethan. Dem Kinde habe Sie die Nabelschnur nicht verbunden, aber nicht aus dem Vorsatz, daß sich das Kind verbluten und sterben solte: Sie habe nicht gewust, daß man ein Kind verbinden müsse, es wäre das Kind todt gewesen: Sie wisse nicht, was Ihre Mutter gethan hätte, dieselbe wäre alsbald bey Ihr gewesen, als das Kind von Ihr kommen, und hätte es von Ihr genommen. Sie habe das Kind nicht selbst in einen garstigen alten Lappen gewickelt; Ihre Mutter hätte es eingewickelt, und in die Lade gelegt. Das könne sie nicht wissen, wer dem Kinde die daran befundene Stiche zugefüget, selbst habe Sie es nicht gethan: Sie habe auch das Kind nicht vergraben noch vergraben helffen, wisse auch nicht, wer solches gethan habe: Sie habe der Köchin nicht zuentbieten lassen, sie solte sagen, daß Sie das kleine Vogelspießgen bey dem ausgraben gebraucht: Sie sey aber des dritten Tages nach der Geburt von Bette auffgestanden, und herumb gegangen, habe auch das Küssen vor den Leib gebunden; es sey aber solches nicht deßwegen geschehen, daß das Gesinde die Veränderung des Leibes nicht mercken solle, sondern Sie habe dergleichen Küssen sonst stets für dem Leibe zutragen pflegen: Sie habe ferner nicht vorgegeben, daß Sie ein Fieber habe: Sie könne auch nicht wissen, ob Ihre Mutter zu dem Pfarrer zu E. gesagt, daß Ihr das Fieber von Schrecken vergangen sey: Indessen wäre Sie zwar 8. Tage nach der Geburt wieder in die Kirche gangen, habe sich aber nicht galant angezogen, sondern in einer Haube und in einen Habit, wie Sie itzo noch gehe: Solches aber habe Sie nicht eben zu dem Ende gethan, daß Ihre Schande und That nicht offenbahr werden solte, sondern weil das Kind einmahl todt gewesen, hätte Sie gemeinet, würde es nicht viel zu bedeuten haben, und die Leute würden es nicht groß mercken, daß ein Kind da gewesen wäre. Als die Köchin das Kind ausgegraben und in Ofen gesetzt, hätte Inquisitin solches aus Ihrer Mutter Befehl nicht auff den Saal geholet und abgewaschen, sondern als die Zoffe das Kind in Ihre Schlaff-Kammer bracht und abgewaschen, hätte Sie Inquisitin gesagt: Du liebes Kind, ich hätte dich gerne behalten wollen, wenn du wärest lebendig gewesen, (nicht aber: wenn ich vor den Meinigen gedurfft hätte). Sie hätte auch vorhero nicht gesagt: Sie solten das Kind nicht umbbringen, Sie wolte sich gerne in einen Hirten-Häußgen behelffen. Sie sey endlich freylich flüchtig worden, es wäre aber solches geschehen, weil Ihr die Leute so leide gemacht hätten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in TEI.
(2012-11-23T14:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-23T14:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-23T14:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |