Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.heit verbitterter machte, ja daß sie denen selbst, die die Warheit Satyrischer Weise vortrügen, vielen Verdruß erweckte, und sie an den Fortgang auff dem Weg der Wahrheit sehr hinderte, indem sie von ihren Wiedersachern hinwiederum gereitzet würden, mit selbigen in Streit-Schrifften sich einzulassen; und daß dannenhero auf eine andre Weise der Vortrag der Warheit geschehen müste. Wie aber insgemein zu geschehen pflegt, daß wenn man sich von einem erkanten Irrwege entfernen will, man gar leichte, wenn man sich nicht wohl in acht nimmt, auff einen andern Irrweg gerathen kan; also gieng mir es selbst eine Zeitlang, daß ich vermeinte, die Wahrheit könne nicht anders als durch Lesung ernsthaffter und andächtiger Bücher erhalten werden, und müste auch hin wiederum mit lauteren Ernst oder mit Seuffzen und Weinen vorgetragen und ohne Einmischung der geringsten Fröligkeit und Schertzes andern vorgetragen werden; wie dann hiervon meine damahls edirten Schrifften, absonderlich aber die Ausübung der Sitten-Lehre Zeugniß geben. Jedoch gabe GOtt nach seiner Göttlichen Barmhertzigkeit Gnade, daß ich meinen Fuß auch aus diesem Irrthum bey Zeiten wieder zurücke zog, und deutlich begriffe, daß die Erkäntniß der Wahrheit an und vor sich selbst von dem Vortrag derselben nicht dependirte, so wenig als der Genuß einer gesunden Speise von derselben Zubereitung, sondern daß ein jeder sich hüten müste, die Speise weder durch Bitterkeit noch allzugrosse Säure oder Schärffe unannehmlich zu machen, indessen ein wenig Saltz oder Eßig zuweilen nicht nur unschädlich wäre, sondern auch bey vielen, die sonst einen Eckel an der Speise hätten, den appetit erweckte. Hierdurch wurde ich vergewissert, daß so wenig der ernsthaffte und seuffzende Vortrag die Lehrer, die sich derselben beflissen, allezeit vor Irrthümern bewahrete, (wie davon die bekanten unschuldigen Nachrichten u. was von andern gelehrten Männern auf den Heuchlerischen Vortrag derselben ist erinnert worden, ein deutliches Exempel geben können) so wenig auch der muntere und lebhafte Vortrag nebst einem ungezwungenen und sinnreichen Schertz (wenn derselbe nur nicht allzubeissend, anzüglich, grob oder schändlich sey) der Erkäntniß und Fortpflantzung der Warheit schädlich wäre, und daß dannenhe- heit verbitterter machte, ja daß sie denen selbst, die die Warheit Satyrischer Weise vortrügen, vielen Verdruß erweckte, und sie an den Fortgang auff dem Weg der Wahrheit sehr hinderte, indem sie von ihren Wiedersachern hinwiederum gereitzet würden, mit selbigen in Streit-Schrifften sich einzulassen; und daß dannenhero auf eine andre Weise der Vortrag der Warheit geschehen müste. Wie aber insgemein zu geschehen pflegt, daß wenn man sich von einem erkanten Irrwege entfernen will, man gar leichte, wenn man sich nicht wohl in acht nimmt, auff einen andern Irrweg gerathen kan; also gieng mir es selbst eine Zeitlang, daß ich vermeinte, die Wahrheit könne nicht anders als durch Lesung ernsthaffter und andächtiger Bücher erhalten werden, und müste auch hin wiederum mit lauteren Ernst oder mit Seuffzen und Weinen vorgetragen und ohne Einmischung der geringsten Fröligkeit und Schertzes andern vorgetragen werden; wie dann hiervon meine damahls edirten Schrifften, absonderlich aber die Ausübung der Sitten-Lehre Zeugniß geben. Jedoch gabe GOtt nach seiner Göttlichen Barmhertzigkeit Gnade, daß ich meinen Fuß auch aus diesem Irrthum bey Zeiten wieder zurücke zog, und deutlich begriffe, daß die Erkäntniß der Wahrheit an und vor sich selbst von dem Vortrag derselben nicht dependirte, so wenig als der Genuß einer gesunden Speise von derselben Zubereitung, sondern daß ein jeder sich hüten müste, die Speise weder durch Bitterkeit noch allzugrosse Säure oder Schärffe unannehmlich zu machen, indessen ein wenig Saltz oder Eßig zuweilen nicht nur unschädlich wäre, sondern auch bey vielen, die sonst einen Eckel an der Speise hätten, den appetit erweckte. Hierdurch wurde ich vergewissert, daß so wenig der ernsthaffte und seuffzende Vortrag die Lehrer, die sich derselben beflissen, allezeit vor Irrthümern bewahrete, (wie davon die bekanten unschuldigen Nachrichten u. was von andern gelehrten Männern auf den Heuchlerischen Vortrag derselben ist erinnert worden, ein deutliches Exempel geben können) so wenig auch der muntere und lebhafte Vortrag nebst einem ungezwungenen und sinnreichen Schertz (wenn derselbe nur nicht allzubeissend, anzüglich, grob oder schändlich sey) der Erkäntniß und Fortpflantzung der Warheit schädlich wäre, und daß dannenhe- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0005"/> heit verbitterter machte, ja daß sie denen selbst, die die Warheit Satyrischer Weise vortrügen, vielen Verdruß erweckte, und sie an den Fortgang auff dem Weg der Wahrheit sehr hinderte, indem sie von ihren Wiedersachern hinwiederum gereitzet würden, mit selbigen in Streit-Schrifften sich einzulassen; und daß dannenhero auf eine andre Weise der Vortrag der Warheit geschehen müste. Wie aber insgemein zu geschehen pflegt, daß wenn man sich von einem erkanten Irrwege entfernen will, man gar leichte, wenn man sich nicht wohl in acht nimmt, auff einen andern Irrweg gerathen kan; also gieng mir es selbst eine Zeitlang, daß ich vermeinte, die Wahrheit könne nicht anders als durch Lesung ernsthaffter und andächtiger Bücher erhalten werden, und müste auch hin wiederum mit lauteren Ernst oder mit Seuffzen und Weinen vorgetragen und ohne Einmischung der geringsten Fröligkeit und Schertzes andern vorgetragen werden; wie dann hiervon meine damahls edirten Schrifften, absonderlich aber die Ausübung der Sitten-Lehre Zeugniß geben. Jedoch gabe GOtt nach seiner Göttlichen Barmhertzigkeit Gnade, daß ich meinen Fuß auch aus diesem Irrthum bey Zeiten wieder zurücke zog, und deutlich begriffe, daß die Erkäntniß der Wahrheit an und vor sich selbst von dem Vortrag derselben nicht dependirte, so wenig als der Genuß einer gesunden Speise von derselben Zubereitung, sondern daß ein jeder sich hüten müste, die Speise weder durch Bitterkeit noch allzugrosse Säure oder Schärffe unannehmlich zu machen, indessen ein wenig Saltz oder Eßig zuweilen nicht nur unschädlich wäre, sondern auch bey vielen, die sonst einen Eckel an der Speise hätten, den appetit erweckte. Hierdurch wurde ich vergewissert, daß so wenig der ernsthaffte und seuffzende Vortrag die Lehrer, die sich derselben beflissen, allezeit vor Irrthümern bewahrete, (wie davon die bekanten unschuldigen Nachrichten u. was von andern gelehrten Männern auf den Heuchlerischen Vortrag derselben ist erinnert worden, ein deutliches Exempel geben können) so wenig auch der muntere und lebhafte Vortrag nebst einem ungezwungenen und sinnreichen Schertz (wenn derselbe nur nicht allzubeissend, anzüglich, grob oder schändlich sey) der Erkäntniß und Fortpflantzung der Warheit schädlich wäre, und daß dannenhe- </p> </div> </body> </text> </TEI> [0005]
heit verbitterter machte, ja daß sie denen selbst, die die Warheit Satyrischer Weise vortrügen, vielen Verdruß erweckte, und sie an den Fortgang auff dem Weg der Wahrheit sehr hinderte, indem sie von ihren Wiedersachern hinwiederum gereitzet würden, mit selbigen in Streit-Schrifften sich einzulassen; und daß dannenhero auf eine andre Weise der Vortrag der Warheit geschehen müste. Wie aber insgemein zu geschehen pflegt, daß wenn man sich von einem erkanten Irrwege entfernen will, man gar leichte, wenn man sich nicht wohl in acht nimmt, auff einen andern Irrweg gerathen kan; also gieng mir es selbst eine Zeitlang, daß ich vermeinte, die Wahrheit könne nicht anders als durch Lesung ernsthaffter und andächtiger Bücher erhalten werden, und müste auch hin wiederum mit lauteren Ernst oder mit Seuffzen und Weinen vorgetragen und ohne Einmischung der geringsten Fröligkeit und Schertzes andern vorgetragen werden; wie dann hiervon meine damahls edirten Schrifften, absonderlich aber die Ausübung der Sitten-Lehre Zeugniß geben. Jedoch gabe GOtt nach seiner Göttlichen Barmhertzigkeit Gnade, daß ich meinen Fuß auch aus diesem Irrthum bey Zeiten wieder zurücke zog, und deutlich begriffe, daß die Erkäntniß der Wahrheit an und vor sich selbst von dem Vortrag derselben nicht dependirte, so wenig als der Genuß einer gesunden Speise von derselben Zubereitung, sondern daß ein jeder sich hüten müste, die Speise weder durch Bitterkeit noch allzugrosse Säure oder Schärffe unannehmlich zu machen, indessen ein wenig Saltz oder Eßig zuweilen nicht nur unschädlich wäre, sondern auch bey vielen, die sonst einen Eckel an der Speise hätten, den appetit erweckte. Hierdurch wurde ich vergewissert, daß so wenig der ernsthaffte und seuffzende Vortrag die Lehrer, die sich derselben beflissen, allezeit vor Irrthümern bewahrete, (wie davon die bekanten unschuldigen Nachrichten u. was von andern gelehrten Männern auf den Heuchlerischen Vortrag derselben ist erinnert worden, ein deutliches Exempel geben können) so wenig auch der muntere und lebhafte Vortrag nebst einem ungezwungenen und sinnreichen Schertz (wenn derselbe nur nicht allzubeissend, anzüglich, grob oder schändlich sey) der Erkäntniß und Fortpflantzung der Warheit schädlich wäre, und daß dannenhe-
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