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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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5.

Man muß derjenigen Auslegung folgen, die mit den Grund-Regeln, die ein Autor in seinen Schrifften gegeben hat, oder mit der Ursache, warum er etwas gethan hat; übereinkommt. Jedoch muß man wohl darauff bedacht seyn, zu erkennen; ob die Grund-Regeln, die der andere setzt, und die Ursache, die er vorgiebt, auch von dem, den man erkläret, mit Ernst gemeinet sind oder von ihm nur zum Schein vorgebracht worden; denn wo das letzte ist, darff man sich in der Auslegung nicht daran binden. Z. E. wann gleich Spinosa allenthalben saget, daß er einen GOtt glaube und GOttes Wesen demonstriren wolle, so sehe ich doch aus andern Umständen, daß sein GOTT nichts anders ist, als der gantze Begriff aller Creaturen, und muß mich folglich auch in der Auslegung seiner darnach richten.

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Umstände: von der Clerisey, dem Magistrat und Euren Hochedlen ebenfalls in keine Consideration genommen worden: sondern da nach dieser redlichen Erklährung, meine Absichten, Worte, Entschuldigungen und der Inhalt des Büchleins: auff eine vernünfftige Weise hätten können ausgeleget werden; haben sie selbige, nebst den unschuldigsten Pensees meines politischen Tractätgens: auff die gezwungenste, nachtheiligste, gefährlichste und recht unchristliche Art ausgedeutet; mit dem Vorsatz ohne Zweiffel: mich, es koste was es wolle, zum Atheisten zu machen.

5.

Meine Regeln: die zum Grunde bey den Meditationibus und ihrer Ausarbeitung geleget, sind: daß (1) wie ein freyer Philosophus, nicht wie ein Theologus: (2) theils wie ein würcklicher Heyde: theils wie ein Christlichgesinnter Heyde: und nicht wie ein veritabler Christ; sie verfertiget und heraus gegeben. Das (3) die Verthädigung der Christlich-Philosophischen und Theologischen Warheit: meine warhafftige Absicht: ich auch (4) bey dieser Philosophischen Arbeit ein auffrichtiger Christ der Lehre: dem Glauben: und dem Leben nach; beständig bin gewesen und geblieben. Eure Hochedlen wollen zwar: die in dem Büchlein befindliche Sätze, vor meine Grund-Lehrenausgeben. Daß aber solches: eben das Primum Falsum; und die daraus zu meiner Beleidigung und Prejudice, erzwungene und gekünstelte Rationes Decidendi; Irrthümer und

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5.

Man muß derjenigen Auslegung folgen, die mit den Grund-Regeln, die ein Autor in seinen Schrifften gegeben hat, oder mit der Ursache, warum er etwas gethan hat; übereinkommt. Jedoch muß man wohl darauff bedacht seyn, zu erkennen; ob die Grund-Regeln, die der andere setzt, und die Ursache, die er vorgiebt, auch von dem, den man erkläret, mit Ernst gemeinet sind oder von ihm nur zum Schein vorgebracht worden; denn wo das letzte ist, darff man sich in der Auslegung nicht daran binden. Z. E. wann gleich Spinosa allenthalben saget, daß er einen GOtt glaube und GOttes Wesen demonstriren wolle, so sehe ich doch aus andern Umständen, daß sein GOTT nichts anders ist, als der gantze Begriff aller Creaturen, und muß mich folglich auch in der Auslegung seiner darnach richten.

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Umstände: von der Clerisey, dem Magistrat und Euren Hochedlen ebenfalls in keine Consideration genommen worden: sondern da nach dieser redlichen Erklährung, meine Absichten, Worte, Entschuldigungen und der Inhalt des Büchleins: auff eine vernünfftige Weise hätten können ausgeleget werden; haben sie selbige, nebst den unschuldigsten Pensées meines politischen Tractätgens: auff die gezwungenste, nachtheiligste, gefährlichste und recht unchristliche Art ausgedeutet; mit dem Vorsatz ohne Zweiffel: mich, es koste was es wolle, zum Atheisten zu machen.

5.

Meine Regeln: die zum Grunde bey den Meditationibus und ihrer Ausarbeitung geleget, sind: daß (1) wie ein freyer Philosophus, nicht wie ein Theologus: (2) theils wie ein würcklicher Heyde: theils wie ein Christlichgesinnter Heyde: und nicht wie ein veritabler Christ; sie verfertiget und heraus gegeben. Das (3) die Verthädigung der Christlich-Philosophischen und Theologischen Warheit: meine warhafftige Absicht: ich auch (4) bey dieser Philosophischen Arbeit ein auffrichtiger Christ der Lehre: dem Glauben: und dem Leben nach; beständig bin gewesen und geblieben. Eure Hochedlen wollen zwar: die in dem Büchlein befindliche Sätze, vor meine Grund-Lehrenausgeben. Daß aber solches: eben das Primum Falsum; und die daraus zu meiner Beleidigung und Prejudice, erzwungene und gekünstelte Rationes Decidendi; Irrthümer und

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[304/0320] 5. Man muß derjenigen Auslegung folgen, die mit den Grund-Regeln, die ein Autor in seinen Schrifften gegeben hat, oder mit der Ursache, warum er etwas gethan hat; übereinkommt. Jedoch muß man wohl darauff bedacht seyn, zu erkennen; ob die Grund-Regeln, die der andere setzt, und die Ursache, die er vorgiebt, auch von dem, den man erkläret, mit Ernst gemeinet sind oder von ihm nur zum Schein vorgebracht worden; denn wo das letzte ist, darff man sich in der Auslegung nicht daran binden. Z. E. wann gleich Spinosa allenthalben saget, daß er einen GOtt glaube und GOttes Wesen demonstriren wolle, so sehe ich doch aus andern Umständen, daß sein GOTT nichts anders ist, als der gantze Begriff aller Creaturen, und muß mich folglich auch in der Auslegung seiner darnach richten. Umstände: von der Clerisey, dem Magistrat und Euren Hochedlen ebenfalls in keine Consideration genommen worden: sondern da nach dieser redlichen Erklährung, meine Absichten, Worte, Entschuldigungen und der Inhalt des Büchleins: auff eine vernünfftige Weise hätten können ausgeleget werden; haben sie selbige, nebst den unschuldigsten Pensées meines politischen Tractätgens: auff die gezwungenste, nachtheiligste, gefährlichste und recht unchristliche Art ausgedeutet; mit dem Vorsatz ohne Zweiffel: mich, es koste was es wolle, zum Atheisten zu machen. 5. Meine Regeln: die zum Grunde bey den Meditationibus und ihrer Ausarbeitung geleget, sind: daß (1) wie ein freyer Philosophus, nicht wie ein Theologus: (2) theils wie ein würcklicher Heyde: theils wie ein Christlichgesinnter Heyde: und nicht wie ein veritabler Christ; sie verfertiget und heraus gegeben. Das (3) die Verthädigung der Christlich-Philosophischen und Theologischen Warheit: meine warhafftige Absicht: ich auch (4) bey dieser Philosophischen Arbeit ein auffrichtiger Christ der Lehre: dem Glauben: und dem Leben nach; beständig bin gewesen und geblieben. Eure Hochedlen wollen zwar: die in dem Büchlein befindliche Sätze, vor meine Grund-Lehrenausgeben. Daß aber solches: eben das Primum Falsum; und die daraus zu meiner Beleidigung und Prejudice, erzwungene und gekünstelte Rationes Decidendi; Irrthümer und

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/320>, abgerufen am 23.11.2024.