Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.ment habe; Aber damit kan er mich nicht bewegen, daß ich solches glaube; vielmehr bin ich der gäntzlichen Meinung, daß warhafftig ehrgierige Leute diese ihre Schwachheit zu verbergen suchen; und daß hingegen ein lächerlicher Ehrgeitz eine gewisse Anzeigung sey, daß bey einem solchen Menschen, der viel von honneter ambition schwatzet, oder wohl ausruffet: Laufft zu, hier ist der mann, der die Ehrgierde für sein summum bonum hält; die ambition passio infima seyn müsse. 5. Nach meiner Philosophie kan keinem Menschen imputiret werden, was er für ein Temperament mit auff die Welt gebracht, sondern man muß vielmehr caeteris paribus in so weit Mitleiden mit ihm haben; weil dieses ohne sein Wissen und Willen geschehen. 6. Und ob wohl ich an meinem Orte die mixtur eines melancholischen und sanguinischen Temperaments in gewissen Stücken für elender halte, als die mixtur der andern Temperamente, so sind doch viele gelehrte Leute in diesem Stücke nicht mit mir einig, sondern halten die melancholico-sanguineos für rechte gute Leute, weßhalben er viel klüger würde gethan haben, wenn er diese Parthey wieder mich gewehlet hätte, als daß er par force und ohne die geringste vernünfftige Raison ein Cholericus oder ehrgieriger Mensch seyn will. 7. So erkennen vernünfftige Leute, daß das Temperament an und für sich selbst keinen Menschen tugendhafft oder warhafftig glücklich mache, sondern daß ein ieder Mensch, er sey von was für Temperament er wolle, theils die Zeit seines Lebens behutsam zu gehen, und seine Besserung hauptsächlich von göttlicher direction zu erwarten habe, theils aber auch an seiner Ausbesserung wegen seines Temperaments nicht verzagen, vielweniger verzweiffeln, indessen aber in seiner Ausbesserung von der Erkäntniß seines natürlichen Elendes den Anfang machen müsse. §. XVII. So ist es auch ferner keines weges ein ambitiöser und judiciöserUnd daß er einen gewissen locum angeführet / als ob wir uns wieder sprächen. Streich, wenn der Herr Quaerent §. 3. sich also verlauten läßt, daß WIR (nemlich unser Collegium oder doch die meisten davon, nach deren ihrer Stimmen die conclusa müssen expedirt werden) in unserer Muchmassungs-Kunst, als wie ein unumstößliches Axioma bejaheten: Melancholicum ad superstitionem inclinare; Cholericum autem ad Atheismum pronum esse; und doch aus Mangel des Gedächtnisses ihn hernach zu einem melancholischen Atheisten hätten machen wollen, sondern es ist dieses ein sehr einfältiger und hämischer Streich. Denn 1. ist in Nahmen unserer Facultät niemals eine dergleichen Muthmassungs-Kunst publicirt worden, so weiß ich auch von keinem meiner Herrn Collegen, der ein Buch unter diesen Titel herausgegeben. 2. Hat dasselbe ment habe; Aber damit kan er mich nicht bewegen, daß ich solches glaube; vielmehr bin ich der gäntzlichen Meinung, daß warhafftig ehrgierige Leute diese ihre Schwachheit zu verbergen suchen; und daß hingegen ein lächerlicher Ehrgeitz eine gewisse Anzeigung sey, daß bey einem solchen Menschen, der viel von honneter ambition schwatzet, oder wohl ausruffet: Laufft zu, hier ist der mann, der die Ehrgierde für sein summum bonum hält; die ambition passio infima seyn müsse. 5. Nach meiner Philosophie kan keinem Menschen imputiret werden, was er für ein Temperament mit auff die Welt gebracht, sondern man muß vielmehr caeteris paribus in so weit Mitleiden mit ihm haben; weil dieses ohne sein Wissen und Willen geschehen. 6. Und ob wohl ich an meinem Orte die mixtur eines melancholischen und sanguinischen Temperaments in gewissen Stücken für elender halte, als die mixtur der andern Temperamente, so sind doch viele gelehrte Leute in diesem Stücke nicht mit mir einig, sondern halten die melancholico-sanguineos für rechte gute Leute, weßhalben er viel klüger würde gethan haben, wenn er diese Parthey wieder mich gewehlet hätte, als daß er par force und ohne die geringste vernünfftige Raison ein Cholericus oder ehrgieriger Mensch seyn will. 7. So erkennen vernünfftige Leute, daß das Temperament an und für sich selbst keinen Menschen tugendhafft oder warhafftig glücklich mache, sondern daß ein ieder Mensch, er sey von was für Temperament er wolle, theils die Zeit seines Lebens behutsam zu gehen, und seine Besserung hauptsächlich von göttlicher direction zu erwarten habe, theils aber auch an seiner Ausbesserung wegen seines Temperaments nicht verzagen, vielweniger verzweiffeln, indessen aber in seiner Ausbesserung von der Erkäntniß seines natürlichen Elendes den Anfang machen müsse. §. XVII. So ist es auch ferner keines weges ein ambitiöser und judiciöserUnd daß er einen gewissen locum angeführet / als ob wir uns wieder sprächen. Streich, wenn der Herr Quaerent §. 3. sich also verlauten läßt, daß WIR (nemlich unser Collegium oder doch die meisten davon, nach deren ihrer Stimmen die conclusa müssen expedirt werden) in unserer Muchmassungs-Kunst, als wie ein unumstößliches Axioma bejaheten: Melancholicum ad superstitionem inclinare; Cholericum autem ad Atheismum pronum esse; und doch aus Mangel des Gedächtnisses ihn hernach zu einem melancholischen Atheisten hätten machen wollen, sondern es ist dieses ein sehr einfältiger und hämischer Streich. Denn 1. ist in Nahmen unserer Facultät niemals eine dergleichen Muthmassungs-Kunst publicirt worden, so weiß ich auch von keinem meiner Herrn Collegen, der ein Buch unter diesen Titel herausgegeben. 2. 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Und ob wohl ich an meinem Orte die mixtur eines melancholischen und sanguinischen Temperaments in gewissen Stücken für elender halte, als die mixtur der andern Temperamente, so sind doch viele gelehrte Leute in diesem Stücke nicht mit mir einig, sondern halten die melancholico-sanguineos für rechte gute Leute, weßhalben er viel klüger würde gethan haben, wenn er diese Parthey wieder mich gewehlet hätte, als daß er par force und ohne die geringste vernünfftige Raison ein Cholericus oder ehrgieriger Mensch seyn will. 7. So erkennen vernünfftige Leute, daß das Temperament an und für sich selbst keinen Menschen tugendhafft oder warhafftig glücklich mache, sondern daß ein ieder Mensch, er sey von was für Temperament er wolle, theils die Zeit seines Lebens behutsam zu gehen, und seine Besserung hauptsächlich von göttlicher direction zu erwarten habe, theils aber auch an seiner Ausbesserung wegen seines Temperaments nicht verzagen, vielweniger verzweiffeln, indessen aber in seiner Ausbesserung von der Erkäntniß seines natürlichen Elendes den Anfang machen müsse.</p> <p>§. XVII. 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ment habe; Aber damit kan er mich nicht bewegen, daß ich solches glaube; vielmehr bin ich der gäntzlichen Meinung, daß warhafftig ehrgierige Leute diese ihre Schwachheit zu verbergen suchen; und daß hingegen ein lächerlicher Ehrgeitz eine gewisse Anzeigung sey, daß bey einem solchen Menschen, der viel von honneter ambition schwatzet, oder wohl ausruffet: Laufft zu, hier ist der mann, der die Ehrgierde für sein summum bonum hält; die ambition passio infima seyn müsse. 5. Nach meiner Philosophie kan keinem Menschen imputiret werden, was er für ein Temperament mit auff die Welt gebracht, sondern man muß vielmehr caeteris paribus in so weit Mitleiden mit ihm haben; weil dieses ohne sein Wissen und Willen geschehen. 6. Und ob wohl ich an meinem Orte die mixtur eines melancholischen und sanguinischen Temperaments in gewissen Stücken für elender halte, als die mixtur der andern Temperamente, so sind doch viele gelehrte Leute in diesem Stücke nicht mit mir einig, sondern halten die melancholico-sanguineos für rechte gute Leute, weßhalben er viel klüger würde gethan haben, wenn er diese Parthey wieder mich gewehlet hätte, als daß er par force und ohne die geringste vernünfftige Raison ein Cholericus oder ehrgieriger Mensch seyn will. 7. So erkennen vernünfftige Leute, daß das Temperament an und für sich selbst keinen Menschen tugendhafft oder warhafftig glücklich mache, sondern daß ein ieder Mensch, er sey von was für Temperament er wolle, theils die Zeit seines Lebens behutsam zu gehen, und seine Besserung hauptsächlich von göttlicher direction zu erwarten habe, theils aber auch an seiner Ausbesserung wegen seines Temperaments nicht verzagen, vielweniger verzweiffeln, indessen aber in seiner Ausbesserung von der Erkäntniß seines natürlichen Elendes den Anfang machen müsse.
§. XVII. So ist es auch ferner keines weges ein ambitiöser und judiciöser Streich, wenn der Herr Quaerent §. 3. sich also verlauten läßt, daß WIR (nemlich unser Collegium oder doch die meisten davon, nach deren ihrer Stimmen die conclusa müssen expedirt werden) in unserer Muchmassungs-Kunst, als wie ein unumstößliches Axioma bejaheten: Melancholicum ad superstitionem inclinare; Cholericum autem ad Atheismum pronum esse; und doch aus Mangel des Gedächtnisses ihn hernach zu einem melancholischen Atheisten hätten machen wollen, sondern es ist dieses ein sehr einfältiger und hämischer Streich. Denn 1. ist in Nahmen unserer Facultät niemals eine dergleichen Muthmassungs-Kunst publicirt worden, so weiß ich auch von keinem meiner Herrn Collegen, der ein Buch unter diesen Titel herausgegeben. 2. Hat dasselbe
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