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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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machen der Zäuberer Pharaonis von dem Fiscal verglichen; von dem Defensore aber, daß das arme Mägdgen von der alten Hexe sey verführet worden, hauptsächlich angeführet, da doch, wenn man die Aussage des Mägdgens und anderer Kinder, die das Mäuse machen gesehen, nur ein wenig mit Verstand ansahe, jederman gleich spüren kunte, daß das Mägdgen keine andere Mäuse gemacht, als die bey uns fast alle kleine Kinder, etwas zu lachen zu machen wissen, wenn man ein Schnuptuch zusammen wickelt in der Forme, daß zwey Enden auf beyden Seiten hervor gucken, dereneines den Schwantz bedeutet, aus dem andern aber ein Knoten geknüpft wird, daß er den Kopff bedeutet, und dieses gemächte hernach auff die Hand setzt, und streichelt, unvermerckt aber mit dem einen Finger einen Stoß giebet, daß diese Schnuptuchene Mauß auff den Tisch springet, und von dar wohl gar fort und unter den Tisch kaulert. Wer wolte nun, wenn er solche Dinge lieset, nicht betrübt werden, daß wegen solcher Kinderpossen arme Kinder und alte Weiber, cum tanto apparatu allegationum angeklagt, und ohne Bemerckung dieser Kinderey, tanquam in re seria defendiret würden. Dieses Exempel thate mir ziemlich die Augen auff, daß ich dieses noch mehr als Papistische Verfahren deutlicher erkennen, und den Ursprung desselben ein wenig genauer nachzuforschen lernete. Daß aber die relation dieser Acten allhier nicht ümständlich ausgeführet wird, ist deßhalben geschehen, weil dieselbe allbereit in Herr D. Reichens Unfug des Hexen-Processes p. 485. biß 622. zu befinden.

§. X. Der andere casus, der sich folgends 1695. zugetragen, undVon einem Jungen, der abscheuliche Dinge per pacta mit dem Teufel gethan zu haben freywillig ausgesagt. dessen Umstände ich gleichfalls Herr D. Reichen zugestellet, auch eben daselbst p. 622. biß 682. zu finden ist, ist noch curieuser, indem ein munterer, und mit einem aufgeweckten Verstand begabter Junge von 17. Jahren, in dem Closter Wolmerstett, freywillig gegen andre seines gleichen bekant, auch hernach gerichtlich solches wiederholet, daß er pacta mit dem Teuffel gemacht, nebst seinen gewesenen Herren einen Artzt, sich respective in einen Vogel und Esel verwandelt, und solcher gestalt vielen Menschen Schaden gethan, welches er mit so vielen recht abscheulichen, aber dabey auch grösten Theils unglaublichen Umständen erzehlet, daß man ohne Entsetzen über des Jungen Verwegenheit es nicht lesen kan. Wie aber alles zugegangen, und wie durch unsere sententias interlocutorias und was darauff erfolget, daß dieser Lug und Betrug völlig entdeckt, auch der Junge nicht wegen Zauberey, sondern wegen seiner frechen Lügen gestrafft und gezüchtiget worden, kan daselbst mehrern Inhalts gelesen werden. Und dieses gabe mir noch mehr Anlaß, auff Untersuchung des Hexen-Wesens bedacht zu

machen der Zäuberer Pharaonis von dem Fiscal verglichen; von dem Defensore aber, daß das arme Mägdgen von der alten Hexe sey verführet worden, hauptsächlich angeführet, da doch, wenn man die Aussage des Mägdgens und anderer Kinder, die das Mäuse machen gesehen, nur ein wenig mit Verstand ansahe, jederman gleich spüren kunte, daß das Mägdgen keine andere Mäuse gemacht, als die bey uns fast alle kleine Kinder, etwas zu lachen zu machen wissen, wenn man ein Schnuptuch zusammen wickelt in der Forme, daß zwey Enden auf beyden Seiten hervor gucken, dereneines den Schwantz bedeutet, aus dem andern aber ein Knoten geknüpft wird, daß er den Kopff bedeutet, und dieses gemächte hernach auff die Hand setzt, und streichelt, unvermerckt aber mit dem einen Finger einen Stoß giebet, daß diese Schnuptuchene Mauß auff den Tisch springet, und von dar wohl gar fort und unter den Tisch kaulert. Wer wolte nun, wenn er solche Dinge lieset, nicht betrübt werden, daß wegen solcher Kinderpossen arme Kinder und alte Weiber, cum tanto apparatu allegationum angeklagt, und ohne Bemerckung dieser Kinderey, tanquam in re seria defendiret würden. Dieses Exempel thate mir ziemlich die Augen auff, daß ich dieses noch mehr als Papistische Verfahren deutlicher erkennen, und den Ursprung desselben ein wenig genauer nachzuforschen lernete. Daß aber die relation dieser Acten allhier nicht ümständlich ausgeführet wird, ist deßhalben geschehen, weil dieselbe allbereit in Herr D. Reichens Unfug des Hexen-Processes p. 485. biß 622. zu befinden.

§. X. Der andere casus, der sich folgends 1695. zugetragen, undVon einem Jungen, der abscheuliche Dinge per pacta mit dem Teufel gethan zu haben freywillig ausgesagt. dessen Umstände ich gleichfalls Herr D. Reichen zugestellet, auch eben daselbst p. 622. biß 682. zu finden ist, ist noch curieuser, indem ein munterer, und mit einem aufgeweckten Verstand begabter Junge von 17. Jahren, in dem Closter Wolmerstett, freywillig gegen andre seines gleichen bekant, auch hernach gerichtlich solches wiederholet, daß er pacta mit dem Teuffel gemacht, nebst seinen gewesenen Herren einen Artzt, sich respective in einen Vogel und Esel verwandelt, und solcher gestalt vielen Menschen Schaden gethan, welches er mit so vielen recht abscheulichen, aber dabey auch grösten Theils unglaublichen Umständen erzehlet, daß man ohne Entsetzen über des Jungen Verwegenheit es nicht lesen kan. Wie aber alles zugegangen, und wie durch unsere sententias interlocutorias und was darauff erfolget, daß dieser Lug und Betrug völlig entdeckt, auch der Junge nicht wegen Zauberey, sondern wegen seiner frechen Lügen gestrafft und gezüchtiget worden, kan daselbst mehrern Inhalts gelesen werden. Und dieses gabe mir noch mehr Anlaß, auff Untersuchung des Hexen-Wesens bedacht zu

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[205/0221] machen der Zäuberer Pharaonis von dem Fiscal verglichen; von dem Defensore aber, daß das arme Mägdgen von der alten Hexe sey verführet worden, hauptsächlich angeführet, da doch, wenn man die Aussage des Mägdgens und anderer Kinder, die das Mäuse machen gesehen, nur ein wenig mit Verstand ansahe, jederman gleich spüren kunte, daß das Mägdgen keine andere Mäuse gemacht, als die bey uns fast alle kleine Kinder, etwas zu lachen zu machen wissen, wenn man ein Schnuptuch zusammen wickelt in der Forme, daß zwey Enden auf beyden Seiten hervor gucken, dereneines den Schwantz bedeutet, aus dem andern aber ein Knoten geknüpft wird, daß er den Kopff bedeutet, und dieses gemächte hernach auff die Hand setzt, und streichelt, unvermerckt aber mit dem einen Finger einen Stoß giebet, daß diese Schnuptuchene Mauß auff den Tisch springet, und von dar wohl gar fort und unter den Tisch kaulert. Wer wolte nun, wenn er solche Dinge lieset, nicht betrübt werden, daß wegen solcher Kinderpossen arme Kinder und alte Weiber, cum tanto apparatu allegationum angeklagt, und ohne Bemerckung dieser Kinderey, tanquam in re seria defendiret würden. Dieses Exempel thate mir ziemlich die Augen auff, daß ich dieses noch mehr als Papistische Verfahren deutlicher erkennen, und den Ursprung desselben ein wenig genauer nachzuforschen lernete. Daß aber die relation dieser Acten allhier nicht ümständlich ausgeführet wird, ist deßhalben geschehen, weil dieselbe allbereit in Herr D. Reichens Unfug des Hexen-Processes p. 485. biß 622. zu befinden. §. X. Der andere casus, der sich folgends 1695. zugetragen, und dessen Umstände ich gleichfalls Herr D. Reichen zugestellet, auch eben daselbst p. 622. biß 682. zu finden ist, ist noch curieuser, indem ein munterer, und mit einem aufgeweckten Verstand begabter Junge von 17. Jahren, in dem Closter Wolmerstett, freywillig gegen andre seines gleichen bekant, auch hernach gerichtlich solches wiederholet, daß er pacta mit dem Teuffel gemacht, nebst seinen gewesenen Herren einen Artzt, sich respective in einen Vogel und Esel verwandelt, und solcher gestalt vielen Menschen Schaden gethan, welches er mit so vielen recht abscheulichen, aber dabey auch grösten Theils unglaublichen Umständen erzehlet, daß man ohne Entsetzen über des Jungen Verwegenheit es nicht lesen kan. Wie aber alles zugegangen, und wie durch unsere sententias interlocutorias und was darauff erfolget, daß dieser Lug und Betrug völlig entdeckt, auch der Junge nicht wegen Zauberey, sondern wegen seiner frechen Lügen gestrafft und gezüchtiget worden, kan daselbst mehrern Inhalts gelesen werden. Und dieses gabe mir noch mehr Anlaß, auff Untersuchung des Hexen-Wesens bedacht zu Von einem Jungen, der abscheuliche Dinge per pacta mit dem Teufel gethan zu haben freywillig ausgesagt.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/221>, abgerufen am 28.11.2024.