Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.durch GOttes Gnade dieses Elend tieffer einzusehen und von dergleichen Thorheiten abzustehen angefangen, und solches zu thun annoch fortfahren, ob schon annoch freylich Ihrer nicht wenig von allen vier Facultäten darüber murren, oder gruntzen, weil bißhero der so genante Hexen-Teuffel, wo nicht gar der Grund, doch zum wenigsten der Eckstein und höchstnöthiges Stück Ihrer Systematum oder Compendiorum Theologicorum, Juridicorum, Medicorum, Physicorum vel Metaphysicorum gewesen, ohne welchen sonst die grosse Diana der Epheser nichts gelten dürffte. Aber über diese arme Leute muß man sich nicht erzürnen, sondern vielmehr mitleiden mit Ihnen haben, daß der mehr als Papistische und Heydnische Aberglauben von dem Hexen-Teuffel so tieff bey Ihnen eingewurtzelt ist, daß alle Hoffnung aus ist, daß Ihnen geholffen werden könne. Weil nun über dieses ohnedem Ihr Grißgramen oder Ihre andere Pharisäische Erfindungen vergebens sind, die einmahl in die Tummheit dieser Lügen allzutieff einsehende heutige gelehrte und vernünfftige Welt wieder zur vorigen Raserey zu bringen, daß Sie an diesen närrischen Knecht Ruprecht wieder gläuben solten; Als ist wohl an klügsten gehandelt. wenn man diese Alte Trödler nach und nach absterben, und Ihnen von Ihres gleichen die herrlichsten Leichen-Predigten thun läst, in übrigen aber wegen Beantwortung der Schrifften Ihrer oder Ihrer Jünger ferner keine Feder mehr ansetzet, sie mögen es auch so thöricht und grob machen, als Sie immer wollen. Wiederum auff mich selbst zu kommen, so fügte es die göttliche Vorsehung, daß immer nach und nach auch andere Hexen-Acten in unsere Facultät geschickt und meiner relation anvertrauet wurden, die mich gleichsam forcirten die Augen immer weiter und weiter auffzuthun, und die miserable prostitution der Hexen-Richter und Advocaten zu erkennen. §. IX. Und zwar so geschahe es noch eben dasselbige 1694. Jahr, daß im Monat October von dem Königlichen Dänischen Cantzley-Rath und Justitiario des Amts Steinburg Herrn W. H. Masio aus Itzehoe andre Hexen-Acta an Uns geschickt wurden. Diese betraffen ein alt Weib, welches ein Mägdgen von 9. Jahren beschuldigt hatte, daß Sie von Ihr Mäuse machen lernen; und war von dem Fiscal und denen Defensoribus beyder Inquisiten ernstlich mit einander disputiret worden; ob nicht die Alte, die nicht gestehen wolte, daß Sie dem Mägdgen Mäuse zu machen gelehret, und das Mägdgen, das sonst weiter nichts weder wieder sich noch wieder die Alte aussagen wolte, torquiret werden solten. Es wurden dabey von beyden Theilen schöne allegata legum & doctorum auff allen Seiten angebracht, auch das Mäusemachen des Mägdgens mit den Schlangen durch GOttes Gnade dieses Elend tieffer einzusehen und von dergleichen Thorheiten abzustehen angefangen, und solches zu thun annoch fortfahren, ob schon annoch freylich Ihrer nicht wenig von allen vier Facultäten darüber murren, oder gruntzen, weil bißhero der so genante Hexen-Teuffel, wo nicht gar der Grund, doch zum wenigsten der Eckstein und höchstnöthiges Stück Ihrer Systematum oder Compendiorum Theologicorum, Juridicorum, Medicorum, Physicorum vel Metaphysicorum gewesen, ohne welchen sonst die grosse Diana der Epheser nichts gelten dürffte. Aber über diese arme Leute muß man sich nicht erzürnen, sondern vielmehr mitleiden mit Ihnen haben, daß der mehr als Papistische und Heydnische Aberglauben von dem Hexen-Teuffel so tieff bey Ihnen eingewurtzelt ist, daß alle Hoffnung aus ist, daß Ihnen geholffen werden könne. Weil nun über dieses ohnedem Ihr Grißgramen oder Ihre andere Pharisäische Erfindungen vergebens sind, die einmahl in die Tummheit dieser Lügen allzutieff einsehende heutige gelehrte und vernünfftige Welt wieder zur vorigen Raserey zu bringen, daß Sie an diesen närrischen Knecht Ruprecht wieder gläuben solten; Als ist wohl an klügsten gehandelt. wenn man diese Alte Trödler nach und nach absterben, und Ihnen von Ihres gleichen die herrlichsten Leichen-Predigten thun läst, in übrigen aber wegen Beantwortung der Schrifften Ihrer oder Ihrer Jünger ferner keine Feder mehr ansetzet, sie mögen es auch so thöricht und grob machen, als Sie immer wollen. Wiederum auff mich selbst zu kommen, so fügte es die göttliche Vorsehung, daß immer nach und nach auch andere Hexen-Acten in unsere Facultät geschickt und meiner relation anvertrauet wurden, die mich gleichsam forcirten die Augen immer weiter und weiter auffzuthun, und die miserable prostitution der Hexen-Richter und Advocaten zu erkennen. §. IX. Und zwar so geschahe es noch eben dasselbige 1694. Jahr, daß im Monat October von dem Königlichen Dänischen Cantzley-Rath und Justitiario des Amts Steinburg Herrn W. H. Masio aus Itzehoe andre Hexen-Acta an Uns geschickt wurden. Diese betraffen ein alt Weib, welches ein Mägdgen von 9. Jahren beschuldigt hatte, daß Sie von Ihr Mäuse machen lernen; und war von dem Fiscal und denen Defensoribus beyder Inquisiten ernstlich mit einander disputiret worden; ob nicht die Alte, die nicht gestehen wolte, daß Sie dem Mägdgen Mäuse zu machen gelehret, und das Mägdgen, das sonst weiter nichts weder wieder sich noch wieder die Alte aussagen wolte, torquiret werden solten. 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Aber über diese arme Leute muß man sich nicht erzürnen, sondern vielmehr mitleiden mit Ihnen haben, daß der mehr als Papistische und Heydnische Aberglauben von dem Hexen-Teuffel so tieff bey Ihnen eingewurtzelt ist, daß alle Hoffnung aus ist, daß Ihnen geholffen werden könne. Weil nun über dieses ohnedem Ihr Grißgramen oder Ihre andere Pharisäische Erfindungen vergebens sind, die einmahl in die Tummheit dieser Lügen allzutieff einsehende heutige gelehrte und vernünfftige Welt wieder zur vorigen Raserey zu bringen, daß Sie an diesen närrischen Knecht Ruprecht wieder gläuben solten; Als ist wohl an klügsten gehandelt. wenn man diese Alte Trödler nach und nach absterben, und Ihnen von Ihres gleichen die herrlichsten Leichen-Predigten thun läst, in übrigen aber wegen Beantwortung der Schrifften Ihrer oder Ihrer Jünger ferner keine Feder mehr ansetzet, sie mögen es auch so thöricht und grob machen, als Sie immer wollen. Wiederum auff mich selbst zu kommen, so fügte es die göttliche Vorsehung, daß immer nach und nach auch andere Hexen-Acten in unsere Facultät geschickt und meiner relation anvertrauet wurden, die mich gleichsam forcirten die Augen immer weiter und weiter auffzuthun, und die miserable prostitution der Hexen-Richter und Advocaten zu erkennen.</p> <note place="left">Nemlich von einem Mägdgen das Mäuse machen können.</note> <p>§. IX. Und zwar so geschahe es noch eben dasselbige 1694. Jahr, daß im Monat October von dem Königlichen Dänischen Cantzley-Rath und Justitiario des Amts Steinburg Herrn W. H. Masio aus Itzehoe andre Hexen-Acta an Uns geschickt wurden. Diese betraffen ein alt Weib, welches ein Mägdgen von 9. Jahren beschuldigt hatte, daß Sie von Ihr Mäuse machen lernen; und war von dem Fiscal und denen Defensoribus beyder Inquisiten ernstlich mit einander disputiret worden; ob nicht die Alte, die nicht gestehen wolte, daß Sie dem Mägdgen Mäuse zu machen gelehret, und das Mägdgen, das sonst weiter nichts weder wieder sich noch wieder die Alte aussagen wolte, torquiret werden solten. Es wurden dabey von beyden Theilen schöne allegata legum & doctorum auff allen Seiten angebracht, auch das Mäusemachen des Mägdgens mit den Schlangen </p> </div> </body> </text> </TEI> [204/0220]
durch GOttes Gnade dieses Elend tieffer einzusehen und von dergleichen Thorheiten abzustehen angefangen, und solches zu thun annoch fortfahren, ob schon annoch freylich Ihrer nicht wenig von allen vier Facultäten darüber murren, oder gruntzen, weil bißhero der so genante Hexen-Teuffel, wo nicht gar der Grund, doch zum wenigsten der Eckstein und höchstnöthiges Stück Ihrer Systematum oder Compendiorum Theologicorum, Juridicorum, Medicorum, Physicorum vel Metaphysicorum gewesen, ohne welchen sonst die grosse Diana der Epheser nichts gelten dürffte. Aber über diese arme Leute muß man sich nicht erzürnen, sondern vielmehr mitleiden mit Ihnen haben, daß der mehr als Papistische und Heydnische Aberglauben von dem Hexen-Teuffel so tieff bey Ihnen eingewurtzelt ist, daß alle Hoffnung aus ist, daß Ihnen geholffen werden könne. Weil nun über dieses ohnedem Ihr Grißgramen oder Ihre andere Pharisäische Erfindungen vergebens sind, die einmahl in die Tummheit dieser Lügen allzutieff einsehende heutige gelehrte und vernünfftige Welt wieder zur vorigen Raserey zu bringen, daß Sie an diesen närrischen Knecht Ruprecht wieder gläuben solten; Als ist wohl an klügsten gehandelt. wenn man diese Alte Trödler nach und nach absterben, und Ihnen von Ihres gleichen die herrlichsten Leichen-Predigten thun läst, in übrigen aber wegen Beantwortung der Schrifften Ihrer oder Ihrer Jünger ferner keine Feder mehr ansetzet, sie mögen es auch so thöricht und grob machen, als Sie immer wollen. Wiederum auff mich selbst zu kommen, so fügte es die göttliche Vorsehung, daß immer nach und nach auch andere Hexen-Acten in unsere Facultät geschickt und meiner relation anvertrauet wurden, die mich gleichsam forcirten die Augen immer weiter und weiter auffzuthun, und die miserable prostitution der Hexen-Richter und Advocaten zu erkennen.
§. IX. Und zwar so geschahe es noch eben dasselbige 1694. Jahr, daß im Monat October von dem Königlichen Dänischen Cantzley-Rath und Justitiario des Amts Steinburg Herrn W. H. Masio aus Itzehoe andre Hexen-Acta an Uns geschickt wurden. Diese betraffen ein alt Weib, welches ein Mägdgen von 9. Jahren beschuldigt hatte, daß Sie von Ihr Mäuse machen lernen; und war von dem Fiscal und denen Defensoribus beyder Inquisiten ernstlich mit einander disputiret worden; ob nicht die Alte, die nicht gestehen wolte, daß Sie dem Mägdgen Mäuse zu machen gelehret, und das Mägdgen, das sonst weiter nichts weder wieder sich noch wieder die Alte aussagen wolte, torquiret werden solten. Es wurden dabey von beyden Theilen schöne allegata legum & doctorum auff allen Seiten angebracht, auch das Mäusemachen des Mägdgens mit den Schlangen
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/220>, abgerufen am 04.07.2024. |