Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.chen, und uns damit das Gewissen gerührt haben, derhalben sagt mir Herr Pater, was dünckt euch dabey. Hierauf fuhr der Pater so bald heraus (wie dann diejenigen, welche kaum vier Schuh vom Kachel-Ofen kommen, in ihren Discursen sich übel moderiren können) und sagte: Ey Gnädiger Herr, was ist nöthig, daß wir uns hierbey viel Beschwerung machen, last uns ja nicht meynen, daß der allmächtige GOtt das zulassen werde, daß ehrliche unschuldige Leute solchergestalt solten geschändet werden, derowegen ists unvonnöthen, daß ein Richter, wann er so viel Besagungen wieder jemanden hat, sich ferner ein Gewissen machen wolte, sondern er kan darauf sicher fortfahren. Als nun der Fürst hiergegen replicirete, und zwischen ihnen beyden die Sache beyderseits disputiret worden; der Geistliche aber auf seiner Meinung steiff und feste beharrete, endigte der Fürst diese disputation mit nachfolgenden Worten: Es ist mir, Herr Pater, vor euch leid, daß ihr das Urtheil mit euern eigenen Munde schon wieder euch gefället, und derowegen euch nicht zu beschweren habt, daß ich euch beym Kopffe nehmen und ins Gefängniß führen lasse, angesehen, daß ihrer unter funffzehen nicht seyn, welche alle mit einander bekannt haben, daß ihr mit ihnen auff dem Zauber-Tantze gewesen seyd, und damit ihr nicht etwan meinet, als ob ich schertze, so will ich alsbald die Acta herbringen lassen, da könt ihr auch selbst drinne lesen, und werd et darinnen finden, daß ihr von so viel Zeugen überwiesen seyd. Da stunde der gute Gesell wie Butter an der Sonnen in Hundstagen, und konte nichts vorwenden, weil er sich selbsten zu schanden gemacht hatte, und war seine vorige Beredtsamkeit plötzlich in ein stummes Stillschweigen verkehret. Diese Historie erzehlet der Autor cautionis eriminalis, dubio 48. p. 347. Und hat man wohl ehe Exempel, daß die Hexen gemartert, und ungemartert Ihre eigene Richter angegeben haben. § IIX. Nachdem also die bey mir bißhero gewesene persvasion vonExempel von etlichen andern Hexen-Acten. der Vortreflichkeit und Nutzbarkeit des in Sachsen und an anderen Orten des Römischen Reichs üblichen Hexen-Processes einmahl ware wanckend gemacht worden, fieng ich nach und nach immer mehr und mehrn an, in das Elend unserer Universitäten und Juristen-Facultäten oder Schöppen-Stühle, was den Hexen-Proceß betrifft, einzusehen, biß endlich Anno 1701. und 1712. ich die Boßheiten und Thorheiten dieses Processes in zwey disputationibus so leibhafftig und kentlich abgemahlet, daß hernach auch andre chen, und uns damit das Gewissen gerührt haben, derhalben sagt mir Herr Pater, was dünckt euch dabey. Hierauf fuhr der Pater so bald heraus (wie dann diejenigen, welche kaum vier Schuh vom Kachel-Ofen kommen, in ihren Discursen sich übel moderiren können) und sagte: Ey Gnädiger Herr, was ist nöthig, daß wir uns hierbey viel Beschwerung machen, last uns ja nicht meynen, daß der allmächtige GOtt das zulassen werde, daß ehrliche unschuldige Leute solchergestalt solten geschändet werden, derowegen ists unvonnöthen, daß ein Richter, wann er so viel Besagungen wieder jemanden hat, sich ferner ein Gewissen machen wolte, sondern er kan darauf sicher fortfahren. Als nun der Fürst hiergegen replicirete, und zwischen ihnen beyden die Sache beyderseits disputiret worden; der Geistliche aber auf seiner Meinung steiff und feste beharrete, endigte der Fürst diese disputation mit nachfolgenden Worten: Es ist mir, Herr Pater, vor euch leid, daß ihr das Urtheil mit euern eigenen Munde schon wieder euch gefället, und derowegen euch nicht zu beschweren habt, daß ich euch beym Kopffe nehmen und ins Gefängniß führen lasse, angesehen, daß ihrer unter funffzehen nicht seyn, welche alle mit einander bekannt haben, daß ihr mit ihnen auff dem Zauber-Tantze gewesen seyd, und damit ihr nicht etwan meinet, als ob ich schertze, so will ich alsbald die Acta herbringen lassen, da könt ihr auch selbst drinne lesen, und werd et darinnen finden, daß ihr von so viel Zeugen überwiesen seyd. Da stunde der gute Gesell wie Butter an der Sonnen in Hundstagen, und konte nichts vorwenden, weil er sich selbsten zu schanden gemacht hatte, und war seine vorige Beredtsamkeit plötzlich in ein stummes Stillschweigen verkehret. Diese Historie erzehlet der Autor cautionis eriminalis, dubio 48. p. 347. Und hat man wohl ehe Exempel, daß die Hexen gemartert, und ungemartert Ihre eigene Richter angegeben haben. § IIX. Nachdem also die bey mir bißhero gewesene persvasion vonExempel von etlichen andern Hexen-Acten. der Vortreflichkeit und Nutzbarkeit des in Sachsen und an anderen Orten des Römischen Reichs üblichen Hexen-Processes einmahl ware wanckend gemacht worden, fieng ich nach und nach immer mehr und mehrn an, in das Elend unserer Universitäten und Juristen-Facultäten oder Schöppen-Stühle, was den Hexen-Proceß betrifft, einzusehen, biß endlich Anno 1701. und 1712. ich die Boßheiten und Thorheiten dieses Processes in zwey disputationibus so leibhafftig und kentlich abgemahlet, daß hernach auch andre <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0219" n="203"/> chen, und uns damit das Gewissen gerührt haben, derhalben sagt mir Herr <hi rendition="#i">Pater</hi>, was dünckt euch dabey. Hierauf fuhr der <hi rendition="#i">Pater</hi> so bald heraus (wie dann diejenigen, welche kaum vier Schuh vom Kachel-Ofen kommen, in ihren <hi rendition="#i">Discurs</hi>en sich übel <hi rendition="#i">moderi</hi>ren können) und sagte: Ey Gnädiger Herr, was ist nöthig, daß wir uns hierbey viel Beschwerung machen, last uns ja nicht meynen, daß der allmächtige GOtt das zulassen werde, daß ehrliche unschuldige Leute solchergestalt solten geschändet werden, derowegen ists unvonnöthen, daß ein Richter, wann er so viel Besagungen wieder jemanden hat, sich ferner ein Gewissen machen wolte, sondern er kan darauf sicher fortfahren. Als nun der Fürst hiergegen <hi rendition="#i">replici</hi>rete, und zwischen ihnen beyden die Sache beyderseits <hi rendition="#i">disputi</hi>ret worden; der Geistliche aber auf seiner Meinung steiff und feste beharrete, endigte der Fürst diese <hi rendition="#i">disputation</hi> mit nachfolgenden Worten: Es ist mir, Herr <hi rendition="#i">Pater</hi>, vor euch leid, daß ihr das Urtheil mit euern eigenen Munde schon wieder euch gefället, und derowegen euch nicht zu beschweren habt, daß ich euch beym Kopffe nehmen und ins Gefängniß führen lasse, angesehen, daß ihrer unter funffzehen nicht seyn, welche alle mit einander bekannt haben, daß ihr mit ihnen auff dem Zauber-Tantze gewesen seyd, und damit ihr nicht etwan meinet, als ob ich schertze, so will ich alsbald die <hi rendition="#i">Acta</hi> herbringen lassen, da könt ihr auch selbst drinne lesen, und werd et darinnen finden, daß ihr von so viel Zeugen überwiesen seyd. Da stunde der gute Gesell wie Butter an der Sonnen in Hundstagen, und konte nichts vorwenden, weil er sich selbsten zu schanden gemacht hatte, und war seine vorige Beredtsamkeit plötzlich in ein stummes Stillschweigen verkehret. Diese Historie erzehlet der Autor cautionis eriminalis, dubio 48. p. 347. Und hat man wohl ehe Exempel, daß die Hexen gemartert, und ungemartert Ihre eigene Richter angegeben haben.</p> <p>§ IIX. Nachdem also die bey mir bißhero gewesene persvasion von<note place="right">Exempel von etlichen andern Hexen-<hi rendition="#i">Act</hi>en.</note> der Vortreflichkeit und Nutzbarkeit des in Sachsen und an anderen Orten des Römischen Reichs üblichen Hexen-Processes einmahl ware wanckend gemacht worden, fieng ich nach und nach immer mehr und mehrn an, in das Elend unserer Universitäten und Juristen-Facultäten oder Schöppen-Stühle, was den Hexen-Proceß betrifft, einzusehen, biß endlich Anno 1701. und 1712. ich die Boßheiten und Thorheiten dieses Processes in zwey disputationibus so leibhafftig und kentlich abgemahlet, daß hernach auch andre </p> </div> </body> </text> </TEI> [203/0219]
chen, und uns damit das Gewissen gerührt haben, derhalben sagt mir Herr Pater, was dünckt euch dabey. Hierauf fuhr der Pater so bald heraus (wie dann diejenigen, welche kaum vier Schuh vom Kachel-Ofen kommen, in ihren Discursen sich übel moderiren können) und sagte: Ey Gnädiger Herr, was ist nöthig, daß wir uns hierbey viel Beschwerung machen, last uns ja nicht meynen, daß der allmächtige GOtt das zulassen werde, daß ehrliche unschuldige Leute solchergestalt solten geschändet werden, derowegen ists unvonnöthen, daß ein Richter, wann er so viel Besagungen wieder jemanden hat, sich ferner ein Gewissen machen wolte, sondern er kan darauf sicher fortfahren. Als nun der Fürst hiergegen replicirete, und zwischen ihnen beyden die Sache beyderseits disputiret worden; der Geistliche aber auf seiner Meinung steiff und feste beharrete, endigte der Fürst diese disputation mit nachfolgenden Worten: Es ist mir, Herr Pater, vor euch leid, daß ihr das Urtheil mit euern eigenen Munde schon wieder euch gefället, und derowegen euch nicht zu beschweren habt, daß ich euch beym Kopffe nehmen und ins Gefängniß führen lasse, angesehen, daß ihrer unter funffzehen nicht seyn, welche alle mit einander bekannt haben, daß ihr mit ihnen auff dem Zauber-Tantze gewesen seyd, und damit ihr nicht etwan meinet, als ob ich schertze, so will ich alsbald die Acta herbringen lassen, da könt ihr auch selbst drinne lesen, und werd et darinnen finden, daß ihr von so viel Zeugen überwiesen seyd. Da stunde der gute Gesell wie Butter an der Sonnen in Hundstagen, und konte nichts vorwenden, weil er sich selbsten zu schanden gemacht hatte, und war seine vorige Beredtsamkeit plötzlich in ein stummes Stillschweigen verkehret. Diese Historie erzehlet der Autor cautionis eriminalis, dubio 48. p. 347. Und hat man wohl ehe Exempel, daß die Hexen gemartert, und ungemartert Ihre eigene Richter angegeben haben.
§ IIX. Nachdem also die bey mir bißhero gewesene persvasion von der Vortreflichkeit und Nutzbarkeit des in Sachsen und an anderen Orten des Römischen Reichs üblichen Hexen-Processes einmahl ware wanckend gemacht worden, fieng ich nach und nach immer mehr und mehrn an, in das Elend unserer Universitäten und Juristen-Facultäten oder Schöppen-Stühle, was den Hexen-Proceß betrifft, einzusehen, biß endlich Anno 1701. und 1712. ich die Boßheiten und Thorheiten dieses Processes in zwey disputationibus so leibhafftig und kentlich abgemahlet, daß hernach auch andre
Exempel von etlichen andern Hexen-Acten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in TEI.
(2012-11-23T14:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-23T14:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-23T14:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |