Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.wärtigen Handels.Sohne geholffen, seinen des Schulmeisters, (wo mir recht ist) Eydam auf öffentlicher Strasse zu erschlagen, und hernach an einen Baum zu hengen-Aber es gehören doch auch starcke indicia dazu, denen Beschuldigten dieses zu imputiren. Doch kommen zuweilen auch solche indicia auff beyden Seiten vor, daß ein unpartheyischer Richter bald nicht weiß, auff welche Seite er incliniren soll, wie gegenwärtiger Handel hiervon ein Exempel geben kan. Wenn man betrachtet, wie der Inquisite die Umstände der Sache erzehlete, so war er wohl unschuldig. Er gab vor: Er hätte seiner todten Schwester nach der Mittags-Mahlzeit bey zwischen Ihnen entstandener Uneinigkeit ein paar Maulschellen gegeben, und als er Sie eine Zeit hernach, da es Ihm leid worden, vermisset, hätte er Sie gesucht und auff den Boden gefunden, daß Sie sich erhenckt, worüber er sehr erschrocken, sie alsbald selbsten abgeknüpfft, und auff den Boden liegen lassen, aber mit dem noch in der Hand habenden Stricke herunter zu der andern Schwester in die Küche gekommen, Ihr das Unglücke erzehlet, und Sie gebeten mit hinauff zu gehen, und die Erhangene, nebst Ihn herunter tragen zu helffen, und vorzugeben, daß die todte eines plötzlichen unversehenen Todes gestorben, dabey aber so wohl wegen Vermeidung der Schande, als auch damit er wegen des der Verstorbenen gegebenen Maulschellen, weil Sie die Erhenckung der Schwester mochten veranlasset haben, nicht in Ungelegenheit kommen möchte, zu verschweigen, daß sich die Schwester selbst erhengs hätte. Es geschahe also, und damit die Leute nicht etwan, wenn die Leiche lange unbegraben bliebe, indicia an dem Cörper finden möchten, daß er an einem Strick erwürget wäre, brachten Sie es dahin, daß die Tode des andern Tages begraben wurde. §. II. Hactenus bene. Aber nun wendet sich das Blat. Jederman wunderte sich nicht nur über den plötzlichen Tod, sondern auch über die geschwinde Begräbniß, und da etwan die noch lebende Schwester nebst dem Bruder denen curiösen Gemüthern nicht einerley beständige, sondern zimlich variirende Antwort wegen der Umstände des Todes mochten gegeben, oder auch wohl gar gegen eine und andre vertraute Person etwas gedacht haben, daß sich die Tode erhangen hätte; entstand noch vor der Begräbniß ein Gemurmel, als ob die beyden Geschwister die todte erhangen hätten, und deßwegen so mit der Begräbniß eilten, damit dieses Schelmstück verborgen bleiben solte; es war aber dieses noch so kräfftig nicht, daß es dem ordentlichen Amtmann oder dem Priester hätte bewegen sollen, die geschwinde Begräbniß aufzuschieben, ob gleich deßhalben Ansuchung geschehen war. Dieser Umstand vermehrte den Verdacht, und wurde nun- wärtigen Handels.Sohne geholffen, seinen des Schulmeisters, (wo mir recht ist) Eydam auf öffentlicher Strasse zu erschlagen, und hernach an einen Baum zu hengen-Aber es gehören doch auch starcke indicia dazu, denen Beschuldigten dieses zu imputiren. Doch kommen zuweilen auch solche indicia auff beyden Seiten vor, daß ein unpartheyischer Richter bald nicht weiß, auff welche Seite er incliniren soll, wie gegenwärtiger Handel hiervon ein Exempel geben kan. Wenn man betrachtet, wie der Inquisite die Umstände der Sache erzehlete, so war er wohl unschuldig. Er gab vor: Er hätte seiner todten Schwester nach der Mittags-Mahlzeit bey zwischen Ihnen entstandener Uneinigkeit ein paar Maulschellen gegeben, und als er Sie eine Zeit hernach, da es Ihm leid worden, vermisset, hätte er Sie gesucht und auff den Boden gefunden, daß Sie sich erhenckt, worüber er sehr erschrocken, sie alsbald selbsten abgeknüpfft, und auff den Boden liegen lassen, aber mit dem noch in der Hand habenden Stricke herunter zu der andern Schwester in die Küche gekommen, Ihr das Unglücke erzehlet, und Sie gebeten mit hinauff zu gehen, und die Erhangene, nebst Ihn herunter tragen zu helffen, und vorzugeben, daß die todte eines plötzlichen unversehenen Todes gestorben, dabey aber so wohl wegen Vermeidung der Schande, als auch damit er wegen des der Verstorbenen gegebenen Maulschellen, weil Sie die Erhenckung der Schwester mochten veranlasset haben, nicht in Ungelegenheit kommen möchte, zu verschweigen, daß sich die Schwester selbst erhengs hätte. Es geschahe also, und damit die Leute nicht etwan, wenn die Leiche lange unbegraben bliebe, indicia an dem Cörper finden möchten, daß er an einem Strick erwürget wäre, brachten Sie es dahin, daß die Tode des andern Tages begraben wurde. §. II. Hactenus bene. Aber nun wendet sich das Blat. Jederman wunderte sich nicht nur über den plötzlichen Tod, sondern auch über die geschwinde Begräbniß, und da etwan die noch lebende Schwester nebst dem Bruder denen curiösen Gemüthern nicht einerley beständige, sondern zimlich variirende Antwort wegen der Umstände des Todes mochten gegeben, oder auch wohl gar gegen eine und andre vertraute Person etwas gedacht haben, daß sich die Tode erhangen hätte; entstand noch vor der Begräbniß ein Gemurmel, als ob die beyden Geschwister die todte erhangen hätten, und deßwegen so mit der Begräbniß eilten, damit dieses Schelmstück verborgen bleiben solte; es war aber dieses noch so kräfftig nicht, daß es dem ordentlichen Amtmann oder dem Priester hätte bewegen sollen, die geschwinde Begräbniß aufzuschieben, ob gleich deßhalben Ansuchung geschehen war. Dieser Umstand vermehrte den Verdacht, und wurde nun- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0202" n="186"/><note place="left">wärtigen Handels.</note>Sohne geholffen, seinen des Schulmeisters, (wo mir recht ist) Eydam auf öffentlicher Strasse zu erschlagen, und hernach an einen Baum zu hengen-Aber es gehören doch auch starcke indicia dazu, denen Beschuldigten dieses zu imputiren. Doch kommen zuweilen auch solche indicia auff beyden Seiten vor, daß ein unpartheyischer Richter bald nicht weiß, auff welche Seite er incliniren soll, wie gegenwärtiger Handel hiervon ein Exempel geben kan. Wenn man betrachtet, wie der Inquisite die Umstände der Sache erzehlete, so war er wohl unschuldig. Er gab vor: Er hätte seiner todten Schwester nach der Mittags-Mahlzeit bey zwischen Ihnen entstandener Uneinigkeit ein paar Maulschellen gegeben, und als er Sie eine Zeit hernach, da es Ihm leid worden, vermisset, hätte er Sie gesucht und auff den Boden gefunden, daß Sie sich erhenckt, worüber er sehr erschrocken, sie alsbald selbsten abgeknüpfft, und auff den Boden liegen lassen, aber mit dem noch in der Hand habenden Stricke herunter zu der andern Schwester in die Küche gekommen, Ihr das Unglücke erzehlet, und Sie gebeten mit hinauff zu gehen, und die Erhangene, nebst Ihn herunter tragen zu helffen, und vorzugeben, daß die todte eines plötzlichen unversehenen Todes gestorben, dabey aber so wohl wegen Vermeidung der Schande, als auch damit er wegen des der Verstorbenen gegebenen Maulschellen, weil Sie die Erhenckung der Schwester mochten veranlasset haben, nicht in Ungelegenheit kommen möchte, zu verschweigen, daß sich die Schwester selbst erhengs hätte. Es geschahe also, und damit die Leute nicht etwan, wenn die Leiche lange unbegraben bliebe, indicia an dem Cörper finden möchten, daß er an einem Strick erwürget wäre, brachten Sie es dahin, daß die Tode des andern Tages begraben wurde.</p> <note place="left"><hi rendition="#i">Indicia</hi> wieder die <hi rendition="#i">Inquisiten.</hi></note> <p>§. II. Hactenus bene. Aber nun wendet sich das Blat. Jederman wunderte sich nicht nur über den plötzlichen Tod, sondern auch über die geschwinde Begräbniß, und da etwan die noch lebende Schwester nebst dem Bruder denen curiösen Gemüthern nicht einerley beständige, sondern zimlich variirende Antwort wegen der Umstände des Todes mochten gegeben, oder auch wohl gar gegen eine und andre vertraute Person etwas gedacht haben, daß sich die Tode erhangen hätte; entstand noch vor der Begräbniß ein Gemurmel, als ob die beyden Geschwister die todte erhangen hätten, und deßwegen so mit der Begräbniß eilten, damit dieses Schelmstück verborgen bleiben solte; es war aber dieses noch so kräfftig nicht, daß es dem ordentlichen Amtmann oder dem Priester hätte bewegen sollen, die geschwinde Begräbniß aufzuschieben, ob gleich deßhalben Ansuchung geschehen war. Dieser Umstand vermehrte den Verdacht, und wurde nun- </p> </div> </body> </text> </TEI> [186/0202]
Sohne geholffen, seinen des Schulmeisters, (wo mir recht ist) Eydam auf öffentlicher Strasse zu erschlagen, und hernach an einen Baum zu hengen-Aber es gehören doch auch starcke indicia dazu, denen Beschuldigten dieses zu imputiren. Doch kommen zuweilen auch solche indicia auff beyden Seiten vor, daß ein unpartheyischer Richter bald nicht weiß, auff welche Seite er incliniren soll, wie gegenwärtiger Handel hiervon ein Exempel geben kan. Wenn man betrachtet, wie der Inquisite die Umstände der Sache erzehlete, so war er wohl unschuldig. Er gab vor: Er hätte seiner todten Schwester nach der Mittags-Mahlzeit bey zwischen Ihnen entstandener Uneinigkeit ein paar Maulschellen gegeben, und als er Sie eine Zeit hernach, da es Ihm leid worden, vermisset, hätte er Sie gesucht und auff den Boden gefunden, daß Sie sich erhenckt, worüber er sehr erschrocken, sie alsbald selbsten abgeknüpfft, und auff den Boden liegen lassen, aber mit dem noch in der Hand habenden Stricke herunter zu der andern Schwester in die Küche gekommen, Ihr das Unglücke erzehlet, und Sie gebeten mit hinauff zu gehen, und die Erhangene, nebst Ihn herunter tragen zu helffen, und vorzugeben, daß die todte eines plötzlichen unversehenen Todes gestorben, dabey aber so wohl wegen Vermeidung der Schande, als auch damit er wegen des der Verstorbenen gegebenen Maulschellen, weil Sie die Erhenckung der Schwester mochten veranlasset haben, nicht in Ungelegenheit kommen möchte, zu verschweigen, daß sich die Schwester selbst erhengs hätte. Es geschahe also, und damit die Leute nicht etwan, wenn die Leiche lange unbegraben bliebe, indicia an dem Cörper finden möchten, daß er an einem Strick erwürget wäre, brachten Sie es dahin, daß die Tode des andern Tages begraben wurde.
wärtigen Handels. §. II. Hactenus bene. Aber nun wendet sich das Blat. Jederman wunderte sich nicht nur über den plötzlichen Tod, sondern auch über die geschwinde Begräbniß, und da etwan die noch lebende Schwester nebst dem Bruder denen curiösen Gemüthern nicht einerley beständige, sondern zimlich variirende Antwort wegen der Umstände des Todes mochten gegeben, oder auch wohl gar gegen eine und andre vertraute Person etwas gedacht haben, daß sich die Tode erhangen hätte; entstand noch vor der Begräbniß ein Gemurmel, als ob die beyden Geschwister die todte erhangen hätten, und deßwegen so mit der Begräbniß eilten, damit dieses Schelmstück verborgen bleiben solte; es war aber dieses noch so kräfftig nicht, daß es dem ordentlichen Amtmann oder dem Priester hätte bewegen sollen, die geschwinde Begräbniß aufzuschieben, ob gleich deßhalben Ansuchung geschehen war. Dieser Umstand vermehrte den Verdacht, und wurde nun-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/202 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/202>, abgerufen am 23.07.2024. |