Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.die vesiculae pulmonum tempore formationis, wie in allen andern excavatis partibus zugeschehen pfleget, mit einem muco angefüllet, damit die membranae nicht coalesciren, sondern ihre richtige cavitatem erhalten, welchen mucum hernach die Lufft, wie Borellus redet, abradiret. Wir halten auch nicht dafür, daß propter putredinem eine Lunge, so einmahl Lufft geschöpffet, also disponiret werden könne, daß sie müste untersincken, weil unmüglich alle vesiculae so gar corrumpiret werden können, daß alle Lufft heraus gehe, es geschehe denn eine totalis resolutio mixti, dahero die fol. 175. angeführte Experimenta wir leicht glauben können. Wir können aber nicht dafür achten, daß dieses ein indubitatum und universale argumentum sey, wodurch so gar gewiß bewiesen werden könne, es müste ante partum in Mutter-Leibe das Kind erstorben seyn. Man könte endlich wohl ex praesuppositis schliessen: Wenn eine Lunge in Wasser sincket, so hat dieselbe noch keine Lufft in der Welt geschöpffet, aber es folget nicht alsobald, daß es müsse in Mutter-Leibe gestorben seyn, sintemahl so wohl in als nach der Geburt ein lebendig Kind kan ertödtet werden, ehe es Athem holet. Dieses zu behaupten muß vor allen Dingen praesupponiret werden, daß ein Kind eine Zeitlang ausser Mutter-Leibe, ehe es Athem holet, wie in utero leben könne, welches geschiehet in folgenden Casibus: 1. Müssen alle Wehmütter gestehen, daß öffters Kinder zur Welt kommen, die sich zwar bewegen und pulsum haben, aber nicht Athem holen, und sie daher genöthiget werden, Athem einzublasen, wann nemlich das Geblüte oder das Wasser zu starck aus der Mutter nachschiesset, Nase und Maul verstopffet, daß es nicht Athem holen kan, ingleichen wenn die pulmones so gar viel muci bey sich haben, Nasen und Maul davon angefüllet, daß so bald die Lufft nicht hinein dringen kan. 2. Wenn die Nabelschnur sich etliche mahl um das Hälsgen umschlungen und verhindert, daß das Kind nicht respiriren kan, wie denn bekandt, daß, wenn nicht bald Hülffe geschiehet, viel Kinder also verderben müssen. 3. Wenn das Kind inverso modo mit denen pedibus erst gebohren wird, da öffters sich zuträget, daß, wenn die Geburt zu balde sich um das Hälsgen schliesset, das Kind lebend und zappelnd stranguliret wird. 4. Ist ausser allen Zweiffel, daß öffters Kinder zur Welt kommen mit denen involucris oder secundinis, welche partus Harveus recht naturales nennet, da instar ovi der gantze conceptus excludiret wird. In diesem Casu ist ausser allen Zweiffel, es besagen es auch die Weh-Mütter, daß das Kind eine gute Weile, ehe die secundinae geöffnet werden, sine respiratione, wie in utero leben könne, sintemahl der aer athmosphaericus hier so wenig als in utero durch die dicken membranas eindringen kan, über dieses das Kind annoch in seinem liquore schwimmet, welche rationes sonst contra respirationem foetus in utero angeführet werden. Wann nun dieses also richtig, daß ein lebendig die vesiculae pulmonum tempore formationis, wie in allen andern excavatis partibus zugeschehen pfleget, mit einem muco angefüllet, damit die membranae nicht coalesciren, sondern ihre richtige cavitatem erhalten, welchen mucum hernach die Lufft, wie Borellus redet, abradiret. Wir halten auch nicht dafür, daß propter putredinem eine Lunge, so einmahl Lufft geschöpffet, also disponiret werden könne, daß sie müste untersincken, weil unmüglich alle vesiculae so gar corrumpiret werden können, daß alle Lufft heraus gehe, es geschehe denn eine totalis resolutio mixti, dahero die fol. 175. angeführte Experimenta wir leicht glauben können. Wir können aber nicht dafür achten, daß dieses ein indubitatum und universale argumentum sey, wodurch so gar gewiß bewiesen werden könne, es müste ante partum in Mutter-Leibe das Kind erstorben seyn. Man könte endlich wohl ex praesuppositis schliessen: Wenn eine Lunge in Wasser sincket, so hat dieselbe noch keine Lufft in der Welt geschöpffet, aber es folget nicht alsobald, daß es müsse in Mutter-Leibe gestorben seyn, sintemahl so wohl in als nach der Geburt ein lebendig Kind kan ertödtet werden, ehe es Athem holet. Dieses zu behaupten muß vor allen Dingen praesupponiret werden, daß ein Kind eine Zeitlang ausser Mutter-Leibe, ehe es Athem holet, wie in utero leben könne, welches geschiehet in folgenden Casibus: 1. Müssen alle Wehmütter gestehen, daß öffters Kinder zur Welt kommen, die sich zwar bewegen und pulsum haben, aber nicht Athem holen, und sie daher genöthiget werden, Athem einzublasen, wann nemlich das Geblüte oder das Wasser zu starck aus der Mutter nachschiesset, Nase und Maul verstopffet, daß es nicht Athem holen kan, ingleichen wenn die pulmones so gar viel muci bey sich haben, Nasen und Maul davon angefüllet, daß so bald die Lufft nicht hinein dringen kan. 2. Wenn die Nabelschnur sich etliche mahl um das Hälsgen umschlungen und verhindert, daß das Kind nicht respiriren kan, wie denn bekandt, daß, wenn nicht bald Hülffe geschiehet, viel Kinder also verderben müssen. 3. Wenn das Kind inverso modo mit denen pedibus erst gebohren wird, da öffters sich zuträget, daß, wenn die Geburt zu balde sich um das Hälsgen schliesset, das Kind lebend und zappelnd stranguliret wird. 4. Ist ausser allen Zweiffel, daß öffters Kinder zur Welt kommen mit denen involucris oder secundinis, welche partus Harveus recht naturales nennet, da instar ovi der gantze conceptus excludiret wird. In diesem Casu ist ausser allen Zweiffel, es besagen es auch die Weh-Mütter, daß das Kind eine gute Weile, ehe die secundinae geöffnet werden, sine respiratione, wie in utero leben könne, sintemahl der aër athmosphaericus hier so wenig als in utero durch die dicken membranas eindringen kan, über dieses das Kind annoch in seinem liquore schwimmet, welche rationes sonst contra respirationem foetus in utero angeführet werden. 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Wir können aber nicht dafür achten, daß dieses ein indubitatum und universale argumentum sey, wodurch so gar gewiß bewiesen werden könne, es müste ante partum in Mutter-Leibe das Kind erstorben seyn.</p> <p>Man könte endlich wohl ex praesuppositis schliessen: Wenn eine Lunge in Wasser sincket, so hat dieselbe noch keine Lufft in der Welt geschöpffet, aber es folget nicht alsobald, daß es müsse in Mutter-Leibe gestorben seyn, sintemahl so wohl in als nach der Geburt ein lebendig Kind kan ertödtet werden, ehe es Athem holet. Dieses zu behaupten muß vor allen Dingen praesupponiret werden, daß ein Kind eine Zeitlang ausser Mutter-Leibe, ehe es Athem holet, wie in utero leben könne, welches geschiehet in folgenden Casibus: 1. Müssen alle Wehmütter gestehen, daß öffters Kinder zur Welt kommen, die sich zwar bewegen und pulsum haben, aber nicht Athem holen, und sie daher genöthiget werden, Athem einzublasen, wann nemlich das Geblüte oder das Wasser zu starck aus der Mutter nachschiesset, Nase und Maul verstopffet, daß es nicht Athem holen kan, ingleichen wenn die pulmones so gar viel muci bey sich haben, Nasen und Maul davon angefüllet, daß so bald die Lufft nicht hinein dringen kan. 2. Wenn die Nabelschnur sich etliche mahl um das Hälsgen umschlungen und verhindert, daß das Kind nicht respiriren kan, wie denn bekandt, daß, wenn nicht bald Hülffe geschiehet, viel Kinder also verderben müssen. 3. Wenn das Kind inverso modo mit denen pedibus erst gebohren wird, da öffters sich zuträget, daß, wenn die Geburt zu balde sich um das Hälsgen schliesset, das Kind lebend und zappelnd stranguliret wird. 4. Ist ausser allen Zweiffel, daß öffters Kinder zur Welt kommen mit denen involucris oder secundinis, welche partus Harveus recht naturales nennet, da instar ovi der gantze conceptus excludiret wird. In diesem Casu ist ausser allen Zweiffel, es besagen es auch die Weh-Mütter, daß das Kind eine gute Weile, ehe die secundinae geöffnet werden, sine respiratione, wie in utero leben könne, sintemahl der aër athmosphaericus hier so wenig als in utero durch die dicken membranas eindringen kan, über dieses das Kind annoch in seinem liquore schwimmet, welche rationes sonst contra respirationem foetus in utero angeführet werden. Wann nun dieses also richtig, daß ein lebendig </p> </div> </body> </text> </TEI> [91/0107]
die vesiculae pulmonum tempore formationis, wie in allen andern excavatis partibus zugeschehen pfleget, mit einem muco angefüllet, damit die membranae nicht coalesciren, sondern ihre richtige cavitatem erhalten, welchen mucum hernach die Lufft, wie Borellus redet, abradiret.
Wir halten auch nicht dafür, daß propter putredinem eine Lunge, so einmahl Lufft geschöpffet, also disponiret werden könne, daß sie müste untersincken, weil unmüglich alle vesiculae so gar corrumpiret werden können, daß alle Lufft heraus gehe, es geschehe denn eine totalis resolutio mixti, dahero die fol. 175. angeführte Experimenta wir leicht glauben können. Wir können aber nicht dafür achten, daß dieses ein indubitatum und universale argumentum sey, wodurch so gar gewiß bewiesen werden könne, es müste ante partum in Mutter-Leibe das Kind erstorben seyn.
Man könte endlich wohl ex praesuppositis schliessen: Wenn eine Lunge in Wasser sincket, so hat dieselbe noch keine Lufft in der Welt geschöpffet, aber es folget nicht alsobald, daß es müsse in Mutter-Leibe gestorben seyn, sintemahl so wohl in als nach der Geburt ein lebendig Kind kan ertödtet werden, ehe es Athem holet. Dieses zu behaupten muß vor allen Dingen praesupponiret werden, daß ein Kind eine Zeitlang ausser Mutter-Leibe, ehe es Athem holet, wie in utero leben könne, welches geschiehet in folgenden Casibus: 1. Müssen alle Wehmütter gestehen, daß öffters Kinder zur Welt kommen, die sich zwar bewegen und pulsum haben, aber nicht Athem holen, und sie daher genöthiget werden, Athem einzublasen, wann nemlich das Geblüte oder das Wasser zu starck aus der Mutter nachschiesset, Nase und Maul verstopffet, daß es nicht Athem holen kan, ingleichen wenn die pulmones so gar viel muci bey sich haben, Nasen und Maul davon angefüllet, daß so bald die Lufft nicht hinein dringen kan. 2. Wenn die Nabelschnur sich etliche mahl um das Hälsgen umschlungen und verhindert, daß das Kind nicht respiriren kan, wie denn bekandt, daß, wenn nicht bald Hülffe geschiehet, viel Kinder also verderben müssen. 3. Wenn das Kind inverso modo mit denen pedibus erst gebohren wird, da öffters sich zuträget, daß, wenn die Geburt zu balde sich um das Hälsgen schliesset, das Kind lebend und zappelnd stranguliret wird. 4. Ist ausser allen Zweiffel, daß öffters Kinder zur Welt kommen mit denen involucris oder secundinis, welche partus Harveus recht naturales nennet, da instar ovi der gantze conceptus excludiret wird. In diesem Casu ist ausser allen Zweiffel, es besagen es auch die Weh-Mütter, daß das Kind eine gute Weile, ehe die secundinae geöffnet werden, sine respiratione, wie in utero leben könne, sintemahl der aër athmosphaericus hier so wenig als in utero durch die dicken membranas eindringen kan, über dieses das Kind annoch in seinem liquore schwimmet, welche rationes sonst contra respirationem foetus in utero angeführet werden. Wann nun dieses also richtig, daß ein lebendig
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