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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Gelahrheit insgemein.
die an Erforschung der Warheit hinderlich
seyn/ theils bey sich selbst/ theils bey andern zu
entdecken.

12. Wiewol nun die Gelahrheit den Men-
schen aus seiner Unvollkommenheit heraus
reisset/ und dannenhero billich alle Menschen
sich bemühen solten/ gelehrt zu werden/ so

lässet doch der Zustand der menschlichen Ge-
sellschafft
nach dem Fall solches nicht zu/
weil der Unterscheid der Stände denen mei-
sten so viel zu thun giebt/ daß sie die Zeit/ so zu
Erlangung der Gelahrheit erfordert wird/
dem gemeinen Wesen zum besten zu was an-
dern anwenden müssen.

13. Jedoch sollen sich auch diese bemühen/
daß ihre Ungelahrheit doch für keine grobe
Unwissenheit gehalten werden könne/ und
solcher Gestalt durch tägliche Erfahrung und
Rachfragung der Gelehrten/ so viel erkennen/
daß sie ihres Orts nach ihrem Stande so
viel möglich/ die gemeine und ihre eigene
Glückseeligkeit befördern können/ ob sie gleich
von andern Ständen keine Wissenschafft ha-
ben/ auch von den Jhrigen nicht eben deutliche
Rechenschafft zu geben wissen.

14. Die Ubrigen aber/ die Musse und

Ge-

Gelahrheit insgemein.
die an Erforſchung der Warheit hinderlich
ſeyn/ theils bey ſich ſelbſt/ theils bey andern zu
entdecken.

12. Wiewol nun die Gelahrheit den Men-
ſchen aus ſeiner Unvollkommenheit heraus
reiſſet/ und dannenhero billich alle Menſchen
ſich bemuͤhen ſolten/ gelehrt zu werden/ ſo

laͤſſet doch der Zuſtand der menſchlichen Ge-
ſellſchafft
nach dem Fall ſolches nicht zu/
weil der Unterſcheid der Staͤnde denen mei-
ſten ſo viel zu thun giebt/ daß ſie die Zeit/ ſo zu
Erlangung der Gelahrheit erfordert wird/
dem gemeinen Weſen zum beſten zu was an-
dern anwenden muͤſſen.

13. Jedoch ſollen ſich auch dieſe bemuͤhen/
daß ihre Ungelahrheit doch fuͤr keine grobe
Unwiſſenheit gehalten werden koͤnne/ und
ſolcher Geſtalt durch taͤgliche Erfahrung und
Rachfragung der Gelehrten/ ſo viel erkennen/
daß ſie ihres Orts nach ihrem Stande ſo
viel moͤglich/ die gemeine und ihre eigene
Gluͤckſeeligkeit befoͤrdern koͤnnen/ ob ſie gleich
von andern Staͤnden keine Wiſſenſchafft ha-
ben/ auch von den Jhrigen nicht eben deutliche
Rechenſchafft zu geben wiſſen.

14. Die Ubrigen aber/ die Muſſe und

Ge-
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[79/0097] Gelahrheit insgemein. die an Erforſchung der Warheit hinderlich ſeyn/ theils bey ſich ſelbſt/ theils bey andern zu entdecken. 12. Wiewol nun die Gelahrheit den Men- ſchen aus ſeiner Unvollkommenheit heraus reiſſet/ und dannenhero billich alle Menſchen ſich bemuͤhen ſolten/ gelehrt zu werden/ ſo laͤſſet doch der Zuſtand der menſchlichen Ge- ſellſchafft nach dem Fall ſolches nicht zu/ weil der Unterſcheid der Staͤnde denen mei- ſten ſo viel zu thun giebt/ daß ſie die Zeit/ ſo zu Erlangung der Gelahrheit erfordert wird/ dem gemeinen Weſen zum beſten zu was an- dern anwenden muͤſſen. 13. Jedoch ſollen ſich auch dieſe bemuͤhen/ daß ihre Ungelahrheit doch fuͤr keine grobe Unwiſſenheit gehalten werden koͤnne/ und ſolcher Geſtalt durch taͤgliche Erfahrung und Rachfragung der Gelehrten/ ſo viel erkennen/ daß ſie ihres Orts nach ihrem Stande ſo viel moͤglich/ die gemeine und ihre eigene Gluͤckſeeligkeit befoͤrdern koͤnnen/ ob ſie gleich von andern Staͤnden keine Wiſſenſchafft ha- ben/ auch von den Jhrigen nicht eben deutliche Rechenſchafft zu geben wiſſen. 14. Die Ubrigen aber/ die Muſſe und Ge-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/97>, abgerufen am 28.11.2024.