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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Jrrthümern und deren Ursprung.
paradoxum gar ausführlich beweisen wollen/
daß die unvernünfftige Liebe gegen andere
Dinge allezeit stärcker ist/ als die unver-
nünfftige Eigenliebe.

48. Z. e. Ein Mensch der aus praecipitanz einen
viereckten Thurm für rund; einen geraden Ste-
cken für krumm/ u. s. w. angesehen/ erkennet sei-
nen Jrrthum
durch augenscheinliche Erwei-
sung gar leichte/ ja wenn er einen übel zusammen-
hengenden Schluß gemacht/ kan man ihn ohne
sonderliche Mühe dahin bringen/ daß er seine U-
bereilung erkenne.

49. Aber wenn einer einmahl aus Thörichter
Liebe zu menschlicher autorit ät eine falsche Mei-
nung eingesogen/ ist dieselbe so schwer wieder loß
zu werden/ daß öffters die sonst klügsten Leute
nicht dran wollen/ den Jrthum zu erkennen/ ob sie
gleich die Wiederlegung desselben nicht beant-
worten können/ sondern liebkosen demselbigen/
wenn sie nicht weiter können/ daß sie sich bereden/
es sey der Mangel an ihrem Verstande und
würden die/ von denen sie ihre Meinuung her-
haben/ dieselben schon besser vertheidigen können.

50. Ja wie öffters höret man diese unvernünff-
tige Reden: Jch will mit diesen vornehmen
Manne lieber irren/ als mit einen andern
Menschen der Warheit bey pflichten; oder:
Jch werde mich dieses nicht bereden lassen/
wenn auch gleich meine An en mich eines
andern versicherten.

Zu
U 2

Jrrthuͤmern und deren Urſprung.
paradoxum gar ausfuͤhrlich beweiſen wollen/
daß die unvernuͤnfftige Liebe gegen andere
Dinge allezeit ſtaͤrcker iſt/ als die unver-
nuͤnfftige Eigenliebe.

48. Z. e. Ein Menſch der aus præcipitanz einen
viereckten Thurm fuͤr rund; einen geraden Ste-
cken fuͤr krumm/ u. ſ. w. angeſehen/ erkennet ſei-
nen Jrrthum
durch augenſcheinliche Erwei-
ſung gar leichte/ ja wenn er einen uͤbel zuſam̃en-
hengenden Schluß gemacht/ kan man ihn ohne
ſonderliche Muͤhe dahin bringen/ daß er ſeine U-
bereilung erkenne.

49. Aber wenn einer einmahl aus Thoͤrichter
Liebe zu menſchlicher autorit aͤt eine falſche Mei-
nung eingeſogen/ iſt dieſelbe ſo ſchwer wieder loß
zu werden/ daß oͤffters die ſonſt kluͤgſten Leute
nicht dran wollen/ den Jrthum zu erkennen/ ob ſie
gleich die Wiederlegung deſſelben nicht beant-
worten koͤnnen/ ſondern liebkoſen demſelbigen/
wenn ſie nicht weiter koͤnnen/ daß ſie ſich bereden/
es ſey der Mangel an ihrem Verſtande und
wuͤrden die/ von denen ſie ihre Meinuung her-
haben/ dieſelben ſchon beſſer vertheidigen koͤñen.

50. Ja wie oͤffters hoͤret man dieſe unvernuͤnff-
tige Reden: Jch will mit dieſen vornehmen
Manne lieber irren/ als mit einen andern
Menſchen der Warheit bey pflichten; oder:
Jch werde mich dieſes nicht bereden laſſen/
wenn auch gleich meine An en mich eines
andern verſicherten.

Zu
U 2
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[307/0325] Jrrthuͤmern und deren Urſprung. paradoxum gar ausfuͤhrlich beweiſen wollen/ daß die unvernuͤnfftige Liebe gegen andere Dinge allezeit ſtaͤrcker iſt/ als die unver- nuͤnfftige Eigenliebe. 48. Z. e. Ein Menſch der aus præcipitanz einen viereckten Thurm fuͤr rund; einen geraden Ste- cken fuͤr krumm/ u. ſ. w. angeſehen/ erkennet ſei- nen Jrrthum durch augenſcheinliche Erwei- ſung gar leichte/ ja wenn er einen uͤbel zuſam̃en- hengenden Schluß gemacht/ kan man ihn ohne ſonderliche Muͤhe dahin bringen/ daß er ſeine U- bereilung erkenne. 49. Aber wenn einer einmahl aus Thoͤrichter Liebe zu menſchlicher autorit aͤt eine falſche Mei- nung eingeſogen/ iſt dieſelbe ſo ſchwer wieder loß zu werden/ daß oͤffters die ſonſt kluͤgſten Leute nicht dran wollen/ den Jrthum zu erkennen/ ob ſie gleich die Wiederlegung deſſelben nicht beant- worten koͤnnen/ ſondern liebkoſen demſelbigen/ wenn ſie nicht weiter koͤnnen/ daß ſie ſich bereden/ es ſey der Mangel an ihrem Verſtande und wuͤrden die/ von denen ſie ihre Meinuung her- haben/ dieſelben ſchon beſſer vertheidigen koͤñen. 50. Ja wie oͤffters hoͤret man dieſe unvernuͤnff- tige Reden: Jch will mit dieſen vornehmen Manne lieber irren/ als mit einen andern Menſchen der Warheit bey pflichten; oder: Jch werde mich dieſes nicht bereden laſſen/ wenn auch gleich meine An en mich eines andern verſicherten. Zu U 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/325>, abgerufen am 27.11.2024.