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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Das 13. Hauptstück von denen
anderer Thiere ihres Geschlechts sie sich wür-
den hinbringen und ihre Nahrung suchen
können. Aber die Menschen-Kinder würden
verderben und umkommen/ wenn nicht ande-
re Menschen nach ihrer Geburt sich ihrer an-
nähmen/ sie mit Nahrung und Speise ver-
sähen/ ihre Gliedmassen zum Gehen ange-
wöhneten. etc.

7. Ja die Seele selbst kan sich ohne Zu-
thuung anderer Menschen so zu sagen nicht
fort helffen. Und wir erkennen wohl/ daß sie
bey denen kleinen Kindern etwas thun müsse;
aber ehe sie reden/ oder zum wenigsten ande-
rer Menschen Reden verstehen/ können wir
nicht sagen/ daß sie gedencken/ weil wir oben
behauptet/ daß die Gedancken in einer inner-
lichen Rede bestehen/ welche innerliche Rede
eine eusserliche Rede praesupponiret.

8. Dieweil aber die eusserliche Rede eine
Anzeigung ist der Gedancken anderer Men-
schen/ so folget daraus nothwendig/ Daß die
Kinder erst begreiffen/ was andere Men-
schen von den Wesen der Dinge geden-
cken/
ehe sie selbst davon eigentlich zu reden et-
was gedencken/ oder daß in der zarten Ju-
gend die Gedancken der Kinder von dem We-

sen

Das 13. Hauptſtuͤck von denen
anderer Thiere ihres Geſchlechts ſie ſich wuͤr-
den hinbringen und ihre Nahrung ſuchen
koͤnnen. Aber die Menſchen-Kinder wuͤrden
verderben und umkommen/ wenn nicht ande-
re Menſchen nach ihrer Geburt ſich ihrer an-
naͤhmen/ ſie mit Nahrung und Speiſe ver-
ſaͤhen/ ihre Gliedmaſſen zum Gehen ange-
woͤhneten. ꝛc.

7. Ja die Seele ſelbſt kan ſich ohne Zu-
thuung anderer Menſchen ſo zu ſagen nicht
fort helffen. Und wir erkennen wohl/ daß ſie
bey denen kleinen Kindern etwas thun muͤſſe;
aber ehe ſie reden/ oder zum wenigſten ande-
rer Menſchen Reden verſtehen/ koͤnnen wir
nicht ſagen/ daß ſie gedencken/ weil wir oben
behauptet/ daß die Gedancken in einer inner-
lichen Rede beſtehen/ welche innerliche Rede
eine euſſerliche Rede præſupponiret.

8. Dieweil aber die euſſerliche Rede eine
Anzeigung iſt der Gedancken anderer Men-
ſchen/ ſo folget daraus nothwendig/ Daß die
Kinder erſt begreiffen/ was andere Men-
ſchen von den Weſen der Dinge geden-
cken/
ehe ſie ſelbſt davon eigentlich zu reden et-
was gedencken/ oder daß in der zarten Ju-
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[290/0308] Das 13. Hauptſtuͤck von denen anderer Thiere ihres Geſchlechts ſie ſich wuͤr- den hinbringen und ihre Nahrung ſuchen koͤnnen. Aber die Menſchen-Kinder wuͤrden verderben und umkommen/ wenn nicht ande- re Menſchen nach ihrer Geburt ſich ihrer an- naͤhmen/ ſie mit Nahrung und Speiſe ver- ſaͤhen/ ihre Gliedmaſſen zum Gehen ange- woͤhneten. ꝛc. 7. Ja die Seele ſelbſt kan ſich ohne Zu- thuung anderer Menſchen ſo zu ſagen nicht fort helffen. Und wir erkennen wohl/ daß ſie bey denen kleinen Kindern etwas thun muͤſſe; aber ehe ſie reden/ oder zum wenigſten ande- rer Menſchen Reden verſtehen/ koͤnnen wir nicht ſagen/ daß ſie gedencken/ weil wir oben behauptet/ daß die Gedancken in einer inner- lichen Rede beſtehen/ welche innerliche Rede eine euſſerliche Rede præſupponiret. 8. Dieweil aber die euſſerliche Rede eine Anzeigung iſt der Gedancken anderer Men- ſchen/ ſo folget daraus nothwendig/ Daß die Kinder erſt begreiffen/ was andere Men- ſchen von den Weſen der Dinge geden- cken/ ehe ſie ſelbſt davon eigentlich zu reden et- was gedencken/ oder daß in der zarten Ju- gend die Gedancken der Kinder von dem We- ſen

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/308>, abgerufen am 27.11.2024.