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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Das 10. Hauptst. von warscheinl.

47. Derowegen auch/ je mehr Leute ein
dergleichen Zeugnüß ablegen/ je warschein-
licher wird es.

48. Diesem ist ein anderer Grundsatz von
dem unwahrscheinlichen entgegen gesetzt.
Worvon alle Scribenten einer Zeit da et-
was merckwürdiges gewesen oder für-
gangen seyn soll/ stillschweigen/ das wird
für sehr unwarscheinlich gehalten.

49. Und solchergestalt ist es falsch/ daß
man kein argumentum negativum ab auto-
toritate humana
hernehmen könne.

50. Gleichwohl ist nicht zu leugnen/ daß
diese Regel nicht in einen so grossen Grad
schliesse als die vorige.

51. Aber wir müssen nun auch das andere
criterium der Wahrscheinligkeit beleuchten/
dieses habe ich einen eigenen concept genen-
net/ der nicht von allen/ aber doch von etlichen
individuis hergenommen wird/ es sey nun
von vielen oder von wenigen.

52. Dieser concept ist nicht anders als
conceptus accidentium, die der essentz entge-
gen gesetzt seyn. Denn weil derer etliche so
beschaffen sind/ daß sie bey vielen individuis,
die unter einer idee begriffen/ sind angetrof-

fen
Das 10. Hauptſt. von warſcheinl.

47. Derowegen auch/ je mehr Leute ein
dergleichen Zeugnuͤß ablegen/ je warſchein-
licher wird es.

48. Dieſem iſt ein anderer Grundſatz von
dem unwahrſcheinlichen entgegen geſetzt.
Worvon alle Scribenten einer Zeit da et-
was merckwuͤrdiges geweſen oder fuͤr-
gangen ſeyn ſoll/ ſtillſchweigen/ das wird
fuͤr ſehr unwarſcheinlich gehalten.

49. Und ſolchergeſtalt iſt es falſch/ daß
man kein argumentum negativum ab auto-
toritate humana
hernehmen koͤnne.

50. Gleichwohl iſt nicht zu leugnen/ daß
dieſe Regel nicht in einen ſo groſſen Grad
ſchlieſſe als die vorige.

51. Aber wir muͤſſen nun auch das andere
criterium der Wahrſcheinligkeit beleuchten/
dieſes habe ich einen eigenen concept genen-
net/ der nicht von allen/ aber doch von etlichen
individuis hergenommen wird/ es ſey nun
von vielen oder von wenigen.

52. Dieſer concept iſt nicht anders als
conceptus accidentium, die der eſſentz entge-
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[232/0250] Das 10. Hauptſt. von warſcheinl. 47. Derowegen auch/ je mehr Leute ein dergleichen Zeugnuͤß ablegen/ je warſchein- licher wird es. 48. Dieſem iſt ein anderer Grundſatz von dem unwahrſcheinlichen entgegen geſetzt. Worvon alle Scribenten einer Zeit da et- was merckwuͤrdiges geweſen oder fuͤr- gangen ſeyn ſoll/ ſtillſchweigen/ das wird fuͤr ſehr unwarſcheinlich gehalten. 49. Und ſolchergeſtalt iſt es falſch/ daß man kein argumentum negativum ab auto- toritate humana hernehmen koͤnne. 50. Gleichwohl iſt nicht zu leugnen/ daß dieſe Regel nicht in einen ſo groſſen Grad ſchlieſſe als die vorige. 51. Aber wir muͤſſen nun auch das andere criterium der Wahrſcheinligkeit beleuchten/ dieſes habe ich einen eigenen concept genen- net/ der nicht von allen/ aber doch von etlichen individuis hergenommen wird/ es ſey nun von vielen oder von wenigen. 52. Dieſer concept iſt nicht anders als conceptus accidentium, die der eſſentz entge- gen geſetzt ſeyn. Denn weil derer etliche ſo beſchaffen ſind/ daß ſie bey vielen individuis, die unter einer idee begriffen/ ſind angetrof- fen

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/250>, abgerufen am 04.12.2024.