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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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das Gute u. Böse zu erkennen überhaupt.
haltung seines Wesens haben. Allein dieses
Borurtheil scheinet theils aus der irrigen Mei-
nung entsprossen zu seyn/ als wenn Gott alle Crea-
turen dem Menschen zu gute/ (das ist/ zu Erhal-
tung seines Wesens) geschaffen hätte; Theils
auch aus einer übelen Gewohnheit/ oder sonsten
aus einer eitelen Einbildung.

63.

Wiederum ist kein Zweiffel/ daß die mei-
sten Dinge
und zwar auf vielfältige Weise
dem Menschen schaden
können/ und daß dan-
nenhero der Mensch grosse Ursache habe dieselbi-
gen zu meiden.

64.

Nichts desto weniger muß man die an-
dern Geschöpffe mehr unter die guten Dinge als
unter die Bösen rechnen/ weil gleichwohl der
Mensch zu seiner Dauerung etlicher dererselben
nicht entbehren
kan/ die übrigen aber dem Men-
schen nicht in Ansehen Jhrer selbst schaden/ son-
dern nur daß sie unrecht appliciret werden/ welche
unrechte applicirung entweder der Mensch selb-
sten thut/ oder doch demselben nicht ohne seine
gäntzliche Schuld mehrentheils wiederfähret.

65.

Aber bey dem Menschen wird mehr an-
zumercken seyn. Ohne andere Menschen wäre
der Mensch höchst elende/
denn er würde ent-
weder ohne anderer Menschen Hülffe nicht Le-
ben können/ oder doch ein verdrießliches Leben
führen. Ja er würde der meisten/ wo nicht aller
sinnlichen Belustigungen entbehren müssen/ als
welche andere Menschen praesupponiren. Endlich

wür-
B 5

das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤberhaupt.
haltung ſeines Weſens haben. Allein dieſes
Borurtheil ſcheinet theils aus der irrigen Mei-
nung entſproſſen zu ſeyn/ als wenn Gott alle Crea-
turen dem Menſchen zu gute/ (das iſt/ zu Erhal-
tung ſeines Weſens) geſchaffen haͤtte; Theils
auch aus einer uͤbelen Gewohnheit/ oder ſonſten
aus einer eitelen Einbildung.

63.

Wiederum iſt kein Zweiffel/ daß die mei-
ſten Dinge
und zwar auf vielfaͤltige Weiſe
dem Menſchen ſchaden
koͤnnen/ und daß dan-
nenhero der Menſch groſſe Urſache habe dieſelbi-
gen zu meiden.

64.

Nichts deſto weniger muß man die an-
dern Geſchoͤpffe mehr unter die guten Dinge als
unter die Boͤſen rechnen/ weil gleichwohl der
Menſch zu ſeiner Dauerung etlicher dererſelben
nicht entbehren
kan/ die uͤbꝛigen aber dem Men-
ſchen nicht in Anſehen Jhrer ſelbſt ſchaden/ ſon-
dern nur daß ſie unrecht appliciret werden/ welche
unrechte applicirung entweder der Menſch ſelb-
ſten thut/ oder doch demſelben nicht ohne ſeine
gaͤntzliche Schuld mehrentheils wiederfaͤhret.

65.

Aber bey dem Menſchen wird mehr an-
zumercken ſeyn. Ohne andere Menſchen waͤre
der Menſch hoͤchſt elende/
denn er wuͤrde ent-
weder ohne anderer Menſchen Huͤlffe nicht Le-
ben koͤnnen/ oder doch ein verdrießliches Leben
fuͤhren. Ja er wuͤrde der meiſten/ wo nicht aller
ſinnlichen Beluſtigungen entbehren muͤſſen/ als
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B 5
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[25/0057] das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤberhaupt. haltung ſeines Weſens haben. Allein dieſes Borurtheil ſcheinet theils aus der irrigen Mei- nung entſproſſen zu ſeyn/ als wenn Gott alle Crea- turen dem Menſchen zu gute/ (das iſt/ zu Erhal- tung ſeines Weſens) geſchaffen haͤtte; Theils auch aus einer uͤbelen Gewohnheit/ oder ſonſten aus einer eitelen Einbildung. 63. Wiederum iſt kein Zweiffel/ daß die mei- ſten Dinge und zwar auf vielfaͤltige Weiſe dem Menſchen ſchaden koͤnnen/ und daß dan- nenhero der Menſch groſſe Urſache habe dieſelbi- gen zu meiden. 64. Nichts deſto weniger muß man die an- dern Geſchoͤpffe mehr unter die guten Dinge als unter die Boͤſen rechnen/ weil gleichwohl der Menſch zu ſeiner Dauerung etlicher dererſelben nicht entbehren kan/ die uͤbꝛigen aber dem Men- ſchen nicht in Anſehen Jhrer ſelbſt ſchaden/ ſon- dern nur daß ſie unrecht appliciret werden/ welche unrechte applicirung entweder der Menſch ſelb- ſten thut/ oder doch demſelben nicht ohne ſeine gaͤntzliche Schuld mehrentheils wiederfaͤhret. 65. Aber bey dem Menſchen wird mehr an- zumercken ſeyn. Ohne andere Menſchen waͤre der Menſch hoͤchſt elende/ denn er wuͤrde ent- weder ohne anderer Menſchen Huͤlffe nicht Le- ben koͤnnen/ oder doch ein verdrießliches Leben fuͤhren. Ja er wuͤrde der meiſten/ wo nicht aller ſinnlichen Beluſtigungen entbehren muͤſſen/ als welche andeꝛe Menſchen præſupponiren. Endlich wuͤr- B 5

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/57>, abgerufen am 25.11.2024.