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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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in denen menschl. Gesellschafften.
Beyderseits aber lassen sie einander ohne Ver-
dacht und Eyffer die Freyheit mit andern ehrli-
chen Leuten von beyderley Geschlecht zu conver-
sir
en/ als die ihrer Tugend zu beyden Theilen
wohl versichert sind/ und aus denen Regeln ge-
sunder Vernunfft wohl verstehen/ daß die Eyfer-
sucht und das Mißtrauen nur für die unvernünff-
tige Liebe gehöre.

18.

Solte aber über Verhoffen eines von bey-
den/ oder wohl alle beyde in ihrer Wahl sich
übereylet haben/ und entstünde nach vollzogener
Ehe wegen der allzugrossen Ungleichheit und
sich äussernden Unvernunfft des einen Ehegat-
ten unter ihnen Uneinigkeit/ die wegen der
Hartnäckigkeit des unvernünfftigen Theils
nicht gehoben oder geschlichtet werden
könte;
so ist offenbahr/ daß die Meynung de-
rerjenigen Gelehrten/ in denen Regeln gesunder
Vernunfft allerdings gegründet sey/ welche be-
haupten/ daß man in diesem Fall die Ehe-
scheidung zulassen solle.
Denn es kan für
einem vernünfftigen Menschen keine grössere
Qvaal erfunden werden/ als wenn er gezwun-
gen ist mit einer unvernünfftigen Person in ge-
nauer Verbündniß und Gesellschafft zu ver-
bleiben/ und seinen Leib mit selber zu vermischen.
Ja es ist mehr als Bestialisch/ wenn uneinige und
gantz widerwärtige Gemüther keine andere Ge-
meinschafft/ als die auf die Ableschung einer
Wechselsweisen Geilheit ihr Absehen hat/ ein-

ander
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in denen menſchl. Geſellſchafften.
Beyderſeits aber laſſen ſie einander ohne Ver-
dacht und Eyffer die Freyheit mit andern ehrli-
chen Leuten von beyderley Geſchlecht zu conver-
ſir
en/ als die ihrer Tugend zu beyden Theilen
wohl verſichert ſind/ und aus denen Regeln ge-
ſunder Vernunfft wohl verſtehen/ daß die Eyfer-
ſucht und das Mißtrauen nur fuͤr die unvernuͤnff-
tige Liebe gehoͤre.

18.

Solte aber uͤber Verhoffen eines von bey-
den/ oder wohl alle beyde in ihrer Wahl ſich
uͤbereylet haben/ und entſtuͤnde nach vollzogener
Ehe wegen der allzugroſſen Ungleichheit und
ſich aͤuſſernden Unvernunfft des einen Ehegat-
ten unter ihnen Uneinigkeit/ die wegen der
Hartnaͤckigkeit des unvernuͤnfftigen Theils
nicht gehoben oder geſchlichtet werden
koͤnte;
ſo iſt offenbahr/ daß die Meynung de-
rerjenigen Gelehrten/ in denen Regeln geſunder
Vernunfft allerdings gegruͤndet ſey/ welche be-
haupten/ daß man in dieſem Fall die Ehe-
ſcheidung zulaſſen ſolle.
Denn es kan fuͤr
einem vernuͤnfftigen Menſchen keine groͤſſere
Qvaal erfunden werden/ als wenn er gezwun-
gen iſt mit einer unvernuͤnfftigen Perſon in ge-
nauer Verbuͤndniß und Geſellſchafft zu ver-
bleiben/ und ſeinen Leib mit ſelber zu vermiſchen.
Ja es iſt mehr als Beſtialiſch/ wenn uneinige und
gantz widerwaͤrtige Gemuͤther keine andere Ge-
meinſchafft/ als die auf die Ableſchung einer
Wechſelsweiſen Geilheit ihr Abſehen hat/ ein-

ander
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[365[361]/0393] in denen menſchl. Geſellſchafften. Beyderſeits aber laſſen ſie einander ohne Ver- dacht und Eyffer die Freyheit mit andern ehrli- chen Leuten von beyderley Geſchlecht zu conver- ſiren/ als die ihrer Tugend zu beyden Theilen wohl verſichert ſind/ und aus denen Regeln ge- ſunder Vernunfft wohl verſtehen/ daß die Eyfer- ſucht und das Mißtrauen nur fuͤr die unvernuͤnff- tige Liebe gehoͤre. 18. Solte aber uͤber Verhoffen eines von bey- den/ oder wohl alle beyde in ihrer Wahl ſich uͤbereylet haben/ und entſtuͤnde nach vollzogener Ehe wegen der allzugroſſen Ungleichheit und ſich aͤuſſernden Unvernunfft des einen Ehegat- ten unter ihnen Uneinigkeit/ die wegen der Hartnaͤckigkeit des unvernuͤnfftigen Theils nicht gehoben oder geſchlichtet werden koͤnte; ſo iſt offenbahr/ daß die Meynung de- rerjenigen Gelehrten/ in denen Regeln geſunder Vernunfft allerdings gegruͤndet ſey/ welche be- haupten/ daß man in dieſem Fall die Ehe- ſcheidung zulaſſen ſolle. Denn es kan fuͤr einem vernuͤnfftigen Menſchen keine groͤſſere Qvaal erfunden werden/ als wenn er gezwun- gen iſt mit einer unvernuͤnfftigen Perſon in ge- nauer Verbuͤndniß und Geſellſchafft zu ver- bleiben/ und ſeinen Leib mit ſelber zu vermiſchen. Ja es iſt mehr als Beſtialiſch/ wenn uneinige und gantz widerwaͤrtige Gemuͤther keine andere Ge- meinſchafft/ als die auf die Ableſchung einer Wechſelsweiſen Geilheit ihr Abſehen hat/ ein- ander Z 5

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 365[361]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/393>, abgerufen am 24.11.2024.