Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Arten der absonderlichen Liebe. gere in auffrichtigen Vertrauen bemühet lebet/täglich in der Tugend mehr und mehr zuzuneh- men/ und sich ihr gleich zu machen. Gleich- wohl aber wenn wir dasjenige/ was wir von dem Unterscheid des Zustandes dieser beyden lieben- den Personen erwehnet haben/ hieher appliciren wollen/ so können wir gar füglich mit zweyen Worten den Ausschlag geben/ daß das Vergnü- gen das wir haben/ von andern informiret zu werden/ theils wegen unserer Schwachheiten/ theils weil wir täglich neue und uns zuvor unbe- kante Dinge lernen/ viel empfindlicher/ das andere Vergnügen aber/ andere in der Liebe an- zuweisen viel reinlicher und ruhiger sey. 24. Die Erörterung der vorigen Frage bah- ant- X 3
Arten der abſonderlichen Liebe. gere in auffrichtigen Vertrauen bemuͤhet lebet/taͤglich in der Tugend mehr und mehr zuzuneh- men/ und ſich ihr gleich zu machen. Gleich- wohl aber wenn wir dasjenige/ was wir von dem Unterſcheid des Zuſtandes dieſer beyden lieben- den Perſonen erwehnet haben/ hieher appliciren wollen/ ſo koͤnnen wir gar fuͤglich mit zweyen Worten den Ausſchlag geben/ daß das Vergnuͤ- gen das wir haben/ von andern informiret zu werden/ theils wegen unſerer Schwachheiten/ theils weil wir taͤglich neue und uns zuvor unbe- kante Dinge lernen/ viel empfindlicher/ das andere Vergnuͤgen aber/ andere in der Liebe an- zuweiſen viel reinlicher und ruhiger ſey. 24. Die Eroͤrterung der vorigen Frage bah- ant- X 3
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Arten der abſonderlichen Liebe.
gere in auffrichtigen Vertrauen bemuͤhet lebet/
taͤglich in der Tugend mehr und mehr zuzuneh-
men/ und ſich ihr gleich zu machen. Gleich-
wohl aber wenn wir dasjenige/ was wir von dem
Unterſcheid des Zuſtandes dieſer beyden lieben-
den Perſonen erwehnet haben/ hieher appliciren
wollen/ ſo koͤnnen wir gar fuͤglich mit zweyen
Worten den Ausſchlag geben/ daß das Vergnuͤ-
gen das wir haben/ von andern informiret zu
werden/ theils wegen unſerer Schwachheiten/
theils weil wir taͤglich neue und uns zuvor unbe-
kante Dinge lernen/ viel empfindlicher/ das
andere Vergnuͤgen aber/ andere in der Liebe an-
zuweiſen viel reinlicher und ruhiger ſey.
24. Die Eroͤrterung der vorigen Frage bah-
net uns den Weg die (III) deſto geſchwinder zu
beantworten: Ob diejenige Liebe ſtaͤrcker ſey/
wenn man geſchwinde und durch einen heim-
lichen Zug getrieben zu lieben anfaͤnget/ der-
geſtalt/ daß unſer Hertze gleichſam in einem
Augenblick von der Liebe entzuͤndet wird;
oder wenn man eine Perſon/ mit der man
eine Zeit lang indifferent umbgangen/ her-
nach aber dieſelbe gleichſam zur Danckbar-
keit/ weil ſie uns viel Proben ihrer Liebe
gegeben/ wieder zu lieben anfaͤnget?
Denn es koͤnnen ſich zwar dißfalls unter beyder-
ley Arten Exempel von ſtarcken und ſchwachen
Lieben finden/ wenn man aber doch die Frage
nach denen unterſchiedenen Arten der Liebe be-
ant-
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