Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.vernünfftigen Liebe überhaupt. Willen auffgedrungen. Ja wenn ich sie gleichvergelte/ so ist es doch keine Danckbarkeit/ sondern eine Bezahlung dessen/ was mir der andere nicht als eine Gutthat erwiesen/ sondern gleichsam nur als baares Geld geliehen/ und ich auch nicht an- ders angenommen/ oder annehmen sollen. 77. Ferner gleichwie man von der Gutthä- 78. Endlich gleich wie die Liebe keinen Zwang passi- T 3
vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt. Willen auffgedrungen. Ja wenn ich ſie gleichvergelte/ ſo iſt es doch keine Danckbarkeit/ ſondern eine Bezahlung deſſen/ was mir der andere nicht als eine Gutthat erwieſen/ ſondern gleichſam nur als baares Geld geliehen/ und ich auch nicht an- ders angenommen/ oder annehmen ſollen. 77. Ferner gleichwie man von der Gutthaͤ- 78. Endlich gleich wie die Liebe keinen Zwang pasſi- T 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0325" n="297[293]"/><fw place="top" type="header">vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.</fw><lb/> Willen auffgedrungen. Ja wenn ich ſie gleich<lb/> vergelte/ ſo iſt es doch keine Danckbarkeit/ ſondern<lb/> eine Bezahlung deſſen/ was mir der andere nicht<lb/> als eine Gutthat erwieſen/ ſondern gleichſam nur<lb/> als baares Geld geliehen/ und ich auch nicht an-<lb/> ders angenommen/ oder annehmen ſollen.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>77.</head> <p>Ferner gleichwie man von der <hi rendition="#fr">Gutthaͤ-<lb/> tigkeit</hi> nicht leichte <hi rendition="#fr">urtheilen</hi> kan/ ob dieſelbe<lb/> recht oder unrecht ſey/ wenn man nicht die<lb/> wahre Liebe in ſeinem Hertzen empfunden/ und<lb/> die falſche Schein-Liebe erkennen lernen; Alſo<lb/> kan man auch nicht leichte <hi rendition="#fr">urtheilen</hi> ob der an-<lb/> dere <hi rendition="#fr">danckbar</hi> oder <hi rendition="#fr">undanckbar</hi> ſey/ wenn man<lb/> nicht ſelbſten den jetztbeſagten Grund warhaffti-<lb/> ger Danckbarkeit wohl verſtehet. Bey dieſer<lb/> Bewandniß aber iſt nicht zu bewundern/ woher<lb/> es doch komme/ daß da die wenigſten Menſchen<lb/> denen andern wahre Gutthaten bezeigen/ doch<lb/><hi rendition="#fr">jederman ſeine Gutthaͤtigkeit ruͤhmet/ und<lb/> den andern einer Undanckbarkeit beſchuldi-<lb/> get/ der ſich aber kein Menſch ſchuldig er-<lb/> kennen wil.</hi> Denn wir leben zu einer ſolchen<lb/> Zeit/ da die Tugend den Nahmen der Laſter<lb/> uͤberkommen/ die Laſter aber mit denen Titeln der<lb/> Tugend einher prangen/ und da die allermei-<lb/> ſten Menſchen von der vernuͤnfftigen Liebe/ und<lb/> denen dahin gehoͤrigen Tugenden/ wie der Blin-<lb/> de von den Farben urtheilen.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>78.</head> <p>Endlich gleich wie die Liebe keinen Zwang<lb/> leidet/ und was gezwungen iſt/ fuͤr keine Gutthat<lb/> <fw place="bottom" type="sig">T 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">pasſi-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [297[293]/0325]
vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.
Willen auffgedrungen. Ja wenn ich ſie gleich
vergelte/ ſo iſt es doch keine Danckbarkeit/ ſondern
eine Bezahlung deſſen/ was mir der andere nicht
als eine Gutthat erwieſen/ ſondern gleichſam nur
als baares Geld geliehen/ und ich auch nicht an-
ders angenommen/ oder annehmen ſollen.
77. Ferner gleichwie man von der Gutthaͤ-
tigkeit nicht leichte urtheilen kan/ ob dieſelbe
recht oder unrecht ſey/ wenn man nicht die
wahre Liebe in ſeinem Hertzen empfunden/ und
die falſche Schein-Liebe erkennen lernen; Alſo
kan man auch nicht leichte urtheilen ob der an-
dere danckbar oder undanckbar ſey/ wenn man
nicht ſelbſten den jetztbeſagten Grund warhaffti-
ger Danckbarkeit wohl verſtehet. Bey dieſer
Bewandniß aber iſt nicht zu bewundern/ woher
es doch komme/ daß da die wenigſten Menſchen
denen andern wahre Gutthaten bezeigen/ doch
jederman ſeine Gutthaͤtigkeit ruͤhmet/ und
den andern einer Undanckbarkeit beſchuldi-
get/ der ſich aber kein Menſch ſchuldig er-
kennen wil. Denn wir leben zu einer ſolchen
Zeit/ da die Tugend den Nahmen der Laſter
uͤberkommen/ die Laſter aber mit denen Titeln der
Tugend einher prangen/ und da die allermei-
ſten Menſchen von der vernuͤnfftigen Liebe/ und
denen dahin gehoͤrigen Tugenden/ wie der Blin-
de von den Farben urtheilen.
78. Endlich gleich wie die Liebe keinen Zwang
leidet/ und was gezwungen iſt/ fuͤr keine Gutthat
pasſi-
T 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |