Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

vernünfftigen Liebe überhaupt.
statt dieser schlechten Proben/ täglich unsere Liebe
durch Erweisung vortrefflicher Dienste bezei-
gen.

51.

Es sind aber dieser vortrefflicherern Tu-
genden/ die in der Liebe auff die sorgfältige Gefäl-
ligkeit folgen/ zwey. Die eine ist die vertrauli-
che Gutthätigkeit/
durch die man einander
Wechsels-Weise die Liebe/ die sich bißhero nur
noch gleichsam als eine Hochachtnng hatte blicken
lassen/ viel näher erkennen zu geben/ und die Her-
tzen immer mehr und mehr zu verbinden bemühet
ist. Das andere ist die liebreiche Gemein-
schafft
alles dessen/ was zuvor unser eigen gewe-
sen/ welche das Kenn-Zeichen ist/ das diese Verbin-
dung nunmehro den höchsten Grad erhalten/ und
zu einer wahren Vereinigung worden. Wir
wollen von jeder etwas ausführlicher handeln.

52.

Zwar was die Gutthätigkeit anbelan-
get/ so hat man von dieser Edelsten so viel uns
wissend ist/ ausser dem Seneca niemand ausführ-
lich geschrieben; dieser aber hat in denen sieben
Büchern/ so er davon verfertiget/ viele schwehre
und verwirrte Fragen zwar sehr schöne/ aber doch
nicht ordentlich und deutlich erörtert/ daß wir also
ein weitläufftiges Feld für uns sehen/ wenn wir
diese Materie nach würde abhandeln wollen. Und
zwar so scheinet diese Abhandlung desto nöthiger
zur Sitten-Lehre zu seyn/ ie näher diese Tugend
zur Liebe gehöret/ und je weniger man davon in
denen gemeinen Sitten-Lehren handelt; Ja je

mehr
S 4

vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.
ſtatt dieſer ſchlechten Proben/ taͤglich unſere Liebe
durch Erweiſung vortrefflicher Dienſte bezei-
gen.

51.

Es ſind aber dieſer vortrefflicherern Tu-
genden/ die in der Liebe auff die ſorgfaͤltige Gefaͤl-
ligkeit folgen/ zwey. Die eine iſt die vertrauli-
che Gutthaͤtigkeit/
durch die man einander
Wechſels-Weiſe die Liebe/ die ſich bißhero nur
noch gleichſam als eine Hochachtnng hatte blicken
laſſen/ viel naͤher erkennen zu geben/ und die Her-
tzen immer mehr und mehr zu verbinden bemuͤhet
iſt. Das andere iſt die liebreiche Gemein-
ſchafft
alles deſſen/ was zuvor unſer eigen gewe-
ſen/ welche das Kenn-Zeichen iſt/ das dieſe Verbin-
dung nunmehro den hoͤchſten Grad erhalten/ und
zu einer wahren Vereinigung worden. Wir
wollen von jeder etwas ausfuͤhrlicher handeln.

52.

Zwar was die Gutthaͤtigkeit anbelan-
get/ ſo hat man von dieſer Edelſten ſo viel uns
wiſſend iſt/ auſſer dem Seneca niemand ausfuͤhr-
lich geſchrieben; dieſer aber hat in denen ſieben
Buͤchern/ ſo er davon verfertiget/ viele ſchwehre
und verwirrte Fragen zwar ſehr ſchoͤne/ aber doch
nicht ordentlich und deutlich eroͤrtert/ daß wir alſo
ein weitlaͤufftiges Feld fuͤr uns ſehen/ wenn wir
dieſe Materie nach wuͤrde abhandeln wollen. Und
zwar ſo ſcheinet dieſe Abhandlung deſto noͤthiger
zur Sitten-Lehre zu ſeyn/ ie naͤher dieſe Tugend
zur Liebe gehoͤret/ und je weniger man davon in
denen gemeinen Sitten-Lehren handelt; Ja je

mehr
S 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0311" n="283[279]"/><fw place="top" type="header">vernu&#x0364;nfftigen Liebe u&#x0364;berhaupt.</fw><lb/>
&#x017F;tatt die&#x017F;er &#x017F;chlechten Proben/ ta&#x0364;glich un&#x017F;ere Liebe<lb/>
durch Erwei&#x017F;ung vortrefflicher Dien&#x017F;te bezei-<lb/>
gen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>51.</head>
            <p>Es &#x017F;ind aber die&#x017F;er vortrefflicherern Tu-<lb/>
genden/ die in der Liebe auff die &#x017F;orgfa&#x0364;ltige Gefa&#x0364;l-<lb/>
ligkeit folgen/ zwey. Die eine i&#x017F;t die <hi rendition="#fr">vertrauli-<lb/>
che Guttha&#x0364;tigkeit/</hi> durch die man einander<lb/>
Wech&#x017F;els-Wei&#x017F;e die Liebe/ die &#x017F;ich bißhero nur<lb/>
noch gleich&#x017F;am als eine Hochachtnng hatte blicken<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en/ viel na&#x0364;her erkennen zu geben/ und die Her-<lb/>
tzen immer mehr und mehr zu verbinden bemu&#x0364;het<lb/>
i&#x017F;t. Das andere i&#x017F;t die <hi rendition="#fr">liebreiche Gemein-<lb/>
&#x017F;chafft</hi> alles de&#x017F;&#x017F;en/ was zuvor un&#x017F;er eigen gewe-<lb/>
&#x017F;en/ welche das Kenn-Zeichen i&#x017F;t/ das die&#x017F;e Verbin-<lb/>
dung nunmehro den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad erhalten/ und<lb/>
zu einer wahren Vereinigung worden. Wir<lb/>
wollen von jeder etwas ausfu&#x0364;hrlicher handeln.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>52.</head>
            <p>Zwar was die Guttha&#x0364;tigkeit anbelan-<lb/>
get/ &#x017F;o hat man von die&#x017F;er Edel&#x017F;ten &#x017F;o viel uns<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;end i&#x017F;t/ au&#x017F;&#x017F;er dem <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Seneca</hi></hi> niemand ausfu&#x0364;hr-<lb/>
lich ge&#x017F;chrieben; die&#x017F;er aber hat in denen &#x017F;ieben<lb/>
Bu&#x0364;chern/ &#x017F;o er davon verfertiget/ viele &#x017F;chwehre<lb/>
und verwirrte Fragen zwar &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;ne/ aber doch<lb/>
nicht ordentlich und deutlich ero&#x0364;rtert/ daß wir al&#x017F;o<lb/>
ein weitla&#x0364;ufftiges Feld fu&#x0364;r uns &#x017F;ehen/ wenn wir<lb/>
die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Materie</hi> nach wu&#x0364;rde abhandeln wollen. Und<lb/>
zwar &#x017F;o &#x017F;cheinet die&#x017F;e Abhandlung de&#x017F;to no&#x0364;thiger<lb/>
zur Sitten-Lehre zu &#x017F;eyn/ ie na&#x0364;her die&#x017F;e Tugend<lb/>
zur Liebe geho&#x0364;ret/ und je weniger man davon in<lb/>
denen gemeinen Sitten-Lehren handelt; Ja je<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 4</fw><fw place="bottom" type="catch">mehr</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283[279]/0311] vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt. ſtatt dieſer ſchlechten Proben/ taͤglich unſere Liebe durch Erweiſung vortrefflicher Dienſte bezei- gen. 51. Es ſind aber dieſer vortrefflicherern Tu- genden/ die in der Liebe auff die ſorgfaͤltige Gefaͤl- ligkeit folgen/ zwey. Die eine iſt die vertrauli- che Gutthaͤtigkeit/ durch die man einander Wechſels-Weiſe die Liebe/ die ſich bißhero nur noch gleichſam als eine Hochachtnng hatte blicken laſſen/ viel naͤher erkennen zu geben/ und die Her- tzen immer mehr und mehr zu verbinden bemuͤhet iſt. Das andere iſt die liebreiche Gemein- ſchafft alles deſſen/ was zuvor unſer eigen gewe- ſen/ welche das Kenn-Zeichen iſt/ das dieſe Verbin- dung nunmehro den hoͤchſten Grad erhalten/ und zu einer wahren Vereinigung worden. Wir wollen von jeder etwas ausfuͤhrlicher handeln. 52. Zwar was die Gutthaͤtigkeit anbelan- get/ ſo hat man von dieſer Edelſten ſo viel uns wiſſend iſt/ auſſer dem Seneca niemand ausfuͤhr- lich geſchrieben; dieſer aber hat in denen ſieben Buͤchern/ ſo er davon verfertiget/ viele ſchwehre und verwirrte Fragen zwar ſehr ſchoͤne/ aber doch nicht ordentlich und deutlich eroͤrtert/ daß wir alſo ein weitlaͤufftiges Feld fuͤr uns ſehen/ wenn wir dieſe Materie nach wuͤrde abhandeln wollen. Und zwar ſo ſcheinet dieſe Abhandlung deſto noͤthiger zur Sitten-Lehre zu ſeyn/ ie naͤher dieſe Tugend zur Liebe gehoͤret/ und je weniger man davon in denen gemeinen Sitten-Lehren handelt; Ja je mehr S 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/311
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 283[279]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/311>, abgerufen am 13.11.2024.