Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.vernünfftigen Liebe überhaupt. cken/ spielen/ tantzen/ einander selbst oder an-dere Leute dnrchziehen? Jst es nicht eben so viel/ als wenn wir behaupten wolten/ daß die Tu- gend und Keuschheit durch wohllüstige Speise und Tranck/ durch betrigerischen Gewinst/ durch üppige kleine Spiele/ durch anreitzende Verkeh- rungen der Augen und Wendungen des Leibes/ und durch die medisance müsse erhalten werden? 17. Gleichergestalt was ist doch darinnen 18. Jch wil davon nichts erwehnen/ das eben 19. Aber R 3
vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt. cken/ ſpielen/ tantzen/ einander ſelbſt oder an-dere Leute dnrchziehen? Jſt es nicht eben ſo viel/ als wenn wir behaupten wolten/ daß die Tu- gend und Keuſchheit durch wohlluͤſtige Speiſe und Tranck/ durch betrigeriſchen Gewinſt/ durch uͤppige kleine Spiele/ durch anreitzende Verkeh- rungen der Augen und Wendungen des Leibes/ und durch die mediſance muͤſſe erhalten werden? 17. Gleichergeſtalt was iſt doch darinnen 18. Jch wil davon nichts erwehnen/ das eben 19. Aber R 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb n="265[261]" facs="#f0293"/><fw type="header" place="top">vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.</fw><lb/><hi rendition="#fr">cken/ ſpielen/ tantzen/ einander ſelbſt oder an-<lb/> dere Leute dnrchziehen?</hi> Jſt es nicht eben ſo<lb/> viel/ als wenn wir behaupten wolten/ daß die Tu-<lb/> gend und Keuſchheit durch wohlluͤſtige Speiſe<lb/> und Tranck/ durch betrigeriſchen Gewinſt/ durch<lb/> uͤppige kleine Spiele/ durch anreitzende Verkeh-<lb/> rungen der Augen und Wendungen des Leibes/<lb/> und durch die <hi rendition="#aq">mediſance</hi> muͤſſe erhalten werden?</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>17.</head> <p>Gleichergeſtalt was iſt doch darinnen<lb/> wohl fuͤr eine Vernunfft? Einen <hi rendition="#fr">Tantzmeiſter/<lb/> Sprachmeiſter/ Lauteniſten/ Mahler</hi> u. ſ.<lb/> w. verſtatten wir/ daß er taͤglich gantze Stunden<lb/> mit unſern Weibern und Toͤchtern alleine iſt;<lb/> und <hi rendition="#fr">einen andern</hi> <hi rendition="#aq">honnèt homme</hi> halten wir<lb/> nebſt dem Frauen-Zimmer fuͤr unehrlich/ wenn ſie<lb/> nicht alle ihre <hi rendition="#aq">Converſationes</hi> in Gegenwart<lb/> dreyer oder mehr Zeugen (als wie die <hi rendition="#aq">Advocaten</hi><lb/> die mit denẽ <hi rendition="#aq">Inqviſi</hi>ten reden wollen/) verrichten?</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>18.</head> <p>Jch wil davon nichts erwehnen/ das eben<lb/> das <hi rendition="#fr">Mißtrauen/</hi> daß wir in der unſerigen Tu-<lb/> gend ſetzen/ ſie deſto <hi rendition="#fr">mehr zur Untugend</hi> anrei-<lb/> tzet. Es ſchmertzet ein Tugendliebendes Gemuͤ-<lb/> the/ daß die Gemuͤths-Ruhe noch nicht in einem<lb/> hohen <hi rendition="#aq">Grad</hi> beſitzet/ nichts mehr/ als wenn man es<lb/> wegen eines Laſters/ daß es bißhero gehaſſet/ ver-<lb/> dencket. Und nach der gemeinen Anmerckung<lb/> kluger Leute iſt der unrechte Verdacht eines Man-<lb/> nes die erſte Staffel zu der aus der unordentli-<lb/> chen Liebe eines Weibes ihme erwachſenden<lb/> Schande.</p> </div><lb/> <fw type="sig" place="bottom">R 3</fw> <fw type="catch" place="bottom">19. Aber</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [265[261]/0293]
vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.
cken/ ſpielen/ tantzen/ einander ſelbſt oder an-
dere Leute dnrchziehen? Jſt es nicht eben ſo
viel/ als wenn wir behaupten wolten/ daß die Tu-
gend und Keuſchheit durch wohlluͤſtige Speiſe
und Tranck/ durch betrigeriſchen Gewinſt/ durch
uͤppige kleine Spiele/ durch anreitzende Verkeh-
rungen der Augen und Wendungen des Leibes/
und durch die mediſance muͤſſe erhalten werden?
17. Gleichergeſtalt was iſt doch darinnen
wohl fuͤr eine Vernunfft? Einen Tantzmeiſter/
Sprachmeiſter/ Lauteniſten/ Mahler u. ſ.
w. verſtatten wir/ daß er taͤglich gantze Stunden
mit unſern Weibern und Toͤchtern alleine iſt;
und einen andern honnèt homme halten wir
nebſt dem Frauen-Zimmer fuͤr unehrlich/ wenn ſie
nicht alle ihre Converſationes in Gegenwart
dreyer oder mehr Zeugen (als wie die Advocaten
die mit denẽ Inqviſiten reden wollen/) verrichten?
18. Jch wil davon nichts erwehnen/ das eben
das Mißtrauen/ daß wir in der unſerigen Tu-
gend ſetzen/ ſie deſto mehr zur Untugend anrei-
tzet. Es ſchmertzet ein Tugendliebendes Gemuͤ-
the/ daß die Gemuͤths-Ruhe noch nicht in einem
hohen Grad beſitzet/ nichts mehr/ als wenn man es
wegen eines Laſters/ daß es bißhero gehaſſet/ ver-
dencket. Und nach der gemeinen Anmerckung
kluger Leute iſt der unrechte Verdacht eines Man-
nes die erſte Staffel zu der aus der unordentli-
chen Liebe eines Weibes ihme erwachſenden
Schande.
19. Aber
R 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/293 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 265[261]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/293>, abgerufen am 04.03.2025. |