Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Das 6. Hauptst. von der absonderlichen alleine klug? Meinest du daß das Alterthum un-serer Vorfahren nicht weiter gesehen habe als du? Du wirst wohl nimmermehr das Sprichwort auskratzen: Gelegenheit macht Diebe/ Wo Feuer und Stroh zusammen kömmt/ da brennets lichterloh. 15. Aber mein lieber Freund laß dir dienen. 16. Zudem wie lächerlich ist doch unsere Vor- cken
Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen alleine klug? Meineſt du daß das Alterthum un-ſerer Vorfahren nicht weiter geſehen habe als du? Du wirſt wohl nimmermehr das Sprichwort auskratzen: Gelegenheit macht Diebe/ Wo Feuer und Stroh zuſammen koͤmmt/ da brennets lichterloh. 15. Aber mein lieber Freund laß dir dienen. 16. Zudem wie laͤcherlich iſt doch unſere Vor- cken
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Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen
alleine klug? Meineſt du daß das Alterthum un-
ſerer Vorfahren nicht weiter geſehen habe als du?
Du wirſt wohl nimmermehr das Sprichwort
auskratzen: Gelegenheit macht Diebe/ Wo
Feuer und Stroh zuſammen koͤmmt/ da
brennets lichterloh.
15. Aber mein lieber Freund laß dir dienen.
Die Schmaͤhungen der du dich bedienet/ wil ich
dir ſchencken/ laß dir nur ein ander Sprichwort
vorhalten: Durch Gelegenheit probiret man
einen ehrlichen Kerl. Wegen der Feuers-
Brunſt muß man nicht Feuer und Stroh
aus der Welt jagen. Gelegenheit macht kel-
nen Dieb/ ſondern gibt ein Diebiſch Hertze zu er-
kennen. Solten wir uns nicht in unſer Hertz
ſchaͤmen/ daß wir unſere Soͤhne insgeſambt fuͤr
leichtfertig/ und unſere Toͤchter fuͤr liederlich/ oder
die unter die Zahl derjenigen gehoͤren/ von denen
der Poëte ſaget: Caſta eſt qvam nemo rogavit,
auff dieſe Weiſe ausſchreyen? Ja daß wir uns
ſelbſten der tadelnswuͤrdigſten Nachlaͤßigkeit an-
klagen/ daß wir nicht durch eine gute Zucht den
Tugend-Saamen in ihren Hertzen gepflantzet.
16. Zudem wie laͤcherlich iſt doch unſere Vor-
ſorge? Man verdenckt zwey Perſonen unterſchie-
denes Geſchlechts/ wenn ſie vertraulich mit ein-
ander umbgehen/ ob man ihnen ſchon ſonſten
nichts verdaͤchtiges oder unerbares nachſagen
kan. Aber das iſt gar loͤblich/ wenn ſie in oͤffent-
licher Geſellſchafft mit einander eſſen und trin-
cken
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 262[260]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/292>, abgerufen am 04.03.2025. |