Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Liebe aller Menschen. 73. Ja sagstu. Wil der andere nicht mit mir 74. Denn anfänglich ist die Vernunfft eine 75. Ja/ antwortestu/ er braucht wohl Ge- Gewalt P 5
Liebe aller Menſchen. 73. Ja ſagſtu. Wil der andere nicht mit mir 74. Denn anfaͤnglich iſt die Vernunfft eine 75. Ja/ antworteſtu/ er braucht wohl Ge- Gewalt P 5
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Liebe aller Menſchen.
73. Ja ſagſtu. Wil der andere nicht mit mir
Friede halten/ ſo muß er/ weil ich ihn durch den
Krieg darzu zwinge/ und ihn alſo mit Gewalt
zur Raiſon bringe. Jch bitte dich/ rede nicht ſo
unvernuͤnfftig. Denn du haſt bey nahe ſo viel
laͤcherliche Dinge geredet/ als du Worte gebrau-
chet haſt.
74. Denn anfaͤnglich iſt die Vernunfft eine
Sache/ die durch menſchliche Gewalt zwar zer-
nichtet/ aber nimmermehr zurechte gebracht
werden kan. Hernach ſo iſts auch gemacht/ daß
ohne Liebe kein wahrer Friede/ ſondern nur
ein ſolcher Zuſtand/ den man einen Stillſtand
der Waffen nennen koͤnte/ werden kan. Die
Liebe aber leidet den geringſten Zwang nicht.
Endlich du elender Menſch/ der du dir einbildeſt/
du wolteſt deinen Feind zwingen/ daß er Frie-
de halten muͤſte. Mein ſage mir/ wodurch?
Durch Gewalt? Haͤlt er dir denn ſtille? Oder
braucht er Gegengewalt?
75. Ja/ antworteſtu/ er braucht wohl Ge-
gengewalt/ aber er thut nicht recht daran.
Ey wie kom̃ſtu zu dieſen Unrath/ daß du im Krie-
ge deinen Feinde von Rechte vorſagen wilſt. Hat
er ſich von ſeinen boͤſen Vorſatz und Unrecht nicht
abwendig machen laſſen/ da du ihm Liebe oder
Gedult erwieſeſt/ ſo wird er es gewiß nicht thun/
wenn du Gewalt gegen ihn brauchſt. Und alſo
iſt es mir jetzo genug/ daß du geſteheſt/ er brauche
auch Gegengewalt wider dich. Mein/ welche
Gewalt
P 5
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