Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Das 4. Hauptst. von der vernünfftigen geoffenbahrte Gesetz ein anderes versichert.Nichts destoweniger aber weiset uns doch das Licht der Natur zum wenigsten so viel/ daß diese Begierde der Leibes Vermischung eine unziem- liche Unvollkommenheit sey/ wenn sie gleich in comparaison anderer gröbern Stuffen noch so reinlich scheinet/ und das viele Dinge auch von denen die vermittelst der göttlichen Offen- bahrung besser raisoniren solten/ zumahl unter Ehe-Leuten/ für zuläßlich gehalten werden/ die doch auch der Vernunfft nach mehr bestialisch als vernünfftig sind. 41. Denn anfänglich ist es eine grosse Un- 42. Hiernächst weil es offenbahr/ daß die be
Das 4. Hauptſt. von der vernuͤnfftigen geoffenbahrte Geſetz ein anderes verſichert.Nichts deſtoweniger aber weiſet uns doch das Licht der Natur zum wenigſten ſo viel/ daß dieſe Begierde der Leibes Vermiſchung eine unziem- liche Unvollkommenheit ſey/ wenn ſie gleich in comparaiſon anderer groͤbern Stuffen noch ſo reinlich ſcheinet/ und das viele Dinge auch von denen die vermittelſt der goͤttlichen Offen- bahrung beſſer raiſoniren ſolten/ zumahl unter Ehe-Leuten/ fuͤr zulaͤßlich gehalten werden/ die doch auch der Vernunfft nach mehr beſtialiſch als vernuͤnfftig ſind. 41. Denn anfaͤnglich iſt es eine groſſe Un- 42. Hiernaͤchſt weil es offenbahr/ daß die be
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Das 4. Hauptſt. von der vernuͤnfftigen
geoffenbahrte Geſetz ein anderes verſichert.
Nichts deſtoweniger aber weiſet uns doch das
Licht der Natur zum wenigſten ſo viel/ daß dieſe
Begierde der Leibes Vermiſchung eine unziem-
liche Unvollkommenheit ſey/ wenn ſie gleich
in comparaiſon anderer groͤbern Stuffen noch
ſo reinlich ſcheinet/ und das viele Dinge auch
von denen die vermittelſt der goͤttlichen Offen-
bahrung beſſer raiſoniren ſolten/ zumahl unter
Ehe-Leuten/ fuͤr zulaͤßlich gehalten werden/ die
doch auch der Vernunfft nach mehr beſtialiſch
als vernuͤnfftig ſind.
41. Denn anfaͤnglich iſt es eine groſſe Un-
vollkommenheit/ daß die Menſchen in Beur-
theilung von der Schoͤnheit des Leibes (da-
von wir anderswo zu ſeiner Zeit mit mehrern
reden werden) das wenigſte Fundament haben/
ſondern gantz unterſchiedenen und wiedrigen
Meinungen disfalls unterworffen ſind/ die den-
noch weil ſie auff keine Vernunfft gegruͤndet
ſeyn/ auch nicht fuͤr Vernuͤnfftig koͤnnen ausge-
geben werden/ ob man ſie ſchon auch nicht un-
vernuͤnfftig ſchelten kan.
42. Hiernaͤchſt weil es offenbahr/ daß die
Schoͤnheit des Leibes gar oͤffters mit der Schoͤn-
heit der Seelen oder der Tugend nicht vereini-
get iſt; So koͤnnen wir zwar die Liebe ſchoͤ-
ner und dabey tugendhaffter Leute eben
nicht tadeln/ wir koͤnnen aber auch weder den
Haß tugendhaffter aber heßlicher/ noch die Lie-
be
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/208>, abgerufen am 16.02.2025. |