Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Das 4. H. von der vernünfftigen die Menschen unter sich selbst unterschiedene Bil-dungen oder Gemüths-Neigungen haben/ also auch der Mensch/ wenn er gleich auff die Vermi- schung des Leibes verfällt/ dennoch gemeiniglich/ wenn er nicht gantz und gar zur Bestie worden/ einen Menschen für den andern zu lieben pfleget. 31. Solcher gestalt aber ist zu bedauren/ daß 32. Denn
Das 4. H. von der vernuͤnfftigen die Menſchen unter ſich ſelbſt unterſchiedene Bil-dungen oder Gemuͤths-Neigungen haben/ alſo auch der Menſch/ wenn er gleich auff die Vermi- ſchung des Leibes verfaͤllt/ dennoch gemeiniglich/ wenn er nicht gantz und gar zur Beſtie worden/ einen Menſchen fuͤr den andern zu lieben pfleget. 31. Solcher geſtalt aber iſt zu bedauren/ daß 32. Denn
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Das 4. H. von der vernuͤnfftigen
die Menſchen unter ſich ſelbſt unterſchiedene Bil-
dungen oder Gemuͤths-Neigungen haben/ alſo
auch der Menſch/ wenn er gleich auff die Vermi-
ſchung des Leibes verfaͤllt/ dennoch gemeiniglich/
wenn er nicht gantz und gar zur Beſtie worden/
einen Menſchen fuͤr den andern zu lieben
pfleget.
31. Solcher geſtalt aber iſt zu bedauren/ daß
in dieſer Claſſe dreyerley Arten von der unver-
nuͤnfftigen Liebe angetroffen werden: (1) Eine
mehr als Beſtialiſche/ wenn man einen unver-
nuͤnfftigen Trieb bey ſich befinder/ ſeinen Leib mit
dem Leib der Perſonen einerley Geſchlechts/
oder mit Creaturen von gantz unterſchiede-
ner Art zu vermiſchen/ wofuͤr auch die Beſtien
einen Abſcheu haben. (2) Eine Beſtialiſche
oder Huren-Liebe/ wenn man ſeine Begierden
mit allerley Perſonen ohne Anſehung derer
Bildungen oder Gemuͤths-Bewegungen zu ſtil-
len/ oder vielmehr zu vermehren und luͤſtern zu
machen trachtet. (3) Eine bey nahe Beſtiali-
ſche/ wenn man zwar einen Unterſchied unter de-
nen Perſonen entweder ihrer Bildung oder ihren
Gemuͤths-Neigungen nach machet/ aber doch
alſobald bey denenjenigen/ auff die man mit ſei-
ner Liebe faͤllet/ zugleich auff die Vereinigung
des Leibes/ oder wohl gar einig und alleine
auff dieſe/ ohne Vereinigung des Willens
oder der Seelen zielet. Und von dieſer letzten
muͤſſen wir fuͤrnehmlich etwas mehrers reden.
32. Denn
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/202>, abgerufen am 16.02.2025. |