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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Liebe anderer Menschen überharpt.
24.

Und obschon das folgende Capitel sagen
wird/ daß man alle Menschen lieben solle/ so ist
doch erstlich ein Unterscheid zwischen der allge-
meinen Liebe
und absonderlichen/ wie wir
zu seiner Zeit sehen werden; Ja auch die allge-
meine zielet dahin/ daß du ihn seine Jrrthümer
und Laster benehmest/ und ist also wenn man
sie gegen einen Lasterhafften ausübet/ mehr eine
Liebe Bedingungsweise/ wenn er sich nehmlich
seiner Laster werde begeben haben/ als schlech-
ter Dinge zu nennen Und wenn du in deinen
Gemüthe versichert bist/ daß du dieses haupt-
sächlich indendirest/ auch mit deinem Thun und
Lassen nicht offenbahr das Gegentheil darthust/
so wil ich auch eine dergleichen Liebe nicht vor un-
vernünfftig halten.

25.

(III) Jst auch die Liebe unvernünfftig
in Ansehung der Art und Weise/ die man in
der Vereinigung sucht: Wenn man nehmlich
die Vereinigung die GOtt gehöret/ denen Men-
schen zueignet/ oder mit GOtt sich auff die Art
zuvereinigen sucht/ wie man sich mit Menschen
und Bestien vereinigen solte/ u. s. w.

26

Solcher gestalt aber werden wir in dieser
Classe 6. Arten von unvernünfftigen Lieben ha-
ben: (1) Wenn man in der Liebe gegen GOtt
verlanget/ GOTT solle seinen Willen bloß
nach dem unserigen
richten/ welche Liebe bey
allen Aberglaubischen Leuten anzutreffen ist.
(2) Wenn man wünschet/ GOTT solle seinen

Wil-
L 4
Liebe anderer Menſchen uͤberharpt.
24.

Und obſchon das folgende Capitel ſagen
wird/ daß man alle Menſchen lieben ſolle/ ſo iſt
doch erſtlich ein Unterſcheid zwiſchen der allge-
meinen Liebe
und abſonderlichen/ wie wir
zu ſeiner Zeit ſehen werden; Ja auch die allge-
meine zielet dahin/ daß du ihn ſeine Jrrthuͤmer
und Laſter benehmeſt/ und iſt alſo wenn man
ſie gegen einen Laſterhafften ausuͤbet/ mehr eine
Liebe Bedingungsweiſe/ wenn er ſich nehmlich
ſeiner Laſter werde begeben haben/ als ſchlech-
ter Dinge zu nennen Und wenn du in deinen
Gemuͤthe verſichert biſt/ daß du dieſes haupt-
ſaͤchlich indendireſt/ auch mit deinem Thun und
Laſſen nicht offenbahr das Gegentheil darthuſt/
ſo wil ich auch eine dergleichen Liebe nicht vor un-
vernuͤnfftig halten.

25.

(III) Jſt auch die Liebe unvernuͤnfftig
in Anſehung der Art und Weiſe/ die man in
der Vereinigung ſucht: Wenn man nehmlich
die Vereinigung die GOtt gehoͤret/ denen Men-
ſchen zueignet/ oder mit GOtt ſich auff die Art
zuvereinigen ſucht/ wie man ſich mit Menſchen
und Beſtien vereinigen ſolte/ u. ſ. w.

26

Solcher geſtalt aber werden wir in dieſer
Claſſe 6. Arten von unvernuͤnfftigen Lieben ha-
ben: (1) Wenn man in der Liebe gegen GOtt
verlanget/ GOTT ſolle ſeinen Willen bloß
nach dem unſerigen
richten/ welche Liebe bey
allen Aberglaubiſchen Leuten anzutreffen iſt.
(2) Wenn man wuͤnſchet/ GOTT ſolle ſeinen

Wil-
L 4
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[167/0199] Liebe anderer Menſchen uͤberharpt. 24. Und obſchon das folgende Capitel ſagen wird/ daß man alle Menſchen lieben ſolle/ ſo iſt doch erſtlich ein Unterſcheid zwiſchen der allge- meinen Liebe und abſonderlichen/ wie wir zu ſeiner Zeit ſehen werden; Ja auch die allge- meine zielet dahin/ daß du ihn ſeine Jrrthuͤmer und Laſter benehmeſt/ und iſt alſo wenn man ſie gegen einen Laſterhafften ausuͤbet/ mehr eine Liebe Bedingungsweiſe/ wenn er ſich nehmlich ſeiner Laſter werde begeben haben/ als ſchlech- ter Dinge zu nennen Und wenn du in deinen Gemuͤthe verſichert biſt/ daß du dieſes haupt- ſaͤchlich indendireſt/ auch mit deinem Thun und Laſſen nicht offenbahr das Gegentheil darthuſt/ ſo wil ich auch eine dergleichen Liebe nicht vor un- vernuͤnfftig halten. 25. (III) Jſt auch die Liebe unvernuͤnfftig in Anſehung der Art und Weiſe/ die man in der Vereinigung ſucht: Wenn man nehmlich die Vereinigung die GOtt gehoͤret/ denen Men- ſchen zueignet/ oder mit GOtt ſich auff die Art zuvereinigen ſucht/ wie man ſich mit Menſchen und Beſtien vereinigen ſolte/ u. ſ. w. 26 Solcher geſtalt aber werden wir in dieſer Claſſe 6. Arten von unvernuͤnfftigen Lieben ha- ben: (1) Wenn man in der Liebe gegen GOtt verlanget/ GOTT ſolle ſeinen Willen bloß nach dem unſerigen richten/ welche Liebe bey allen Aberglaubiſchen Leuten anzutreffen iſt. (2) Wenn man wuͤnſchet/ GOTT ſolle ſeinen Wil- L 4

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/199>, abgerufen am 25.11.2024.