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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Ursprung aller menschl. Glückseel.
suche/ sondern dasjenige/ was seiner ihm selbst
gelassenen Vernunfft wohl in Ewigkeit unerkannt
bleiben wird/ auch als ein unerkanntes Ding
aussetze/ und davon stetswehrend/ als von ei-
nen verwunderungs-vollen Geheimniß mit ge-
bierender Ehrerbietung rede/ oder die Erkäntniß
dieses Geheimnisses bey einem höhern Lichte
suche.

14.

So hätten auch hiernechst die sich selbst
verblendenden Heyden gantz handgreifflich er-
kennen können/ daß täglich ja augenblicklich aus
nichts etwas werde/ und aus etwas nichts/

wenn sie nur ein wenig ihr eigenes und anderer
ihres gleichen veränderlicher Dinge Seyn und
Wesen (existentiam & essentiam) betrachten
wollen.

15.

Wir haben oben in der Vernunfft-Leh-
re gedacht/ daß die Existenz dreyerley sey/ ver-
gangen/ gegenwärtig
und Zukünfftig. Die
vergangene ware etwas und ist nichts/ die ge-
genwärtige
ist nichts und wird etwas seyn.
Zukünfftige ist nichts und wird etwas seyn.
Und weil dann nun von diesen existentien alle
Augenblick immer eine auff die andere folget/ so
ist ja unstreitig/ daß auch alle Augenblick aus
nichts etwas und aus etwas nichts werde.

16.

Was die Essentz oder das Wesen be-
trifft/ so wird einen jeden Menschen seine Ver-
nunfft wiederum überzeugen/ daß z. e. von dem
Bäumgen daraus hernach ein Baum worden

und

Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeel.
ſuche/ ſondern dasjenige/ was ſeiner ihm ſelbſt
gelaſſenen Vernunfft wohl in Ewigkeit unerkannt
bleiben wird/ auch als ein unerkanntes Ding
ausſetze/ und davon ſtetswehrend/ als von ei-
nen verwunderungs-vollen Geheimniß mit ge-
bierender Ehrerbietung rede/ oder die Erkaͤntniß
dieſes Geheimniſſes bey einem hoͤhern Lichte
ſuche.

14.

So haͤtten auch hiernechſt die ſich ſelbſt
verblendenden Heyden gantz handgreifflich er-
kennen koͤnnen/ daß taͤglich ja augenblicklich aus
nichts etwas werde/ und aus etwas nichts/

wenn ſie nur ein wenig ihr eigenes und anderer
ihres gleichen veraͤnderlicher Dinge Seyn und
Weſen (exiſtentiam & eſſentiam) betrachten
wollen.

15.

Wir haben oben in der Vernunfft-Leh-
re gedacht/ daß die Exiſtenz dreyerley ſey/ ver-
gangen/ gegenwaͤrtig
und Zukuͤnfftig. Die
vergangene ware etwas und iſt nichts/ die ge-
genwaͤrtige
iſt nichts und wird etwas ſeyn.
Zukuͤnfftige iſt nichts und wird etwas ſeyn.
Und weil dann nun von dieſen exiſtentien alle
Augenblick immer eine auff die andere folget/ ſo
iſt ja unſtreitig/ daß auch alle Augenblick aus
nichts etwas und aus etwas nichts werde.

16.

Was die Eſſentz oder das Weſen be-
trifft/ ſo wird einen jeden Menſchen ſeine Ver-
nunfft wiederum uͤberzeugen/ daß z. e. von dem
Baͤumgen daraus hernach ein Baum worden

und
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[125/0157] Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeel. ſuche/ ſondern dasjenige/ was ſeiner ihm ſelbſt gelaſſenen Vernunfft wohl in Ewigkeit unerkannt bleiben wird/ auch als ein unerkanntes Ding ausſetze/ und davon ſtetswehrend/ als von ei- nen verwunderungs-vollen Geheimniß mit ge- bierender Ehrerbietung rede/ oder die Erkaͤntniß dieſes Geheimniſſes bey einem hoͤhern Lichte ſuche. 14. So haͤtten auch hiernechſt die ſich ſelbſt verblendenden Heyden gantz handgreifflich er- kennen koͤnnen/ daß taͤglich ja augenblicklich aus nichts etwas werde/ und aus etwas nichts/ wenn ſie nur ein wenig ihr eigenes und anderer ihres gleichen veraͤnderlicher Dinge Seyn und Weſen (exiſtentiam & eſſentiam) betrachten wollen. 15. Wir haben oben in der Vernunfft-Leh- re gedacht/ daß die Exiſtenz dreyerley ſey/ ver- gangen/ gegenwaͤrtig und Zukuͤnfftig. Die vergangene ware etwas und iſt nichts/ die ge- genwaͤrtige iſt nichts und wird etwas ſeyn. Zukuͤnfftige iſt nichts und wird etwas ſeyn. Und weil dann nun von dieſen exiſtentien alle Augenblick immer eine auff die andere folget/ ſo iſt ja unſtreitig/ daß auch alle Augenblick aus nichts etwas und aus etwas nichts werde. 16. Was die Eſſentz oder das Weſen be- trifft/ ſo wird einen jeden Menſchen ſeine Ver- nunfft wiederum uͤberzeugen/ daß z. e. von dem Baͤumgen daraus hernach ein Baum worden und

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/157>, abgerufen am 04.03.2025.