Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Ursprung aller menfchl. Glückseeligk. unter allen Guten ihm beraubet/ ob wir schonbehauptet haben/ daß die gröste Glückseligkeit des Menschen in seiner Gemüths-Ruhe bestehe. GOTT ist der Geber alles Guten/ und al- so vortrefflicher als alle seine Gaben. Jm vor- hergehenden Capitel aber haben wir untersu- chet/ welche unter allen Gaben die allervor- trefflichste und die aller edelste sey. Nachdem wir nun dieselbige erkennet/ müssen wir nicht denen Schweinen gleichen/ die sich ohne Be- trachtung derer Frucht tragenden Eichen mit de- nen Eicheln mästen; sondern unsere Gedancken allerdings in die Höhe schwingen/ und GOTT als den Geber alles Guten/ und folglich auch der Gemüths-Ruhe als der grösten Glückseeligkeit ein wenig genauer betrachten/ zumahlen da wir so dann gar leichtlich erkennen werden/ daß wir ohne diese nöthige Erkäntniß nicht einmahl die obbeschriebene Gemüts-Ruhe rechtschaf- fen begreiffen oder besitzen können. 3. Laß uns aber allhier ein wenig stille ste- Nah-
Urſprung aller menfchl. Gluͤckſeeligk. unter allen Guten ihm beraubet/ ob wir ſchonbehauptet haben/ daß die groͤſte Gluͤckſeligkeit des Menſchen in ſeiner Gemuͤths-Ruhe beſtehe. GOTT iſt der Geber alles Guten/ und al- ſo vortrefflicher als alle ſeine Gaben. Jm vor- hergehenden Capitel aber haben wir unterſu- chet/ welche unter allen Gaben die allervor- trefflichſte und die aller edelſte ſey. Nachdem wir nun dieſelbige erkennet/ muͤſſen wir nicht denen Schweinen gleichen/ die ſich ohne Be- trachtung derer Frucht tragenden Eichen mit de- nen Eicheln maͤſten; ſondern unſere Gedancken allerdings in die Hoͤhe ſchwingen/ und GOTT als den Geber alles Guten/ und folglich auch der Gemuͤths-Ruhe als der groͤſten Gluͤckſeeligkeit ein wenig genauer betrachten/ zumahlen da wir ſo dann gar leichtlich erkennen werden/ daß wir ohne dieſe noͤthige Erkaͤntniß nicht einmahl die obbeſchriebene Gemuͤts-Ruhe rechtſchaf- fen begreiffen oder beſitzen koͤnnen. 3. Laß uns aber allhier ein wenig ſtille ſte- Nah-
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Urſprung aller menfchl. Gluͤckſeeligk.
unter allen Guten ihm beraubet/ ob wir ſchon
behauptet haben/ daß die groͤſte Gluͤckſeligkeit
des Menſchen in ſeiner Gemuͤths-Ruhe beſtehe.
GOTT iſt der Geber alles Guten/ und al-
ſo vortrefflicher als alle ſeine Gaben. Jm vor-
hergehenden Capitel aber haben wir unterſu-
chet/ welche unter allen Gaben die allervor-
trefflichſte und die aller edelſte ſey. Nachdem
wir nun dieſelbige erkennet/ muͤſſen wir nicht
denen Schweinen gleichen/ die ſich ohne Be-
trachtung derer Frucht tragenden Eichen mit de-
nen Eicheln maͤſten; ſondern unſere Gedancken
allerdings in die Hoͤhe ſchwingen/ und GOTT
als den Geber alles Guten/ und folglich auch der
Gemuͤths-Ruhe als der groͤſten Gluͤckſeeligkeit
ein wenig genauer betrachten/ zumahlen da wir
ſo dann gar leichtlich erkennen werden/ daß wir
ohne dieſe noͤthige Erkaͤntniß nicht einmahl
die obbeſchriebene Gemuͤts-Ruhe rechtſchaf-
fen begreiffen oder beſitzen koͤnnen.
3. Laß uns aber allhier ein wenig ſtille ſte-
hen/ und zufoͤrderſt ſehen/ was uns das Licht der
geſunden Vernunfft ohne Beytrag goͤttlicher
Offenbahrung von GOTT ſage/ damit wir
nicht eines Theils durch Vermiſchung unſerer
Vernunfft mit der heiligen Offenbahrung/ von
denen groͤſten Geheimniſſen auff eine unver-
nuͤnfftiger Weiſe etwas herplaudern/ anders
Theils aber durch das Vo rurtheil einer allzu-
uͤberwitzigen Weißheit einge nommen/ unter dem
Nah-
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/151>, abgerufen am 16.02.2025. |