Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Glückseeligkeit des Menschen. aus dem Hertzen kommen/ und zwar durch dieäusserliche Thaten bezeiget worden; aber wenn die äusserlichen Thaten von dieser innerlichen Liebe entblöset sind/ ist ein Mensche höchst un- glücklich/ weil er als ein allgemeiner Betrieger auch von jederman wieder betrogen zu werden befahren muß/ ja weil er sich selbst durch diese an- gewöhnte Gleißnerey am meisten betriget/ und in der That ein Heuchler/ deshalben viel elender ist als einer der offentlich in Lastern lebet. 128. Wir haben nunmehro bey diesen Capi- 129. Aber H
Gluͤckſeeligkeit des Menſchen. aus dem Hertzen kommen/ und zwar durch dieaͤuſſerliche Thaten bezeiget worden; aber wenn die aͤuſſerlichen Thaten von dieſer innerlichen Liebe entbloͤſet ſind/ iſt ein Menſche hoͤchſt un- gluͤcklich/ weil er als ein allgemeiner Betrieger auch von jederman wieder betrogen zu werden befahren muß/ ja weil er ſich ſelbſt durch dieſe an- gewoͤhnte Gleißnerey am meiſten betriget/ und in der That ein Heuchler/ deshalben viel elender iſt als einer der offentlich in Laſtern lebet. 128. Wir haben nunmehro bey dieſen Capi- 129. Aber H
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Gluͤckſeeligkeit des Menſchen.
aus dem Hertzen kommen/ und zwar durch die
aͤuſſerliche Thaten bezeiget worden; aber wenn
die aͤuſſerlichen Thaten von dieſer innerlichen
Liebe entbloͤſet ſind/ iſt ein Menſche hoͤchſt un-
gluͤcklich/ weil er als ein allgemeiner Betrieger
auch von jederman wieder betrogen zu werden
befahren muß/ ja weil er ſich ſelbſt durch dieſe an-
gewoͤhnte Gleißnerey am meiſten betriget/ und
in der That ein Heuchler/ deshalben viel elender
iſt als einer der offentlich in Laſtern lebet.
128. Wir haben nunmehro bey dieſen Capi-
tel nichts mehr noͤthig zu erinnern/ als daß wir
dir mit wenigen noch einen Scrupel benehmen/
den du dir machen koͤnneſt/ wenn du erwegeſt/ daß
weder bey der erſten Frage/ welches menſchliche
Gut die groͤſte Gluͤckſeeligkeit ſey? noch bey der
andern von denen weſentlichen Stuͤcken der-
ſelben/ der Wohlluſt des Leibes/ in gering-
ſten nicht gedacht worden/ da doch Epicurus und
Ariſtippus das hoͤchſte Gut in der Wohlluſt des
Leibes geſucht/ ja da wir ſelbſt im vorigen Capi-
tel erwehnet/ das alles wahrhafftige Gut beln-
ſtigend ſey/ auch die Gemuͤths-Nuhe beſchrie-
ben haben/ daß ſie eine ruhige Beluſtigung
ſey/ und nur kurtz zuvor erinnert/ daß wegen
Vereinigung des Gemuͤths mit dem Leibe daſ-
ſelbige der Schmertzen des Leibes theilhafftig
werde/ und alſo ſcheinet es ja auch/ daß das Ge-
muͤthe wegen eben derſelben Urſache gleichfalls
auch die Wolluſt des Leibes empfinden muͤſſe.
129. Aber
H
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/145>, abgerufen am 04.03.2025. |