Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Glückseeligkeit des Menschen. zu etwas haben könne/ was man nicht wisse.Weil nun alle Wissenschafft dem Verstande des Menschen alleine/ nicht aber wie man träumet/ auch denen dem Verstande entgegen gesetzten Sinnligkeiten zuzuschreiben ist/ so würde gewiß der menschliche Verstand es sich selber zuzuschreiben haben/ wenn er von der sinnlichen Begierde ange- feindet würde/ weil diese Anfeindung nothwen- dig von der von dem Verstande erhaltenen Er- käntniß herrühren würde: Andere Unförmlig- keiten/ die aus dieser absurden Meinung herflies- sen/ anjetzo zu geschweigen. 55. Wir wissen vielmehr/ daß der Verstand Wille F
Gluͤckſeeligkeit des Menſchen. zu etwas haben koͤnne/ was man nicht wiſſe.Weil nun alle Wiſſenſchafft dem Verſtande des Menſchen alleine/ nicht aber wie man traͤumet/ auch denen dem Verſtande entgegen geſetzten Sinnligkeiten zuzuſchꝛeibẽ iſt/ ſo wuͤꝛde gewiß der menſchliche Verſtand es ſich ſelber zuzuſchreiben haben/ wenn er von der ſinnlichen Begierde ange- feindet wuͤrde/ weil dieſe Anfeindung nothwen- dig von der von dem Verſtande erhaltenen Er- kaͤntniß herruͤhren wuͤrde: Andere Unfoͤrmlig- keiten/ die aus dieſer abſurden Meinung herflieſ- ſen/ anjetzo zu geſchweigen. 55. Wir wiſſen vielmehr/ daß der Verſtand Wille F
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Gluͤckſeeligkeit des Menſchen.
zu etwas haben koͤnne/ was man nicht wiſſe.
Weil nun alle Wiſſenſchafft dem Verſtande des
Menſchen alleine/ nicht aber wie man traͤumet/
auch denen dem Verſtande entgegen geſetzten
Sinnligkeiten zuzuſchꝛeibẽ iſt/ ſo wuͤꝛde gewiß der
menſchliche Verſtand es ſich ſelber zuzuſchreiben
haben/ wenn er von der ſinnlichen Begierde ange-
feindet wuͤrde/ weil dieſe Anfeindung nothwen-
dig von der von dem Verſtande erhaltenen Er-
kaͤntniß herruͤhren wuͤrde: Andere Unfoͤrmlig-
keiten/ die aus dieſer abſurden Meinung herflieſ-
ſen/ anjetzo zu geſchweigen.
55. Wir wiſſen vielmehr/ daß der Verſtand
des Menſchen und ſein Wille ſtetsweh-
rend mit einander vereiniget ſeyn/ und daß
die menſchliche Seele auſſer dieſen zweyen Kraͤff-
ten keine Dritte habe/ ſondern daß die insge-
mein ſo genandte ſinnliche Begierde nichts
anders als der verderbte Verſtand und Willen
des Menſchen ſey. Wir wollen uns nur hier-
zu ihrer eigenen gemeinen Lehren bedienen. Man
ſagt der Wille trachte allezeit nothwendig nach
dem Guten/ und der Verſtand urtheile von dem
Guten/ und alſo kan es nicht fehlen/ es kan kein
Wille ohne Verſtand/ noch der Verſtand oh-
ne Willen ſeyn; ja es ſey ſo gar unfoͤrmlich/
wenn man ſage/ der Wille ſey dem Verſtande
zuwieder/ und beherſche ihn/ daß vielmehr/ wenn
wir ja in dieſer Lehre das beſagte Gleichmß brau-
chen wollen/ der Verſtand Koͤnig waͤre/ der
Wille
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