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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 2. Hauptst. von der grösten
keine Bewegung weder im Geblüte noch in de-
nen Senn-Adern vorginge.

30.

Endlich wenn die Seele sich nicht
mehr in dem menschlichen Gehirne bewe-
get/
als derer Wesen in einer steten Bewegung
bestehet/ so ist der Mensch gleichfalls kein Mensch
mehr; ja es wäre dieses eine Anzeigung/ daß
er nicht mehr lebete/ weil bey dem Leben des
Menschen in dessen Gehirne alle Bewegung
des Geblütes und zu den Senn-Adern gehörige
Geistergen praepariret werden. Wenn nun in
dem Gehirn das Haupt Bewegungs-Rad des
Menschen die Seele stockte und sich nicht be-
wegete/ wegen welches doch alle Bewegungen des
Geblütes und der Senn-Adern von dem
Schöpffer geordnet sind/ wie wolte diese praepa-
ration
darinnen vorgehen können/ und zu was
Ende solte dieselbe geschehen?

31.

Daß man aber diese dreyerley Bewe-
gungen des menschlichen Lebens nebst der Gantz-
heit der menschlichen Gliedmassen insgemein
betrachtet/ ob könten sie von einander abge-
sondert werden/
ist daher kommen/ daß man
in denen vorkommenden Einwürffen die Sa-
chen nicht genaue untersucht/ und durch eine
merckliche praecipitantz sich betrogen.

32.

Wir wollen von dem Zustand der Kin-
der in Mutter-Leibe
nicht viel sagen/ denen
etliche von denen Alten Weisen nur eine wachs-
thümliche/ andere aber auch die sinnliche/ und

noch

Das 2. Hauptſt. von der groͤſten
keine Bewegung weder im Gebluͤte noch in de-
nen Senn-Adern vorginge.

30.

Endlich wenn die Seele ſich nicht
mehr in dem menſchlichen Gehirne bewe-
get/
als derer Weſen in einer ſteten Bewegung
beſtehet/ ſo iſt der Menſch gleichfalls kein Menſch
mehr; ja es waͤre dieſes eine Anzeigung/ daß
er nicht mehr lebete/ weil bey dem Leben des
Menſchen in deſſen Gehirne alle Bewegung
des Gebluͤtes und zu den Senn-Adern gehoͤrige
Geiſtergen præpariret werden. Wenn nun in
dem Gehirn das Haupt Bewegungs-Rad des
Menſchen die Seele ſtockte und ſich nicht be-
wegete/ wegen welches doch alle Bewegungen des
Gebluͤtes und der Senn-Adern von dem
Schoͤpffer geordnet ſind/ wie wolte dieſe præpa-
ration
darinnen vorgehen koͤnnen/ und zu was
Ende ſolte dieſelbe geſchehen?

31.

Daß man aber dieſe dreyerley Bewe-
gungen des menſchlichen Lebens nebſt der Gantz-
heit der menſchlichen Gliedmaſſen insgemein
betrachtet/ ob koͤnten ſie von einander abge-
ſondert werden/
iſt daher kommen/ daß man
in denen vorkommenden Einwuͤrffen die Sa-
chen nicht genaue unterſucht/ und durch eine
merckliche præcipitantz ſich betrogen.

32.

Wir wollen von dem Zuſtand der Kin-
der in Mutter-Leibe
nicht viel ſagen/ denen
etliche von denen Alten Weiſen nur eine wachs-
thuͤmliche/ andere aber auch die ſinnliche/ und

noch
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[68/0100] Das 2. Hauptſt. von der groͤſten keine Bewegung weder im Gebluͤte noch in de- nen Senn-Adern vorginge. 30. Endlich wenn die Seele ſich nicht mehr in dem menſchlichen Gehirne bewe- get/ als derer Weſen in einer ſteten Bewegung beſtehet/ ſo iſt der Menſch gleichfalls kein Menſch mehr; ja es waͤre dieſes eine Anzeigung/ daß er nicht mehr lebete/ weil bey dem Leben des Menſchen in deſſen Gehirne alle Bewegung des Gebluͤtes und zu den Senn-Adern gehoͤrige Geiſtergen præpariret werden. Wenn nun in dem Gehirn das Haupt Bewegungs-Rad des Menſchen die Seele ſtockte und ſich nicht be- wegete/ wegen welches doch alle Bewegungen des Gebluͤtes und der Senn-Adern von dem Schoͤpffer geordnet ſind/ wie wolte dieſe præpa- ration darinnen vorgehen koͤnnen/ und zu was Ende ſolte dieſelbe geſchehen? 31. Daß man aber dieſe dreyerley Bewe- gungen des menſchlichen Lebens nebſt der Gantz- heit der menſchlichen Gliedmaſſen insgemein betrachtet/ ob koͤnten ſie von einander abge- ſondert werden/ iſt daher kommen/ daß man in denen vorkommenden Einwuͤrffen die Sa- chen nicht genaue unterſucht/ und durch eine merckliche præcipitantz ſich betrogen. 32. Wir wollen von dem Zuſtand der Kin- der in Mutter-Leibe nicht viel ſagen/ denen etliche von denen Alten Weiſen nur eine wachs- thuͤmliche/ andere aber auch die ſinnliche/ und noch

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/100>, abgerufen am 24.11.2024.