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Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].

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denn hierzu so grosse Mühe vonnöthen? und woran lieget es/ daß
wir dergleichen Proben nicht viel auffweisen können? Warhaff-
tig an denen Potentaten selbst nicht/ sondern meistentheils an der
Art selbige zu unterweisen? Jch bin versichert/ daß wenn man ei-
nen jungen Herrn von 10 biß 12. Jahren/ der nur sein Teutsch und
Frantzösisch verstünde/ anfienge täglich zwey biß drey Stunden
von diesen Materien mit einem von Ernst und Schertz gemengten
discurs zu unterhalten/ und darneben mit guter Art disponirte/
daß er noch ein paar Stunden mit Lust auff Lesung guter Historien/
auff die Geographie und Genealogien anwendete/ man würde
ohne ihm einigen Ekel vor dem Studiren noch Verdruß für denen
Gelehrten zu machen/ ingleichen ohne Beschwehrung des Ge-
dächtnisses mit vielen auswendig Lernen/ und Marter des Ver-
standes/ dasjenige zu glauben/ was man nicht verstehet/ welches
zugleich denen Menschen einen haupt-verdrießlichen Eigensinn
einflösset; ia endlich ohne Beybringung vieler nichtswürdigen
Fragen/ welche das Gehirn verwirren und keinen grössern Nu-
tzen haben/ als Ratten und Mäuse zu tödten; gleichsam spielende
und als durch den angenehmsten Zeit-Vertreib noch vor dem ach-
zehenden oder zwantzigsten Jahre dieses alles zü wege bringen
können.

Ferner/ so viel eine Privat-Person betrifft/ werden mir
verhoffentlich die Gelehrten gar gerne Beyfall geben/ daß sich sel-
bige nicht wurde schämen dürffen mit denen allergelehrtesten
Männern zu conversiren: Wenn sie erstlich die Regeln
gründlich zu
raisonniren wohl innen hätte/ ihre Gedancken
füglich und ordentlich fürzubringen wüste/ von anderer ih-
ren Schrifften ein gut
judicium fällen/ auch denenselbigen
den Ursprung ihrer irrigen Meinungen und wie weit selbi-
ge von der Richtschnur der Warheit abweichen/
mit guter
Art und Freundlichkeit darthun könte; Wenn sie hernachmahls

die

denn hierzu ſo groſſe Muͤhe vonnoͤthen? und woran lieget es/ daß
wir dergleichen Proben nicht viel auffweiſen koͤnnen? Warhaff-
tig an denen Potentaten ſelbſt nicht/ ſondern meiſtentheils an der
Art ſelbige zu unterweiſen? Jch bin verſichert/ daß wenn man ei-
nen jungen Herrn von 10 biß 12. Jahren/ der nur ſein Teutſch und
Frantzoͤſiſch verſtuͤnde/ anfienge taͤglich zwey biß drey Stunden
von dieſen Materien mit einem von Ernſt und Schertz gemengten
diſcurs zu unterhalten/ und darneben mit guter Art diſponirte/
daß er noch ein paar Stunden mit Luſt auff Leſung guter Hiſtorien/
auff die Geographie und Genealogien anwendete/ man wuͤrde
ohne ihm einigen Ekel vor dem Studiren noch Verdruß fuͤr denen
Gelehrten zu machen/ ingleichen ohne Beſchwehrung des Ge-
daͤchtniſſes mit vielen auswendig Lernen/ und Marter des Ver-
ſtandes/ dasjenige zu glauben/ was man nicht verſtehet/ welches
zugleich denen Menſchen einen haupt-verdrießlichen Eigenſinn
einfloͤſſet; ia endlich ohne Beybringung vieler nichtswuͤrdigen
Fragen/ welche das Gehirn verwirren und keinen groͤſſern Nu-
tzen haben/ als Ratten und Maͤuſe zu toͤdten; gleichſam ſpielende
und als durch den angenehmſten Zeit-Vertreib noch vor dem ach-
zehenden oder zwantzigſten Jahre dieſes alles zuͤ wege bringen
koͤnnen.

Ferner/ ſo viel eine Privat-Perſon betrifft/ werden mir
verhoffentlich die Gelehrten gar gerne Beyfall geben/ daß ſich ſel-
bige nicht wurde ſchaͤmen duͤrffen mit denen allergelehrteſten
Maͤnnern zu converſiren: Wenn ſie erſtlich die Regeln
gruͤndlich zu
raiſonniren wohl innen haͤtte/ ihre Gedancken
fuͤglich und ordentlich fuͤrzubringen wuͤſte/ von anderer ih-
ren Schrifften ein gut
judicium faͤllen/ auch denenſelbigen
den Urſprung ihrer irrigen Meinungen und wie weit ſelbi-
ge von der Richtſchnur der Warheit abweichen/
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Art und Freundlichkeit darthun koͤnte; Wenn ſie hernachmahls

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[24/0026] denn hierzu ſo groſſe Muͤhe vonnoͤthen? und woran lieget es/ daß wir dergleichen Proben nicht viel auffweiſen koͤnnen? Warhaff- tig an denen Potentaten ſelbſt nicht/ ſondern meiſtentheils an der Art ſelbige zu unterweiſen? Jch bin verſichert/ daß wenn man ei- nen jungen Herrn von 10 biß 12. Jahren/ der nur ſein Teutſch und Frantzoͤſiſch verſtuͤnde/ anfienge taͤglich zwey biß drey Stunden von dieſen Materien mit einem von Ernſt und Schertz gemengten diſcurs zu unterhalten/ und darneben mit guter Art diſponirte/ daß er noch ein paar Stunden mit Luſt auff Leſung guter Hiſtorien/ auff die Geographie und Genealogien anwendete/ man wuͤrde ohne ihm einigen Ekel vor dem Studiren noch Verdruß fuͤr denen Gelehrten zu machen/ ingleichen ohne Beſchwehrung des Ge- daͤchtniſſes mit vielen auswendig Lernen/ und Marter des Ver- ſtandes/ dasjenige zu glauben/ was man nicht verſtehet/ welches zugleich denen Menſchen einen haupt-verdrießlichen Eigenſinn einfloͤſſet; ia endlich ohne Beybringung vieler nichtswuͤrdigen Fragen/ welche das Gehirn verwirren und keinen groͤſſern Nu- tzen haben/ als Ratten und Maͤuſe zu toͤdten; gleichſam ſpielende und als durch den angenehmſten Zeit-Vertreib noch vor dem ach- zehenden oder zwantzigſten Jahre dieſes alles zuͤ wege bringen koͤnnen. Ferner/ ſo viel eine Privat-Perſon betrifft/ werden mir verhoffentlich die Gelehrten gar gerne Beyfall geben/ daß ſich ſel- bige nicht wurde ſchaͤmen duͤrffen mit denen allergelehrteſten Maͤnnern zu converſiren: Wenn ſie erſtlich die Regeln gruͤndlich zu raiſonniren wohl innen haͤtte/ ihre Gedancken fuͤglich und ordentlich fuͤrzubringen wuͤſte/ von anderer ih- ren Schrifften ein gut judicium faͤllen/ auch denenſelbigen den Urſprung ihrer irrigen Meinungen und wie weit ſelbi- ge von der Richtſchnur der Warheit abweichen/ mit guter Art und Freundlichkeit darthun koͤnte; Wenn ſie hernachmahls die

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690], S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690/26>, abgerufen am 25.11.2024.