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Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].

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set/ wie erseine Vernunfft recht gegrauchen soll/ von den Unflat
und Narrenpossen derer Schullehrer in Franckreich gesaubert/
und so viel an ihn gewesen/ sich euserst bemühet/ daß die Philoso-
phie
als ein taugliches Werckzeug derer höhern Wissenschafften
gebraucht werden könne; wiewohl mit seiner grösten Gefahr ja
mit Verlust seines Lebens. Jhme sind hierinne andere kluge
Köpffe nachgefolget/ und muß ich nur eines eintzigen zuerwehnen
gestehen/ daß des Port Royal l' Art de penser ob sie gleich
durch und durch gantz Cartesianisch ist/ dennoch sehr viel guten
Sachen in sich begreiffe/ und wohl verdiene/ daß sie von einem/
der in seinen Kopff ein wenig auffräumen will/ mit bedachtgelesen
werde. Und was müste ich für Zeit und Gelegenheit haben/
wenn ich alle die Gelehrten Frantzösischen Scribenten, welche
die Mathemathic, die Physic, die Sittenlehr und die hohen
Facultäten mit vielen unvergleichlichen Schrifften ausgebutzet
haben nur erzehlen wolte.

Dieses kan ich unangemerckt nicht lassen/ daß sie aus ei-
nem überaus klugen absehen nicht allein ihre Wercke mehren-
theils in Frantzöischer Sprache heraus geben; sondern auch den
Kern von denen Lateinischen/ Griechischen/ ja auch nach Gele-
genheit teutschen Autoren in ihre Muttersprache übersetzen;
denn dadurch wird die Gelehrsamkeit unvermerckt mit grossen
Vortheil fortgepflantzet/ wenn ein ieder das jenige/ was zu einer
klugen Wissenschafft erfordert wird in seiner Landes Sprache le-
sen kan/ und es sich nicht erst umb frembde Sprachen zuerlernen
sauer werden lassen muß. Absonderlich ist an ihren versionen
zu loben/ daß hierzu sich Leute gebrauchen lassen/ welche von män-
niglich für gelehrt und klug passiret werden müssen; auch beyder
Sprachen so wohl der Frantzösischen als der Griechischen oder La-
teinischen recht mächtig gewesen; und endlich nicht obenhin/ wie
die Schüler die argumenta zu machen pflegen/ die Autores über-

setzet/

ſet/ wie erſeine Vernunfft recht gegrauchen ſoll/ von den Unflat
und Narrenpoſſen derer Schullehrer in Franckreich geſaubert/
und ſo viel an ihn geweſen/ ſich euſerſt bemuͤhet/ daß die Philoſo-
phie
als ein taugliches Werckzeug derer hoͤhern Wiſſenſchafften
gebraucht werden koͤnne; wiewohl mit ſeiner groͤſten Gefahr ja
mit Verluſt ſeines Lebens. Jhme ſind hierinne andere kluge
Koͤpffe nachgefolget/ und muß ich nur eines eintzigen zuerwehnen
geſtehen/ daß des Port Royal l’ Art de penſer ob ſie gleich
durch und durch gantz Carteſianiſch iſt/ dennoch ſehr viel gutẽ
Sachen in ſich begreiffe/ und wohl verdiene/ daß ſie von einem/
der in ſeinen Kopff ein wenig auffraͤumen will/ mit bedachtgeleſen
werde. Und was muͤſte ich fuͤr Zeit und Gelegenheit haben/
wenn ich alle die Gelehrten Frantzoͤſiſchen Scribenten, welche
die Mathemathic, die Phyſic, die Sittenlehr und die hohen
Facultaͤten mit vielen unvergleichlichen Schrifften ausgebutzet
haben nur erzehlen wolte.

Dieſes kan ich unangemerckt nicht laſſen/ daß ſie aus ei-
nem uͤberaus klugen abſehen nicht allein ihre Wercke mehren-
theils in Frantzoͤiſcher Sprache heraus geben; ſondern auch den
Kern von denen Lateiniſchen/ Griechiſchen/ ja auch nach Gele-
genheit teutſchen Autoren in ihre Mutterſprache uͤberſetzen;
denn dadurch wird die Gelehrſamkeit unvermerckt mit groſſen
Vortheil fortgepflantzet/ wenn ein ieder das jenige/ was zu einer
klugen Wiſſenſchafft erfordert wird in ſeiner Landes Sprache le-
ſen kan/ und es ſich nicht erſt umb frembde Sprachen zuerlernen
ſauer werden laſſen muß. Abſonderlich iſt an ihren verſionen
zu loben/ daß hierzu ſich Leute gebrauchen laſſen/ welche von maͤn-
niglich fuͤr gelehrt und klug paſſiret werden muͤſſen; auch beyder
Sprachen ſo wohl der Frantzoͤſiſchen als der Griechiſchen oder La-
teiniſchen recht maͤchtig geweſen; und endlich nicht obenhin/ wie
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[14/0016] ſet/ wie erſeine Vernunfft recht gegrauchen ſoll/ von den Unflat und Narrenpoſſen derer Schullehrer in Franckreich geſaubert/ und ſo viel an ihn geweſen/ ſich euſerſt bemuͤhet/ daß die Philoſo- phie als ein taugliches Werckzeug derer hoͤhern Wiſſenſchafften gebraucht werden koͤnne; wiewohl mit ſeiner groͤſten Gefahr ja mit Verluſt ſeines Lebens. Jhme ſind hierinne andere kluge Koͤpffe nachgefolget/ und muß ich nur eines eintzigen zuerwehnen geſtehen/ daß des Port Royal l’ Art de penſer ob ſie gleich durch und durch gantz Carteſianiſch iſt/ dennoch ſehr viel gutẽ Sachen in ſich begreiffe/ und wohl verdiene/ daß ſie von einem/ der in ſeinen Kopff ein wenig auffraͤumen will/ mit bedachtgeleſen werde. Und was muͤſte ich fuͤr Zeit und Gelegenheit haben/ wenn ich alle die Gelehrten Frantzoͤſiſchen Scribenten, welche die Mathemathic, die Phyſic, die Sittenlehr und die hohen Facultaͤten mit vielen unvergleichlichen Schrifften ausgebutzet haben nur erzehlen wolte. Dieſes kan ich unangemerckt nicht laſſen/ daß ſie aus ei- nem uͤberaus klugen abſehen nicht allein ihre Wercke mehren- theils in Frantzoͤiſcher Sprache heraus geben; ſondern auch den Kern von denen Lateiniſchen/ Griechiſchen/ ja auch nach Gele- genheit teutſchen Autoren in ihre Mutterſprache uͤberſetzen; denn dadurch wird die Gelehrſamkeit unvermerckt mit groſſen Vortheil fortgepflantzet/ wenn ein ieder das jenige/ was zu einer klugen Wiſſenſchafft erfordert wird in ſeiner Landes Sprache le- ſen kan/ und es ſich nicht erſt umb frembde Sprachen zuerlernen ſauer werden laſſen muß. Abſonderlich iſt an ihren verſionen zu loben/ daß hierzu ſich Leute gebrauchen laſſen/ welche von maͤn- niglich fuͤr gelehrt und klug paſſiret werden muͤſſen; auch beyder Sprachen ſo wohl der Frantzoͤſiſchen als der Griechiſchen oder La- teiniſchen recht maͤchtig geweſen; und endlich nicht obenhin/ wie die Schuͤler die argumenta zu machẽ pflegen/ die Autores uͤber- ſetzet/

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690], S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690/16>, abgerufen am 21.11.2024.