Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].von sich prahle/ noch sich affectirter Weise verberge. Nechst oder
von ſich prahle/ noch ſich affectirter Weiſe verberge. Nechſt oder
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von ſich prahle/ noch ſich affectirter Weiſe verberge. Nechſt
dieſem ſetzet er die andere Art des beaux exprits, ſo zwar nicht
ſtudiret, aber doch durch eine lange Erfahrenheit und Conver-
ſation ſich die Geſchickligkeit zu wege bracht haben/ daß ſie wohl/
leichte/ und artig in Geſellſchafft reden/ daß ſie alles was man
ihnen ſagt/ geſchwind und ſcharffſinnig beantworten/ daß ſie ge-
ſchickte Fragen auffwerffen/ luſtige Hiſtoͤrgen erzehlen/ mit Ver-
ſtand ſchertzen/ in froͤlichen Geſellſchafften anmuthig ſpotten/ in
ernſthafften aber klug und weiſe raiſonniren, und mit kurtzen al-
lerhand Geſellſchafft belebt machen koͤñen/ oder wenn dieſelbe ver-
drißlich und ſchaͤfferig werden will/ wieder auffzumunthern wiſ-
ſen. Zu der letzten und fuͤrnehmſten Art erfordert er Leute/ die
gleichſam in Augenblick/ wenn man ihnen eine Verrichtung vor-
ſtellet/ alle Umſtaͤnde derſelben penetriren, auch das jenige zu-
vor ſehen/ was daraus entſtehen koͤnne; die alsbald die Mittel
und Wege erkennen/ wodurch man auch das ſchwerſte Vorhaben
zu Werck richte/ und alle Verhinderungen aus dem Wege raͤu-
me; die ſich auch nicht allzuviel Verhinderungen oder Zufaͤlle
vorſtellen/ welche zu nicht anders nuͤtz ſind/ als die Menſchen ohne
Noth zag-und zweiffelhafftig zu machen. Le bon gout, gleich-
wie es eigentlich einen guten und ſubtilen Geſchmack bedeutet/
und dannenhero von ſolchen Leuten gebraucht wird/ die nicht allei-
ne das was gut ſchmeckt von andern gemeinen Speiſen wol zu un-
terſcheiden wiſſen/ ſondern auch geſchwinde durch ihren ſcharffſin-
nigen Geſchmack urtheilen koͤnnen/ woran es einem eſſen mange-
le; Alſo haben die Frantzoſen nicht uneben dies Wort hernach fi-
guͤrliche Weiſe von allen denen zubrauchen angefangen/ die wohl
und vernuͤnfftig das Gute von den Boͤſen oder das artige von dem
unartigen unterſcheiden/ daß alſo den Nahmen d’ un homme
de bon gouſt der jenige verdienet/ der ſo viel die Sinnen betrifft/
zum Exempel eine artige uñ geſchickle Lieberey auszuſuchen weiß/
oder
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