Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].der Warheit nachzudencken. oben gesagt/ daß unter denen nöthigsten Sä-tzen/ von denen man zu zweiffelln müsse anfan- gen/ auch die seyn; daß ein GOtt sey/ und daß er das Wesen aller Creaturen er- halte und sie versorge. Wie nun? pflegt man hierwider einzuwenden: So soll man dem- nach auch an GOtt zweiffeln? da doch ein Mensche von Jugend auff diese unstreitige Warheit versichert ist/ daß ein GOtt sey/ und daß er alle Creaturen erhalte und sie versorge; und da diese Warheit auch denen Heyden ja so wohl in das Hertze geschrieben ist/ daß ein GOtt sey/ als daß zweymal drey sechse sind. Auff diese Weise heist man ja ausdrücklich/ daß ein vernünfftiger Mensch zum wenigsten auff eine zeitlang ein Atheiste seyn müsse. Jst dieses aber nicht eine schöne Philosophie die von der Atheisterey anfänget! 78. Aber laß dich dieses alles nicht irren. sten C 2
der Warheit nachzudencken. oben geſagt/ daß unter denen noͤthigſten Saͤ-tzen/ von denen man zu zweiffelln muͤſſe anfan- gen/ auch die ſeyn; daß ein GOtt ſey/ und daß er das Weſen aller Creaturen er- halte und ſie verſorge. Wie nun? pflegt man hierwider einzuwenden: So ſoll man dem- nach auch an GOtt zweiffeln? da doch ein Menſche von Jugend auff dieſe unſtreitige Warheit verſichert iſt/ daß ein GOtt ſey/ und daß er alle Creaturen erhalte und ſie verſorge; und da dieſe Warheit auch denen Heyden ja ſo wohl in das Hertze geſchrieben iſt/ daß ein GOtt ſey/ als daß zweymal drey ſechſe ſind. Auff dieſe Weiſe heiſt man ja ausdruͤcklich/ daß ein vernuͤnfftiger Menſch zum wenigſten auff eine zeitlang ein Atheiſte ſeyn muͤſſe. Jſt dieſes aber nicht eine ſchoͤne Philoſophie die von der Atheiſterey anfaͤnget! 78. Aber laß dich dieſes alles nicht irren. ſten C 2
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der Warheit nachzudencken.
oben geſagt/ daß unter denen noͤthigſten Saͤ-
tzen/ von denen man zu zweiffelln muͤſſe anfan-
gen/ auch die ſeyn; daß ein GOtt ſey/ und
daß er das Weſen aller Creaturen er-
halte und ſie verſorge. Wie nun? pflegt
man hierwider einzuwenden: So ſoll man dem-
nach auch an GOtt zweiffeln? da doch ein
Menſche von Jugend auff dieſe unſtreitige
Warheit verſichert iſt/ daß ein GOtt ſey/ und
daß er alle Creaturen erhalte und ſie verſorge;
und da dieſe Warheit auch denen Heyden ja
ſo wohl in das Hertze geſchrieben iſt/ daß ein
GOtt ſey/ als daß zweymal drey ſechſe ſind.
Auff dieſe Weiſe heiſt man ja ausdruͤcklich/ daß
ein vernuͤnfftiger Menſch zum wenigſten auff
eine zeitlang ein Atheiſte ſeyn muͤſſe. Jſt
dieſes aber nicht eine ſchoͤne Philoſophie die von
der Atheiſterey anfaͤnget!
78. Aber laß dich dieſes alles nicht irren.
Es wird ja wohl der Haupt-Satz von Gottes
exiſtenz und von der goͤttlichen Vorſorge al-
len Kindern von was fuͤr Religion auch die-
ſelbigen ſeyn moͤgen/ von Jugend auff impri-
miret; aber deßwegen folget noch lange nicht/
daß die Kinder dieſes eine unſtreitige War-
heit zu ſeyn verſichert waͤren/ weil der mei-
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