Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

Bild:
<< vorherige Seite

von anderer Meinungen zu urtheilen.
und alleine darinne suchen/ daß sie von denen
Autoren judiciren wollen/ und also die Pfer-
de hinter den Wagen spannen. Denn wer
gelehrt ist/ kan von andern urtheilen. Nun
wil aber jederman von andern urtheilen/ daß er
gelehrt scheine. Und solcher gestalt bemühet er
sich so ämbsig/ eine notitiam Autorum zu ac-
qvirir
en/ und die gelehrte Welt ist begierig sol-
che Bücher zu lesen/ darinnen von andern Bü-
chern judiciret wird/ oder dieselben zum wenig-
sten extrahiret werden; Da doch hierinnen
beynahe allenthalben vielfältige Praejudicia vor-
gehen.

23. Diese nun desto besser zuvermeiden/ wol-
len wir dieses als die III. Lection anmercken:
Urtheile nicht von einem Buche
wenn du es nicht gelesen hast.
Diese
Regel ist so augenscheinlich/ daß sie keines Be-
weises braucht/ weil es offenbahr ist/ daß es die
gröste Praecipitanz sey/ von einem Buche ur-
theilen wollen/ das man noch nicht gelesen/ und
dennoch begehet dieses Praejudicium fast die
gantze Welt/
und zwar auff vielerley Weise.

24. Denn anfänglich fället fast jederman
auff den Titel der Bücher. Und es ist nichts
gemeiners/ als daß der Titel das gantze

Buch
Q

von anderer Meinungen zu urtheilen.
und alleine darinne ſuchen/ daß ſie von denen
Autoren judiciren wollen/ und alſo die Pfer-
de hinter den Wagen ſpannen. Denn wer
gelehrt iſt/ kan von andern urtheilen. Nun
wil aber jederman von andern urtheilen/ daß er
gelehrt ſcheine. Und ſolcher geſtalt bemuͤhet er
ſich ſo aͤmbſig/ eine notitiam Autorum zu ac-
qvirir
en/ und die gelehrte Welt iſt begierig ſol-
che Buͤcher zu leſen/ darinnen von andern Buͤ-
chern judiciret wird/ oder dieſelben zum wenig-
ſten extrahiret werden; Da doch hierinnen
beynahe allenthalben vielfaͤltige Præjudicia vor-
gehen.

23. Dieſe nun deſto beſſer zuvermeiden/ wol-
len wir dieſes als die III. Lection anmercken:
Urtheile nicht von einem Buche
wenn du es nicht geleſen haſt.
Dieſe
Regel iſt ſo augenſcheinlich/ daß ſie keines Be-
weiſes braucht/ weil es offenbahr iſt/ daß es die
groͤſte Præcipitanz ſey/ von einem Buche ur-
theilen wollen/ das man noch nicht geleſen/ und
dennoch begehet dieſes Præjudicium faſt die
gantze Welt/
und zwar auff vielerley Weiſe.

24. Denn anfaͤnglich faͤllet faſt jederman
auff den Titel der Buͤcher. Und es iſt nichts
gemeiners/ als daß der Titel das gantze

Buch
Q
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0267" n="241"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von anderer Meinungen zu urtheilen.</hi></fw><lb/>
und alleine darinne &#x017F;uchen/ <hi rendition="#fr">daß &#x017F;ie von denen</hi><lb/><hi rendition="#aq">Autor</hi><hi rendition="#fr">en</hi> <hi rendition="#aq">judicir</hi><hi rendition="#fr">en wollen/</hi> und al&#x017F;o die Pfer-<lb/>
de hinter den Wagen &#x017F;pannen. Denn wer<lb/>
gelehrt i&#x017F;t/ kan von andern urtheilen. Nun<lb/>
wil aber jederman von andern urtheilen/ daß er<lb/>
gelehrt &#x017F;cheine. Und &#x017F;olcher ge&#x017F;talt bemu&#x0364;het er<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o a&#x0364;mb&#x017F;ig/ eine <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">notitiam Autorum</hi></hi> zu <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ac-<lb/>
qvirir</hi></hi>en/ und die gelehrte Welt i&#x017F;t begierig &#x017F;ol-<lb/>
che Bu&#x0364;cher zu le&#x017F;en/ darinnen von andern Bu&#x0364;-<lb/>
chern <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">judicir</hi></hi>et wird/ oder die&#x017F;elben zum wenig-<lb/>
&#x017F;ten <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">extrahir</hi></hi>et werden; Da doch hierinnen<lb/>
beynahe allenthalben vielfa&#x0364;ltige <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Præjudicia</hi></hi> vor-<lb/>
gehen.</p><lb/>
        <p>23. Die&#x017F;e nun de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er zuvermeiden/ wol-<lb/>
len wir die&#x017F;es als die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">III. Lection</hi></hi> anmercken:<lb/><hi rendition="#fr">Urtheile nicht von einem Buche<lb/>
wenn du es nicht gele&#x017F;en ha&#x017F;t.</hi> Die&#x017F;e<lb/>
Regel i&#x017F;t &#x017F;o augen&#x017F;cheinlich/ daß &#x017F;ie keines Be-<lb/>
wei&#x017F;es braucht/ weil es offenbahr i&#x017F;t/ daß es die<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;te <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Præcipitanz</hi></hi> &#x017F;ey/ von einem Buche ur-<lb/>
theilen wollen/ das man noch nicht gele&#x017F;en/ und<lb/>
dennoch begehet <hi rendition="#fr">die&#x017F;es</hi> <hi rendition="#aq">Præjudicium</hi> <hi rendition="#fr">fa&#x017F;t die<lb/>
gantze Welt/</hi> und zwar auff vielerley Wei&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>24. Denn anfa&#x0364;nglich fa&#x0364;llet fa&#x017F;t jederman<lb/>
auff <hi rendition="#fr">den Titel der Bu&#x0364;cher.</hi> Und es i&#x017F;t nichts<lb/>
gemeiners/ als daß der Titel das gantze<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">Q</hi></fw><fw place="bottom" type="catch">Buch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0267] von anderer Meinungen zu urtheilen. und alleine darinne ſuchen/ daß ſie von denen Autoren judiciren wollen/ und alſo die Pfer- de hinter den Wagen ſpannen. Denn wer gelehrt iſt/ kan von andern urtheilen. Nun wil aber jederman von andern urtheilen/ daß er gelehrt ſcheine. Und ſolcher geſtalt bemuͤhet er ſich ſo aͤmbſig/ eine notitiam Autorum zu ac- qviriren/ und die gelehrte Welt iſt begierig ſol- che Buͤcher zu leſen/ darinnen von andern Buͤ- chern judiciret wird/ oder dieſelben zum wenig- ſten extrahiret werden; Da doch hierinnen beynahe allenthalben vielfaͤltige Præjudicia vor- gehen. 23. Dieſe nun deſto beſſer zuvermeiden/ wol- len wir dieſes als die III. Lection anmercken: Urtheile nicht von einem Buche wenn du es nicht geleſen haſt. Dieſe Regel iſt ſo augenſcheinlich/ daß ſie keines Be- weiſes braucht/ weil es offenbahr iſt/ daß es die groͤſte Præcipitanz ſey/ von einem Buche ur- theilen wollen/ das man noch nicht geleſen/ und dennoch begehet dieſes Præjudicium faſt die gantze Welt/ und zwar auff vielerley Weiſe. 24. Denn anfaͤnglich faͤllet faſt jederman auff den Titel der Buͤcher. Und es iſt nichts gemeiners/ als daß der Titel das gantze Buch Q

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/267
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/267>, abgerufen am 26.11.2024.