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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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andere zu verstehen.
andern Person auff eine Person in specie,
oder auff eine gantz andere/ als seine Worte
zeigen/ sein Absehen nimmt.

139. Oder er sucht den Kern seiner guten
Lehre für die Einfältigen lieblich und annehm-
lich zu machen/ als wie die fabeln, die auff
das menschliche Leben und Wandel ge-
richtet sind;
oder vielleicht aus Neid oder
andern Absehen die Weißheit für denen Au-
gen des gemeinen Volcks zu verbergen; als
wie die Poetischen Fabeln und Gedichte/
die auff einen
sensum Physicum vel Chy-
micum
zielen.

140. Der Unterschied dünckt mir zwischen
der Auslegung des sensus literalis & mystici
bestehet darinnen. Zu jenen sind die obbe-
rührten Regeln
gar zulänglich/ daß auch da-
mit ein die Warheit liebender Mensch/ der
noch nicht eben so grosse profectus in der Weiß-
heit hat/ ziemlich wird fortkommen können/ aber
zu diesen wird ein scharffsinniger Mensch/ oder
der schon die Weißheit in einen hohen grad be-
sitzt/ erfordert; und zu Behuff der Auslegung
des mystischen Verstandes kan man unsere
obige Regeln eben nicht viel nutzen/ son-
dern man muß auff andere Dinge reflectiren.

141.

andere zu verſtehen.
andern Perſon auff eine Perſon in ſpecie,
oder auff eine gantz andere/ als ſeine Worte
zeigen/ ſein Abſehen nimmt.

139. Oder er ſucht den Kern ſeiner guten
Lehre fuͤr die Einfaͤltigen lieblich und annehm-
lich zu machen/ als wie die fabeln, die auff
das menſchliche Leben und Wandel ge-
richtet ſind;
oder vielleicht aus Neid oder
andern Abſehen die Weißheit fuͤr denen Au-
gen des gemeinen Volcks zu verbergen; als
wie die Poëtiſchen Fabeln und Gedichte/
die auff einen
ſenſum Phyſicum vel Chy-
micum
zielen.

140. Der Unterſchied duͤnckt mir zwiſchen
der Auslegung des ſenſus literalis & myſtici
beſtehet darinnen. Zu jenen ſind die obbe-
ruͤhrten Regeln
gar zulaͤnglich/ daß auch da-
mit ein die Warheit liebender Menſch/ der
noch nicht eben ſo groſſe profectus in der Weiß-
heit hat/ ziemlich wird fortkommen koͤnnen/ aber
zu dieſen wird ein ſcharffſinniger Menſch/ oder
der ſchon die Weißheit in einen hohen grad be-
ſitzt/ erfordert; und zu Behuff der Auslegung
des myſtiſchen Verſtandes kan man unſere
obige Regeln eben nicht viel nutzen/ ſon-
dern man muß auff andere Dinge reflectiren.

141.
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[221/0247] andere zu verſtehen. andern Perſon auff eine Perſon in ſpecie, oder auff eine gantz andere/ als ſeine Worte zeigen/ ſein Abſehen nimmt. 139. Oder er ſucht den Kern ſeiner guten Lehre fuͤr die Einfaͤltigen lieblich und annehm- lich zu machen/ als wie die fabeln, die auff das menſchliche Leben und Wandel ge- richtet ſind; oder vielleicht aus Neid oder andern Abſehen die Weißheit fuͤr denen Au- gen des gemeinen Volcks zu verbergen; als wie die Poëtiſchen Fabeln und Gedichte/ die auff einen ſenſum Phyſicum vel Chy- micum zielen. 140. Der Unterſchied duͤnckt mir zwiſchen der Auslegung des ſenſus literalis & myſtici beſtehet darinnen. Zu jenen ſind die obbe- ruͤhrten Regeln gar zulaͤnglich/ daß auch da- mit ein die Warheit liebender Menſch/ der noch nicht eben ſo groſſe profectus in der Weiß- heit hat/ ziemlich wird fortkommen koͤnnen/ aber zu dieſen wird ein ſcharffſinniger Menſch/ oder der ſchon die Weißheit in einen hohen grad be- ſitzt/ erfordert; und zu Behuff der Auslegung des myſtiſchen Verſtandes kan man unſere obige Regeln eben nicht viel nutzen/ ſon- dern man muß auff andere Dinge reflectiren. 141.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/247>, abgerufen am 22.11.2024.