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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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andere zu verstehen.
Aber deswegen muß man nicht überhaupt
für unrecht aussprechen/ wenn ein Autor in
seinen Reden auff zweyerley Verstand zielet/
so wenig als man einem Medico fürwirfft/
daß er unrecht gethan/ wenn er dem Patien-
ten die bittere Artzeney süsse eingeschwatzt/ ob
es gleich im Handel und Wandel verboten
ist/ anders zu reden/ als man es meinet.

135. Zudem so fragen wir ietzo nicht: ob
es recht oder unrecht sey/ wenn ein Autor
seine Worte auff zweyerley Art verstehen
wolle/ sondern ob derjenige etwas unver-
nünfftiges
begehe/ der eines andern seine
Worte zu weilen in zweyerley Verstande aus-
lege. Z. e. Wie offt geschiehet es/ daß einer
dem andern zweydeutige Worte gibt/ die eine
gute und schlimme Auslegung zulassen/ und
hernach dem andern/ der ihn fragen läst/ wie
er sie wolle verstanden haben/ zur Antwort
zu entbieten läst/ er möge es nehmen/ wie
er wolle.

136. Wiewohl nicht zu läugnen ist/ daß
mehrentheils ein Autor unter denen beyden
Verständen/ in welchen seine Reden können
ausgeleget werden/ auff den einen hauptsäch-
lich
gezielet/ welches man denn nach Anlei-

tung

andere zu verſtehen.
Aber deswegen muß man nicht uͤberhaupt
fuͤr unrecht ausſprechen/ wenn ein Autor in
ſeinen Reden auff zweyerley Verſtand zielet/
ſo wenig als man einem Medico fuͤrwirfft/
daß er unrecht gethan/ wenn er dem Patien-
ten die bittere Artzeney ſuͤſſe eingeſchwatzt/ ob
es gleich im Handel und Wandel verboten
iſt/ anders zu reden/ als man es meinet.

135. Zudem ſo fragen wir ietzo nicht: ob
es recht oder unrecht ſey/ wenn ein Autor
ſeine Worte auff zweyerley Art verſtehen
wolle/ ſondern ob derjenige etwas unver-
nuͤnfftiges
begehe/ der eines andern ſeine
Worte zu weilen in zweyerley Verſtande aus-
lege. Z. e. Wie offt geſchiehet es/ daß einer
dem andern zweydeutige Worte gibt/ die eine
gute und ſchlimme Auslegung zulaſſen/ und
hernach dem andern/ der ihn fragen laͤſt/ wie
er ſie wolle verſtanden haben/ zur Antwort
zu entbieten laͤſt/ er moͤge es nehmen/ wie
er wolle.

136. Wiewohl nicht zu laͤugnen iſt/ daß
mehrentheils ein Autor unter denen beyden
Verſtaͤnden/ in welchen ſeine Reden koͤnnen
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[219/0245] andere zu verſtehen. Aber deswegen muß man nicht uͤberhaupt fuͤr unrecht ausſprechen/ wenn ein Autor in ſeinen Reden auff zweyerley Verſtand zielet/ ſo wenig als man einem Medico fuͤrwirfft/ daß er unrecht gethan/ wenn er dem Patien- ten die bittere Artzeney ſuͤſſe eingeſchwatzt/ ob es gleich im Handel und Wandel verboten iſt/ anders zu reden/ als man es meinet. 135. Zudem ſo fragen wir ietzo nicht: ob es recht oder unrecht ſey/ wenn ein Autor ſeine Worte auff zweyerley Art verſtehen wolle/ ſondern ob derjenige etwas unver- nuͤnfftiges begehe/ der eines andern ſeine Worte zu weilen in zweyerley Verſtande aus- lege. Z. e. Wie offt geſchiehet es/ daß einer dem andern zweydeutige Worte gibt/ die eine gute und ſchlimme Auslegung zulaſſen/ und hernach dem andern/ der ihn fragen laͤſt/ wie er ſie wolle verſtanden haben/ zur Antwort zu entbieten laͤſt/ er moͤge es nehmen/ wie er wolle. 136. Wiewohl nicht zu laͤugnen iſt/ daß mehrentheils ein Autor unter denen beyden Verſtaͤnden/ in welchen ſeine Reden koͤnnen ausgeleget werden/ auff den einen hauptſaͤch- lich gezielet/ welches man denn nach Anlei- tung

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/245>, abgerufen am 24.11.2024.