Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

Bild:
<< vorherige Seite

Das 3. H. von der Geschickligkeit
die ihrige/ denn was können die guten Leute
dafür/ daß sie nicht so einen geübten und scharff-
sinnigen Verstand haben als wir.

61. Z. e. Beym Luciano wird erzehlet/ daß
einer sich in dem Schloß eines Tyrannen ver-
steckt habe mit der Intention, dem Tyrannen
das Leben zu nehmen/ und sein Vaterland in
Freyheit zu setzen/ als ihm aber des Tyrannen
sein Sohn am ersten in Wurff kame/ brachte
er denselbigen umb/ und ließ das Schwerd in
seinem Leibe stecken/ und verkroch sich wieder.
Bald darauff/ als der Vater seinen Sohn so
jämmerlich ermordet antraff/ schmertzte ihm
der Todt seines Kindes so sehr/ daß er sich selbst
mit eben dem Schwerd erstach. Hierauff nahm
der Thäter das blutige Schwerd/ lieff damit
unter das Volck/ und begehrte/ man solte die-
se seine That belohnen/ weil ein öffentlich Ge-
setz in derselben Stadt vermochte/ daß man
einem/ der einem Tyrannen das Leben
nehmen würde/ beschencken solte.
Und
entstund also die Frage: Ob besagtes Gesetze
auff diese seine That könte appliciret werden.
Lucianus hat keinen Fleiß gespahret/ die Aus-
legung des Gesetzes auff dieses Kerls Seite zu
lencken; aber Erasmus hat nicht weniger

Kunst

Das 3. H. von der Geſchickligkeit
die ihrige/ denn was koͤnnen die guten Leute
dafuͤr/ daß ſie nicht ſo einen geuͤbten und ſcharff-
ſinnigen Verſtand haben als wir.

61. Z. e. Beym Luciano wird erzehlet/ daß
einer ſich in dem Schloß eines Tyrannen ver-
ſteckt habe mit der Intention, dem Tyrannen
das Leben zu nehmen/ und ſein Vaterland in
Freyheit zu ſetzen/ als ihm aber des Tyrannen
ſein Sohn am erſten in Wurff kame/ brachte
er denſelbigen umb/ und ließ das Schwerd in
ſeinem Leibe ſtecken/ und verkroch ſich wieder.
Bald darauff/ als der Vater ſeinen Sohn ſo
jaͤmmerlich ermordet antraff/ ſchmertzte ihm
der Todt ſeines Kindes ſo ſehr/ daß er ſich ſelbſt
mit eben dem Schwerd erſtach. Hierauff nahm
der Thaͤter das blutige Schwerd/ lieff damit
unter das Volck/ und begehrte/ man ſolte die-
ſe ſeine That belohnen/ weil ein oͤffentlich Ge-
ſetz in derſelben Stadt vermochte/ daß man
einem/ der einem Tyrannen das Leben
nehmen wuͤrde/ beſchencken ſolte.
Und
entſtund alſo die Frage: Ob beſagtes Geſetze
auff dieſe ſeine That koͤnte appliciret werden.
Lucianus hat keinen Fleiß geſpahret/ die Aus-
legung des Geſetzes auff dieſes Kerls Seite zu
lencken; aber Eraſmus hat nicht weniger

Kunſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0204" n="178"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 3. H. von der Ge&#x017F;chickligkeit</hi></fw><lb/>
die ihrige/ denn was ko&#x0364;nnen die guten Leute<lb/>
dafu&#x0364;r/ daß &#x017F;ie nicht &#x017F;o einen geu&#x0364;bten und &#x017F;charff-<lb/>
&#x017F;innigen Ver&#x017F;tand haben als wir.</p><lb/>
        <p>61. Z. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">e.</hi></hi> Beym <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Luciano</hi></hi> wird erzehlet/ daß<lb/>
einer &#x017F;ich in dem Schloß eines Tyrannen ver-<lb/>
&#x017F;teckt habe mit der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Intention,</hi></hi> dem Tyrannen<lb/>
das Leben zu nehmen/ und &#x017F;ein Vaterland in<lb/>
Freyheit zu &#x017F;etzen/ als ihm aber des Tyrannen<lb/>
&#x017F;ein Sohn am er&#x017F;ten in Wurff kame/ brachte<lb/>
er den&#x017F;elbigen umb/ und ließ das Schwerd in<lb/>
&#x017F;einem Leibe &#x017F;tecken/ und verkroch &#x017F;ich wieder.<lb/>
Bald darauff/ als der Vater &#x017F;einen Sohn &#x017F;o<lb/>
ja&#x0364;mmerlich ermordet antraff/ &#x017F;chmertzte ihm<lb/>
der Todt &#x017F;eines Kindes &#x017F;o &#x017F;ehr/ daß er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
mit eben dem Schwerd er&#x017F;tach. Hierauff nahm<lb/>
der Tha&#x0364;ter das blutige Schwerd/ lieff damit<lb/>
unter das Volck/ und begehrte/ man &#x017F;olte die-<lb/>
&#x017F;e &#x017F;eine That belohnen/ weil ein o&#x0364;ffentlich Ge-<lb/>
&#x017F;etz in der&#x017F;elben Stadt vermochte/ <hi rendition="#fr">daß man<lb/>
einem/ der einem Tyrannen das Leben<lb/>
nehmen wu&#x0364;rde/ be&#x017F;chencken &#x017F;olte.</hi> Und<lb/>
ent&#x017F;tund al&#x017F;o die Frage: Ob be&#x017F;agtes Ge&#x017F;etze<lb/>
auff die&#x017F;e <hi rendition="#fr">&#x017F;eine That</hi> ko&#x0364;nte <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">appliciret</hi></hi> werden.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Lucianus</hi></hi> hat keinen Fleiß ge&#x017F;pahret/ die Aus-<lb/>
legung des Ge&#x017F;etzes auff die&#x017F;es Kerls Seite zu<lb/>
lencken; aber <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Era&#x017F;mus</hi></hi> hat nicht weniger<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kun&#x017F;t</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0204] Das 3. H. von der Geſchickligkeit die ihrige/ denn was koͤnnen die guten Leute dafuͤr/ daß ſie nicht ſo einen geuͤbten und ſcharff- ſinnigen Verſtand haben als wir. 61. Z. e. Beym Luciano wird erzehlet/ daß einer ſich in dem Schloß eines Tyrannen ver- ſteckt habe mit der Intention, dem Tyrannen das Leben zu nehmen/ und ſein Vaterland in Freyheit zu ſetzen/ als ihm aber des Tyrannen ſein Sohn am erſten in Wurff kame/ brachte er denſelbigen umb/ und ließ das Schwerd in ſeinem Leibe ſtecken/ und verkroch ſich wieder. Bald darauff/ als der Vater ſeinen Sohn ſo jaͤmmerlich ermordet antraff/ ſchmertzte ihm der Todt ſeines Kindes ſo ſehr/ daß er ſich ſelbſt mit eben dem Schwerd erſtach. Hierauff nahm der Thaͤter das blutige Schwerd/ lieff damit unter das Volck/ und begehrte/ man ſolte die- ſe ſeine That belohnen/ weil ein oͤffentlich Ge- ſetz in derſelben Stadt vermochte/ daß man einem/ der einem Tyrannen das Leben nehmen wuͤrde/ beſchencken ſolte. Und entſtund alſo die Frage: Ob beſagtes Geſetze auff dieſe ſeine That koͤnte appliciret werden. Lucianus hat keinen Fleiß geſpahret/ die Aus- legung des Geſetzes auff dieſes Kerls Seite zu lencken; aber Eraſmus hat nicht weniger Kunſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/204
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/204>, abgerufen am 25.11.2024.