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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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andere zu verstehen.
den; sondern es heisset dißfalls: Jeder ist sei-
ner Worte bester Ausleger.

29. Wiewohl auch dißfalls ein grosser Un-
terscheid
unter denen Personen zu machen ist.
Ein Ober-Herr kan seine Worte auslegen/
auch wider die Regeln gemeiner Auslegung/
denn da heisset es: daß diese jener weichen müs-
se/ qvod interpretatio doctrinalis debeat
cedere avthenticae.

30. Aber wenn man mit seines gleichen zu
thun/ muß gemeiniglich die Auslegung dessen
der die Worte geschrieben/ denen Grund-Re-
geln der gemeinen Auslegung
gemäß seyn/
sonst wird er für einen Betrüger oder Sophi-
sten
gehalten.

31. Jch habe ferner gesagt: die Auslegung
solle erklären/ was ein anderer habe verstehen
wollen/
denn man ist hier nicht so wohl be-
sorgt/ die Warheit von eines andern seiner
Meinung/ als nur die Meinung an und vor
sich selbst zu erklähren/ sie mag nun wahr
seyn oder nicht. Nach dem weiteren Ver-
stande aber würde man z. e. denjenigen einen
Ausleger nennen/ der die propositiones Eu-
clidis demonstrirete.

32. Alle Auslegung hat mit dunckelen Re-

den
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andere zu verſtehen.
den; ſondern es heiſſet dißfalls: Jeder iſt ſei-
ner Worte beſter Ausleger.

29. Wiewohl auch dißfalls ein groſſer Un-
terſcheid
unter denen Perſonen zu machen iſt.
Ein Ober-Herr kan ſeine Worte auslegen/
auch wider die Regeln gemeiner Auslegung/
denn da heiſſet es: daß dieſe jener weichen muͤſ-
ſe/ qvod interpretatio doctrinalis debeat
cedere avthenticæ.

30. Aber wenn man mit ſeines gleichen zu
thun/ muß gemeiniglich die Auslegung deſſen
der die Worte geſchrieben/ denen Grund-Re-
geln der gemeinen Auslegung
gemaͤß ſeyn/
ſonſt wird er fuͤr einen Betruͤger oder Sophi-
ſten
gehalten.

31. Jch habe ferner geſagt: die Auslegung
ſolle erklaͤren/ was ein anderer habe verſtehen
wollen/
denn man iſt hier nicht ſo wohl be-
ſorgt/ die Warheit von eines andern ſeiner
Meinung/ als nur die Meinung an und vor
ſich ſelbſt zu erklaͤhren/ ſie mag nun wahr
ſeyn oder nicht. Nach dem weiteren Ver-
ſtande aber wuͤrde man z. e. denjenigen einen
Ausleger nennen/ der die propoſitiones Eu-
clidis demonſtrirete.

32. Alle Auslegung hat mit dunckelen Re-

den
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[165/0191] andere zu verſtehen. den; ſondern es heiſſet dißfalls: Jeder iſt ſei- ner Worte beſter Ausleger. 29. Wiewohl auch dißfalls ein groſſer Un- terſcheid unter denen Perſonen zu machen iſt. Ein Ober-Herr kan ſeine Worte auslegen/ auch wider die Regeln gemeiner Auslegung/ denn da heiſſet es: daß dieſe jener weichen muͤſ- ſe/ qvod interpretatio doctrinalis debeat cedere avthenticæ. 30. Aber wenn man mit ſeines gleichen zu thun/ muß gemeiniglich die Auslegung deſſen der die Worte geſchrieben/ denen Grund-Re- geln der gemeinen Auslegung gemaͤß ſeyn/ ſonſt wird er fuͤr einen Betruͤger oder Sophi- ſten gehalten. 31. Jch habe ferner geſagt: die Auslegung ſolle erklaͤren/ was ein anderer habe verſtehen wollen/ denn man iſt hier nicht ſo wohl be- ſorgt/ die Warheit von eines andern ſeiner Meinung/ als nur die Meinung an und vor ſich ſelbſt zu erklaͤhren/ ſie mag nun wahr ſeyn oder nicht. Nach dem weiteren Ver- ſtande aber wuͤrde man z. e. denjenigen einen Ausleger nennen/ der die propoſitiones Eu- clidis demonſtrirete. 32. Alle Auslegung hat mit dunckelen Re- den L 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/191>, abgerufen am 25.11.2024.