Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

Bild:
<< vorherige Seite

Das 3. H von der Geschickligkeit
in Wercken als Worten. Und leere Worte
zeigen nothwendig eine Geringachtung dessen
an/ dem man selbige giebet.

18. (6.) Erweise ihm alle ersinnliche Eh-
re/ und entzeuch ihm die Ehrerbietung
nicht/ die man seines gleichen erweiset/
wenn man nicht ohnhöfflich seyn will.

Denn alle vernünfftige Liebe/ auch unter glei-
chen Personen/ sol mit einer Ehrerbietung
vergesellschafftet seyn/ geschweige denn gegen ei-
nem Lehrer/ dem dieser sein Stand einen gros-
sen Vorzug vor seinem Zuhörer giebt.

19. Das/ was wir bißher erwehnet/ gehet
diejenigen fürnehmlich an/ derer mündlichen
Unterweisung
du geniessest. Was aber die-
jenigen betrifft/ aus derer Schrifften du pro-
fitiren
wilst; so mustu für allen Dingen die
Grundregeln wissen/ nach welchen man ande-
rer Leute Meinungen verstehen soll. Wer dieses
kan/ wird ein guter Ausleger (bonus In-
terpres
) und die Kunst an sich selber eine Ge-
schickligkeit was auszulegen
(habitus inter-
pretandi
) genennet.

20. Diese Regeln hastu eben bey dem/ der
dich mündlich unterweiset/ nicht vonnöthen/
weil du ihn allezeit selbst fragen kanst/ jedoch

wol-

Das 3. H von der Geſchickligkeit
in Wercken als Worten. Und leere Worte
zeigen nothwendig eine Geringachtung deſſen
an/ dem man ſelbige giebet.

18. (6.) Erweiſe ihm alle erſinnliche Eh-
re/ und entzeuch ihm die Ehrerbietung
nicht/ die man ſeines gleichen erweiſet/
wenn man nicht ohnhoͤfflich ſeyn will.

Denn alle vernuͤnfftige Liebe/ auch unter glei-
chen Perſonen/ ſol mit einer Ehrerbietung
vergeſellſchafftet ſeyn/ geſchweige denn gegen ei-
nem Lehrer/ dem dieſer ſein Stand einen groſ-
ſen Vorzug vor ſeinem Zuhoͤrer giebt.

19. Das/ was wir bißher erwehnet/ gehet
diejenigen fuͤrnehmlich an/ derer muͤndlichen
Unterweiſung
du genieſſeſt. Was aber die-
jenigen betrifft/ aus derer Schrifften du pro-
fitiren
wilſt; ſo muſtu fuͤr allen Dingen die
Grundregeln wiſſen/ nach welchen man ande-
rer Leute Meinungen verſtehen ſoll. Wer dieſes
kan/ wird ein guter Ausleger (bonus In-
terpres
) und die Kunſt an ſich ſelber eine Ge-
ſchickligkeit was auszulegen
(habitus inter-
pretandi
) genennet.

20. Dieſe Regeln haſtu eben bey dem/ der
dich muͤndlich unterweiſet/ nicht vonnoͤthen/
weil du ihn allezeit ſelbſt fragen kanſt/ jedoch

wol-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0188" n="162"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 3. H von der Ge&#x017F;chickligkeit</hi></fw><lb/>
in Wercken als Worten. Und leere Worte<lb/>
zeigen nothwendig eine Geringachtung de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
an/ dem man &#x017F;elbige giebet.</p><lb/>
        <p>18. (6.) <hi rendition="#fr">Erwei&#x017F;e ihm alle er&#x017F;innliche Eh-<lb/>
re/ und entzeuch ihm die Ehrerbietung<lb/>
nicht/ die man &#x017F;eines gleichen erwei&#x017F;et/<lb/>
wenn man nicht ohnho&#x0364;fflich &#x017F;eyn will.</hi><lb/>
Denn alle vernu&#x0364;nfftige Liebe/ auch unter glei-<lb/>
chen Per&#x017F;onen/ &#x017F;ol mit einer Ehrerbietung<lb/>
verge&#x017F;ell&#x017F;chafftet &#x017F;eyn/ ge&#x017F;chweige denn gegen ei-<lb/>
nem Lehrer/ dem die&#x017F;er &#x017F;ein Stand einen gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Vorzug vor &#x017F;einem Zuho&#x0364;rer giebt.</p><lb/>
        <p>19. Das/ was wir bißher erwehnet/ gehet<lb/>
diejenigen fu&#x0364;rnehmlich an/ <hi rendition="#fr">derer mu&#x0364;ndlichen<lb/>
Unterwei&#x017F;ung</hi> du genie&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t. Was aber die-<lb/>
jenigen betrifft/ aus <hi rendition="#fr">derer Schrifften</hi> du <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">pro-<lb/>
fitiren</hi></hi> wil&#x017F;t; &#x017F;o mu&#x017F;tu fu&#x0364;r allen Dingen die<lb/>
Grundregeln wi&#x017F;&#x017F;en/ nach welchen man ande-<lb/>
rer Leute Meinungen ver&#x017F;tehen &#x017F;oll. Wer die&#x017F;es<lb/>
kan/ wird <hi rendition="#fr">ein guter Ausleger</hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">bonus In-<lb/>
terpres</hi></hi>) und die Kun&#x017F;t an &#x017F;ich &#x017F;elber <hi rendition="#fr">eine Ge-<lb/>
&#x017F;chickligkeit was auszulegen</hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">habitus inter-<lb/>
pretandi</hi></hi>) genennet.</p><lb/>
        <p>20. Die&#x017F;e Regeln ha&#x017F;tu eben bey dem/ der<lb/>
dich <hi rendition="#fr">mu&#x0364;ndlich</hi> unterwei&#x017F;et/ nicht vonno&#x0364;then/<lb/>
weil du ihn allezeit &#x017F;elb&#x017F;t fragen kan&#x017F;t/ jedoch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wol-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0188] Das 3. H von der Geſchickligkeit in Wercken als Worten. Und leere Worte zeigen nothwendig eine Geringachtung deſſen an/ dem man ſelbige giebet. 18. (6.) Erweiſe ihm alle erſinnliche Eh- re/ und entzeuch ihm die Ehrerbietung nicht/ die man ſeines gleichen erweiſet/ wenn man nicht ohnhoͤfflich ſeyn will. Denn alle vernuͤnfftige Liebe/ auch unter glei- chen Perſonen/ ſol mit einer Ehrerbietung vergeſellſchafftet ſeyn/ geſchweige denn gegen ei- nem Lehrer/ dem dieſer ſein Stand einen groſ- ſen Vorzug vor ſeinem Zuhoͤrer giebt. 19. Das/ was wir bißher erwehnet/ gehet diejenigen fuͤrnehmlich an/ derer muͤndlichen Unterweiſung du genieſſeſt. Was aber die- jenigen betrifft/ aus derer Schrifften du pro- fitiren wilſt; ſo muſtu fuͤr allen Dingen die Grundregeln wiſſen/ nach welchen man ande- rer Leute Meinungen verſtehen ſoll. Wer dieſes kan/ wird ein guter Ausleger (bonus In- terpres) und die Kunſt an ſich ſelber eine Ge- ſchickligkeit was auszulegen (habitus inter- pretandi) genennet. 20. Dieſe Regeln haſtu eben bey dem/ der dich muͤndlich unterweiſet/ nicht vonnoͤthen/ weil du ihn allezeit ſelbſt fragen kanſt/ jedoch wol-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/188
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/188>, abgerufen am 22.11.2024.