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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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Das 2. H. von der Geschickligkeit
schen zu der Tugend eine Lust zu machen/ wenn
nicht erst der Verstand ausgebessert ist. Und
der Verstand kan nicht ausgebessert werden/
wenn man denen Leuten keine Lust und atten-
tion
macht. Und also siehestu/ daß wir uns
um einen Kreiß herumb ängstigen/ und nicht
sehen/ wo wir durchkommen können. Aber
laß uns ietzo noch die andern Ursachen erwe-
gen/ die die jungen Leute von der Liebe zur Weiß-
heit abwendig machen.

93. Denn gesetzt/ daß ein junger Mensch e-
ben in der Wollust und Müßiggang noch nicht
so sehr vertiefft sey/ daß er ohne Verdruß davon
nicht wieder zurücke gezogen werden könte; so
ist es doch kein Zweiffel/ daß es nicht genung
sey/ ihme eine Lust zum studieren zu machen/
wenn er sich dasselbige nicht eben als was
schlimmes und schädliches einbildet/ aber auch
dabey 3. Dasselbige auch für nichts gutes
und nützliches hält/
sondern in seinen Werth
und Unwerth beruhen läst/ zumahl wenn er ein
wenig die vielfältigen bey der Gelahrheit
mit unterlauffenden Eitelkeiten
beobachtet/
und daß manchmahl ein Schuster oder Schnei-
der/ oder ein noch wohl geringerer Mann/ der
einen guten natürlichen Verstand hat/ nach sei-

nem

Das 2. H. von der Geſchickligkeit
ſchen zu der Tugend eine Luſt zu machen/ weñ
nicht erſt der Verſtand ausgebeſſert iſt. Und
der Verſtand kan nicht ausgebeſſert werden/
wenn man denen Leuten keine Luſt und atten-
tion
macht. Und alſo ſieheſtu/ daß wir uns
um einen Kreiß herumb aͤngſtigen/ und nicht
ſehen/ wo wir durchkommen koͤnnen. Aber
laß uns ietzo noch die andern Urſachen erwe-
gen/ die die jungen Leute von der Liebe zur Weiß-
heit abwendig machen.

93. Denn geſetzt/ daß ein junger Menſch e-
ben in der Wolluſt und Muͤßiggang noch nicht
ſo ſehr vertiefft ſey/ daß er ohne Verdruß davon
nicht wieder zuruͤcke gezogen werden koͤnte; ſo
iſt es doch kein Zweiffel/ daß es nicht genung
ſey/ ihme eine Luſt zum ſtudieren zu machen/
wenn er ſich daſſelbige nicht eben als was
ſchlimmes und ſchaͤdliches einbildet/ aber auch
dabey 3. Daſſelbige auch fuͤr nichts gutes
und nuͤtzliches haͤlt/
ſondern in ſeinen Werth
und Unwerth beruhen laͤſt/ zumahl wenn er ein
wenig die vielfaͤltigen bey der Gelahrheit
mit unterlauffenden Eitelkeiten
beobachtet/
und daß manchmahl ein Schuſter oder Schnei-
der/ oder ein noch wohl geringerer Mann/ der
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[116/0142] Das 2. H. von der Geſchickligkeit ſchen zu der Tugend eine Luſt zu machen/ weñ nicht erſt der Verſtand ausgebeſſert iſt. Und der Verſtand kan nicht ausgebeſſert werden/ wenn man denen Leuten keine Luſt und atten- tion macht. Und alſo ſieheſtu/ daß wir uns um einen Kreiß herumb aͤngſtigen/ und nicht ſehen/ wo wir durchkommen koͤnnen. Aber laß uns ietzo noch die andern Urſachen erwe- gen/ die die jungen Leute von der Liebe zur Weiß- heit abwendig machen. 93. Denn geſetzt/ daß ein junger Menſch e- ben in der Wolluſt und Muͤßiggang noch nicht ſo ſehr vertiefft ſey/ daß er ohne Verdruß davon nicht wieder zuruͤcke gezogen werden koͤnte; ſo iſt es doch kein Zweiffel/ daß es nicht genung ſey/ ihme eine Luſt zum ſtudieren zu machen/ wenn er ſich daſſelbige nicht eben als was ſchlimmes und ſchaͤdliches einbildet/ aber auch dabey 3. Daſſelbige auch fuͤr nichts gutes und nuͤtzliches haͤlt/ ſondern in ſeinen Werth und Unwerth beruhen laͤſt/ zumahl wenn er ein wenig die vielfaͤltigen bey der Gelahrheit mit unterlauffenden Eitelkeiten beobachtet/ und daß manchmahl ein Schuſter oder Schnei- der/ oder ein noch wohl geringerer Mann/ der einen guten natuͤrlichen Verſtand hat/ nach ſei- nem

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/142>, abgerufen am 24.11.2024.