Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.der vern. Kunst/ die Affecten zu dämpffen. sie den Menschen gleichsam mit der Hand zurwahren Theologie leite/ und das Licht der Natur ist gleichsam wie ein Wachs-Licht/ das ein in einem finstern Keller versperrter Mensch (der sich in der Finsternüß felbst sehr verirret/) hat/ sich damit an eine starcke verriegelte Thüre zu leiten/ durch die das Tages-Licht/ wiewohl sehr dunckel/ durchscheinet/ und das er hernach nicht mehr braucht/ sondern von sich wirfft/ wenn er durch die Gnade des Thürhüters an das Ta- ges-Licht gelanget ist: Wo demnach die Sit- ten-Lehre aufhöret/ da suppliret die Göttli- che Weisheit dero Defect und Mangel. Die Sitten-Lehre gehet nicht weiter/ als daß sie den Stand der Bestialität dem Menschen zu er- kennen giebt/ und ihn von dar zu dem Stand der Menschheit leitet. Wie er aber von der Mensch- heit und blossen Vernunfft ab- und zum wahren Christenthum geleitet werden solle/ das zeiget die Heilige Schrifft/ und darzu hilfft ihm die Göttliche Gnade. 23. Zum wenigsten wird doch diese Sitten- ben K k 5
der vern. Kunſt/ die Affecten zu daͤmpffen. ſie den Menſchen gleichſam mit der Hand zurwahren Theologie leite/ und das Licht der Natur iſt gleichſam wie ein Wachs-Licht/ das ein in einem finſtern Keller verſperrter Menſch (der ſich in der Finſternuͤß felbſt ſehr verirret/) hat/ ſich damit an eine ſtarcke verriegelte Thuͤre zu leiten/ durch die das Tages-Licht/ wiewohl ſehr dunckel/ durchſcheinet/ und das er hernach nicht mehr braucht/ ſondern von ſich wirfft/ wenn er durch die Gnade des Thuͤrhuͤters an das Ta- ges-Licht gelanget iſt: Wo demnach die Sit- ten-Lehre aufhoͤret/ da ſuppliret die Goͤttli- che Weisheit dero Defect und Mangel. Die Sitten-Lehre gehet nicht weiter/ als daß ſie den Stand der Beſtialitaͤt dem Menſchen zu er- kennen giebt/ und ihn von dar zu dem Stand der Menſchheit leitet. Wie er aber von der Menſch- heit und bloſſen Vernunfft ab- und zum wahren Chriſtenthum geleitet werden ſolle/ das zeiget die Heilige Schrifft/ und darzu hilfft ihm die Goͤttliche Gnade. 23. Zum wenigſten wird doch dieſe Sitten- ben K k 5
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der vern. Kunſt/ die Affecten zu daͤmpffen.
ſie den Menſchen gleichſam mit der Hand zur
wahren Theologie leite/ und das Licht der
Natur iſt gleichſam wie ein Wachs-Licht/ das
ein in einem finſtern Keller verſperrter Menſch
(der ſich in der Finſternuͤß felbſt ſehr verirret/)
hat/ ſich damit an eine ſtarcke verriegelte Thuͤre
zu leiten/ durch die das Tages-Licht/ wiewohl
ſehr dunckel/ durchſcheinet/ und das er hernach
nicht mehr braucht/ ſondern von ſich wirfft/ wenn
er durch die Gnade des Thuͤrhuͤters an das Ta-
ges-Licht gelanget iſt: Wo demnach die Sit-
ten-Lehre aufhoͤret/ da ſuppliret die Goͤttli-
che Weisheit dero Defect und Mangel. Die
Sitten-Lehre gehet nicht weiter/ als daß ſie
den Stand der Beſtialitaͤt dem Menſchen zu er-
kennen giebt/ und ihn von dar zu dem Stand der
Menſchheit leitet. Wie er aber von der Menſch-
heit und bloſſen Vernunfft ab- und zum wahren
Chriſtenthum geleitet werden ſolle/ das zeiget
die Heilige Schrifft/ und darzu hilfft ihm die
Goͤttliche Gnade.
23. Zum wenigſten wird doch dieſe Sitten-
Lehre auch in dieſem Hauptſtuͤcke ſo beſchaffen
ſeyn/ daß ſie auch den jungen Leuten nuͤtze/
und zwar um ſo viel deſto mehr/ weil ſie nicht
weiter gehet/ als das Elend und das Unver-
moͤgen des Menſchen zu erkennen zu geben.
Je juͤnger die Leute ſind/ je weniger Præjudicia
haben ſie/ und je weniger Reitzungen und Practi-
cirungen ihrer boͤſen natuͤrlichen Neigung ha-
ben
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/533>, abgerufen am 16.02.2025. |