Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.böse Affecten zu dämpffen. gäntzlich ausgetilget werden? Doch entste-het diese ihre Uneinigkeit mehr aus der Be- antwortung einer Praejudicial-Frage: Ob die Affecten gut/ böse/ oder indifferent sind? Denn es wird keiner so unvernünfftig seyn/ daß er sagen solte/ man müsse das Gute dämpffen oder austilgen/ oder der da vorgeben solte/ man solte das Böse nicht ausrotten/ sondern ja etwas davon behalten. Sondern diejenigen/ die die Affecten ausgetilget wissen wolten/ hielten die- selbe alle vor böse; Und die sie alle nur gemäßigt wissen wollen/ halten sie alle vor indifferent. Demnach wir aber oben (a) gezeiget/ daß etli- che Affecten gut/ etliche aber böse wären/ so fol- get nothwendig daraus/ (b) daß die Bewe- gung der Bösen gantz ausgetilget werden solle/ die Bewegung aber der guten Affe- cten immer mehr und mehr zunehmen müs- se/ zwar nicht in der ausserordentlichen Empfin- dung derselben/ sondern in der continuirlichen Bewegung zum Guten. Ferner/ weil nun ein Mensch drey böse und einen guten Affect in sich hat/ so folget von sich selbst/ daß der Mensch nach denen Regeln der Klugheit alle seine Kräffte dran strecken solle/ die drey bösen Passiones zu dämpffen/ oder zu tilgen/ und die vernünff- tige Liebe in die Höhe zu heben. 2. Ob nun wohl durch die Tilgung der un- für (a) cap. 6. n. 8. (b) conf. d. c. 6. n. 11. & 12.
boͤſe Affecten zu daͤmpffen. gaͤntzlich ausgetilget werden? Doch entſte-het dieſe ihre Uneinigkeit mehr aus der Be- antwortung einer Præjudicial-Frage: Ob die Affecten gut/ boͤſe/ oder indifferent ſind? Denn es wird keiner ſo unvernuͤnfftig ſeyn/ daß er ſagen ſolte/ man muͤſſe das Gute daͤmpffen oder austilgen/ oder der da vorgeben ſolte/ man ſolte das Boͤſe nicht ausrotten/ ſondern ja etwas davon behalten. Sondern diejenigen/ die die Affecten ausgetilget wiſſen wolten/ hielten die- ſelbe alle vor boͤſe; Und die ſie alle nur gemaͤßigt wiſſen wollen/ halten ſie alle vor indifferent. Demnach wir aber oben (a) gezeiget/ daß etli- che Affecten gut/ etliche aber boͤſe waͤren/ ſo fol- get nothwendig daraus/ (b) daß die Bewe- gung der Boͤſen gantz ausgetilget werden ſolle/ die Bewegung aber der guten Affe- cten immer mehr und mehr zunehmen muͤſ- ſe/ zwar nicht in der auſſerordentlichen Empfin- dung derſelben/ ſondern in der continuirlichen Bewegung zum Guten. Ferner/ weil nun ein Menſch drey boͤſe und einen guten Affect in ſich hat/ ſo folget von ſich ſelbſt/ daß der Menſch nach denen Regeln der Klugheit alle ſeine Kraͤffte dran ſtrecken ſolle/ die drey boͤſen Paſſiones zu daͤmpffen/ oder zu tilgen/ und die vernuͤnff- tige Liebe in die Hoͤhe zu heben. 2. Ob nun wohl durch die Tilgung der un- fuͤr (a) cap. 6. n. 8. (b) conf. d. c. 6. n. 11. & 12.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0471" n="459"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">boͤſe <hi rendition="#aq">Affect</hi>en zu daͤmpffen.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">gaͤntzlich ausgetilget werden?</hi> Doch entſte-<lb/> het dieſe ihre Uneinigkeit mehr aus der Be-<lb/> antwortung einer <hi rendition="#aq">Præjudicial-</hi>Frage: <hi rendition="#fr">Ob die</hi><lb/><hi rendition="#aq">Affect</hi><hi rendition="#fr">en gut/ boͤſe/ oder</hi> <hi rendition="#aq">indifferent</hi> <hi rendition="#fr">ſind?</hi><lb/> Denn es wird keiner ſo unvernuͤnfftig ſeyn/ daß<lb/> er ſagen ſolte/ man muͤſſe das Gute daͤmpffen<lb/> oder austilgen/ oder der da vorgeben ſolte/ man<lb/> ſolte das Boͤſe nicht ausrotten/ ſondern ja etwas<lb/> davon behalten. Sondern diejenigen/ die die<lb/><hi rendition="#aq">Affect</hi>en ausgetilget wiſſen wolten/ hielten die-<lb/> ſelbe alle vor boͤſe; Und die ſie alle nur gemaͤßigt<lb/> wiſſen wollen/ halten ſie alle vor <hi rendition="#aq">indifferent.</hi><lb/> Demnach wir aber oben <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">cap. 6. n.</hi> 8.</hi></note> gezeiget/ daß etli-<lb/> che <hi rendition="#aq">Affect</hi>en gut/ etliche aber boͤſe waͤren/ ſo fol-<lb/> get nothwendig daraus/ <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">conf. d. c. 6. n.</hi> 11. & 12.</hi></note> <hi rendition="#fr">daß die</hi> B<hi rendition="#fr">ewe-<lb/> gung der Boͤſen gantz ausgetilget werden<lb/> ſolle/ die Bewegung aber der guten</hi> <hi rendition="#aq">Affe-<lb/> ct</hi><hi rendition="#fr">en immer mehr und mehr zunehmen muͤſ-<lb/> ſe/</hi> zwar nicht in der auſſerordentlichen Empfin-<lb/> dung derſelben/ ſondern in der <hi rendition="#aq">continuir</hi>lichen<lb/> Bewegung zum Guten. Ferner/ weil nun ein<lb/> Menſch drey boͤſe und einen guten <hi rendition="#aq">Affect</hi> in ſich<lb/> hat/ ſo folget von ſich ſelbſt/ daß der Menſch<lb/> nach denen Regeln der Klugheit alle ſeine Kraͤffte<lb/> dran ſtrecken ſolle/ <hi rendition="#fr">die drey boͤſen</hi> <hi rendition="#aq">Paſſiones</hi> <hi rendition="#fr">zu<lb/> daͤmpffen/ oder zu tilgen/ und die vernuͤnff-<lb/> tige Liebe in die Hoͤhe zu heben.</hi></p><lb/> <p>2. Ob nun wohl durch die Tilgung der un-<lb/> vernuͤnfftigen Liebe die vernuͤnfftige ſchon an und<lb/> <fw place="bottom" type="catch">fuͤr</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [459/0471]
boͤſe Affecten zu daͤmpffen.
gaͤntzlich ausgetilget werden? Doch entſte-
het dieſe ihre Uneinigkeit mehr aus der Be-
antwortung einer Præjudicial-Frage: Ob die
Affecten gut/ boͤſe/ oder indifferent ſind?
Denn es wird keiner ſo unvernuͤnfftig ſeyn/ daß
er ſagen ſolte/ man muͤſſe das Gute daͤmpffen
oder austilgen/ oder der da vorgeben ſolte/ man
ſolte das Boͤſe nicht ausrotten/ ſondern ja etwas
davon behalten. Sondern diejenigen/ die die
Affecten ausgetilget wiſſen wolten/ hielten die-
ſelbe alle vor boͤſe; Und die ſie alle nur gemaͤßigt
wiſſen wollen/ halten ſie alle vor indifferent.
Demnach wir aber oben (a) gezeiget/ daß etli-
che Affecten gut/ etliche aber boͤſe waͤren/ ſo fol-
get nothwendig daraus/ (b) daß die Bewe-
gung der Boͤſen gantz ausgetilget werden
ſolle/ die Bewegung aber der guten Affe-
cten immer mehr und mehr zunehmen muͤſ-
ſe/ zwar nicht in der auſſerordentlichen Empfin-
dung derſelben/ ſondern in der continuirlichen
Bewegung zum Guten. Ferner/ weil nun ein
Menſch drey boͤſe und einen guten Affect in ſich
hat/ ſo folget von ſich ſelbſt/ daß der Menſch
nach denen Regeln der Klugheit alle ſeine Kraͤffte
dran ſtrecken ſolle/ die drey boͤſen Paſſiones zu
daͤmpffen/ oder zu tilgen/ und die vernuͤnff-
tige Liebe in die Hoͤhe zu heben.
2. Ob nun wohl durch die Tilgung der un-
vernuͤnfftigen Liebe die vernuͤnfftige ſchon an und
fuͤr
(a) cap. 6. n. 8.
(b) conf. d. c. 6. n. 11. & 12.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/471 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/471>, abgerufen am 24.07.2024. |