Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 13. H. von Neid und desselben schen sein Glück betrübt zu seyn/ zumahlüber ein solch Glück/ das uns eben nicht nütze ist/ wir auch nicht verlangen/ oder durch welches uns nichts entzogen wird. Denn wenn wir betrübt seyn über des andern sein Gut/ das wir gerne hätten/ oder gehabt hätten/ so ist es nicht so wohl ein Neid/ als eine Wohllüsti- ge oder Ehr-geitzige Begierde/ oder der for- male Geld-Geitz/ nicht sein Kind. Und wir be- trüben uns alsdenn nicht so wohl wegen des Gu- ten/ das der andere besitzt/ als wegen des Ubels/ daß wir der Sachen beraubet seyn/ in der wir unsere Glückseligkeit suchen. 47. Nichts destoweniger haben die Mensch- 48. Und dieses ist auff vielerley Weise ge- sche-
Das 13. H. von Neid und deſſelben ſchen ſein Gluͤck betruͤbt zu ſeyn/ zumahluͤber ein ſolch Gluͤck/ das uns eben nicht nuͤtze iſt/ wir auch nicht verlangen/ oder durch welches uns nichts entzogen wird. Denn wenn wir betruͤbt ſeyn uͤber des andern ſein Gut/ das wir gerne haͤtten/ oder gehabt haͤtten/ ſo iſt es nicht ſo wohl ein Neid/ als eine Wohlluͤſti- ge oder Ehr-geitzige Begierde/ oder der for- male Geld-Geitz/ nicht ſein Kind. Und wir be- truͤben uns alsdenn nicht ſo wohl wegen des Gu- ten/ das der andere beſitzt/ als wegen des Ubels/ daß wir der Sachen beraubet ſeyn/ in der wir unſere Gluͤckſeligkeit ſuchen. 47. Nichts deſtoweniger haben die Menſch- 48. Und dieſes iſt auff vielerley Weiſe ge- ſche-
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Das 13. H. von Neid und deſſelben
ſchen ſein Gluͤck betruͤbt zu ſeyn/ zumahl
uͤber ein ſolch Gluͤck/ das uns eben nicht nuͤtze
iſt/ wir auch nicht verlangen/ oder durch
welches uns nichts entzogen wird. Denn
wenn wir betruͤbt ſeyn uͤber des andern ſein Gut/
das wir gerne haͤtten/ oder gehabt haͤtten/ ſo iſt
es nicht ſo wohl ein Neid/ als eine Wohlluͤſti-
ge oder Ehr-geitzige Begierde/ oder der for-
male Geld-Geitz/ nicht ſein Kind. Und wir be-
truͤben uns alsdenn nicht ſo wohl wegen des Gu-
ten/ das der andere beſitzt/ als wegen des Ubels/
daß wir der Sachen beraubet ſeyn/ in der wir
unſere Gluͤckſeligkeit ſuchen.
47. Nichts deſtoweniger haben die Menſch-
lichen Begierden die Menſchen/ wie in andern
laſterhafften affecten alſo auch in dieſem ver-
leitet/ daß ſie dieſen ſchaͤndlichen affect unter
dem Nahmen der Tugend verborgen. Und weil
er ſeinem Weſen nach gar zu weit entfernet war/
von dem/ was ſonſt den Nahmen der Tugend
fuͤhrte/ (denn ſonſten nach der obigen Anmer-
ckung die Miſchung von Wolluſt und Ehrgeitz
dem aͤußerlichen Schein nach ſehr nahe kam/)
ſo haben die Menſchen neue Nahmen erdacht
etlicher Baſtard-Tugenden/ damit ſie den
Nahmen des Neids zu bemaͤnteln getrachtet/
und dieſe Baſtard-Tugenden ſo wohl als den
Neid ſelbſt unter der vernuͤnfftigen Liebe zu ver-
bergen getrachtet.
48. Und dieſes iſt auff vielerley Weiſe ge-
ſche-
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