Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.daß er nie indifferent sey. hin zu halten/ daß er dem Beleidigten Satisfa-ction gebe/ (quod non sit ira, sed indigna- tio,) solcher Gestalt aber sey der Eiffer mit kei- nem Haß des Beleidigenden vermischt/ sondern nur ein Trieb der Liebe gegen den Beleidigten. Gleichwie aber erstlich selten geschiehet/ daß mei- ne Liebe zu dem Beleidigten so vernünfftig ist/ als ich dencke/ so gehöret doch sehr viel darzu/ daß wir bey diesem Eiffer in der Defendirung unsers Freundes so gar ohne Zorn und Haß gegen den Beleidigenden bleiben solten/ wenn es uns auch gleich unser Hertz bereden solte. Ja es kan ein jeder leicht begreiffen/ daß solcher Gestalt fast aller Zorn unter der Larve des Eiffers oder indignation durch passiren würde. Jch bescheide mich auch wohl/ daß Pinehas Eiffer gelobet wird. Aber dieses war ein Göttlicher und übernatürlicher Eiffer/ der eben so gut ist als ein Göttlicher Zorn. Aber da gehöret noch mehr zu/ sich zu prüffen/ ob die affecten in uns von GOtt erreget werden/ zu dessen Prüffung und Erkäntnüs die Sitten-Lehre nicht zuläng- lich ist. 46. Nun ist der Neid noch übrig. Jch ent- schen (a) de Passion. Part. 3. art. 182. conf. §. 49. E e 5
daß er nie indifferent ſey. hin zu halten/ daß er dem Beleidigten Satisfa-ction gebe/ (quod non ſit ira, ſed indigna- tio,) ſolcher Geſtalt aber ſey der Eiffer mit kei- nem Haß des Beleidigenden vermiſcht/ ſondern nur ein Trieb der Liebe gegen den Beleidigten. Gleichwie aber erſtlich ſelten geſchiehet/ daß mei- ne Liebe zu dem Beleidigten ſo vernuͤnfftig iſt/ als ich dencke/ ſo gehoͤret doch ſehr viel darzu/ daß wir bey dieſem Eiffer in der Defendirung unſers Freundes ſo gar ohne Zorn und Haß gegen den Beleidigenden bleiben ſolten/ wenn es uns auch gleich unſer Hertz bereden ſolte. Ja es kan ein jeder leicht begreiffen/ daß ſolcher Geſtalt faſt aller Zorn unter der Larve des Eiffers oder indignation durch paſſiren wuͤrde. Jch beſcheide mich auch wohl/ daß Pinehas Eiffer gelobet wird. Aber dieſes war ein Goͤttlicher und uͤbernatuͤrlicher Eiffer/ der eben ſo gut iſt als ein Goͤttlicher Zorn. Aber da gehoͤret noch mehr zu/ ſich zu pruͤffen/ ob die affecten in uns von GOtt erreget werden/ zu deſſen Pruͤffung und Erkaͤntnuͤs die Sitten-Lehre nicht zulaͤng- lich iſt. 46. Nun iſt der Neid noch uͤbrig. Jch ent- ſchen (a) de Paſſion. Part. 3. art. 182. conf. §. 49. E e 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0453" n="441"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">daß er nie <hi rendition="#aq">indifferent</hi> ſey.</hi></fw><lb/> hin zu halten/ daß er dem Beleidigten <hi rendition="#aq">Satisfa-<lb/> ction</hi> gebe/ <hi rendition="#aq">(quod non ſit ira, ſed indigna-<lb/> tio,)</hi> ſolcher Geſtalt aber ſey der Eiffer mit kei-<lb/> nem Haß des Beleidigenden vermiſcht/ ſondern<lb/> nur ein Trieb der Liebe gegen den Beleidigten.<lb/> Gleichwie aber erſtlich ſelten geſchiehet/ daß mei-<lb/> ne Liebe zu dem Beleidigten ſo vernuͤnfftig iſt/ als<lb/> ich dencke/ ſo gehoͤret doch ſehr viel darzu/ daß<lb/> wir bey dieſem Eiffer in der <hi rendition="#aq">Defendir</hi>ung unſers<lb/> Freundes ſo gar ohne Zorn und Haß gegen den<lb/> Beleidigenden bleiben ſolten/ wenn es uns auch<lb/> gleich unſer Hertz bereden ſolte. Ja es kan ein<lb/> jeder leicht begreiffen/ daß ſolcher Geſtalt faſt<lb/><hi rendition="#fr">aller Zorn unter der Larve des Eiffers<lb/> oder</hi> <hi rendition="#aq">indignation</hi> <hi rendition="#fr">durch</hi> <hi rendition="#aq">paſſir</hi><hi rendition="#fr">en wuͤrde.</hi> Jch<lb/> beſcheide mich auch wohl/ daß <hi rendition="#fr">Pinehas Eiffer</hi><lb/> gelobet wird. Aber dieſes war ein <hi rendition="#fr">Goͤttlicher<lb/> und uͤbernatuͤrlicher Eiffer/</hi> der eben ſo gut iſt<lb/> als ein <hi rendition="#fr">Goͤttlicher Zorn.</hi> Aber da gehoͤret noch<lb/> mehr zu/ ſich zu pruͤffen/ ob die <hi rendition="#aq">affect</hi>en in uns<lb/> von GOtt erreget werden/ zu deſſen Pruͤffung<lb/> und Erkaͤntnuͤs die <hi rendition="#fr">Sitten-Lehre</hi> nicht zulaͤng-<lb/> lich iſt.</p><lb/> <p>46. Nun iſt der <hi rendition="#fr">Neid</hi> noch uͤbrig. Jch ent-<lb/> ſinne mich nicht geleſen zu haben/ <hi rendition="#fr">daß ein</hi> <hi rendition="#aq">Philo-<lb/> ſophus</hi> <hi rendition="#fr">den Neid fuͤr einen</hi> <hi rendition="#aq">indifferent</hi><hi rendition="#fr">en</hi> <hi rendition="#aq">Af-<lb/> fect</hi> <hi rendition="#fr">gehalten/ auſſer</hi> <hi rendition="#aq">Carteſius,</hi> <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">de Paſſion. Part. 3. art. 182. conf.</hi> §. 49.</hi></note> und die ihm<lb/> folgen. Denn die Natur zeiget an/ daß es gantz<lb/> unvernuͤnfftig ſey/ <hi rendition="#fr">uͤber eines andern Men-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">E e 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">ſchen</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [441/0453]
daß er nie indifferent ſey.
hin zu halten/ daß er dem Beleidigten Satisfa-
ction gebe/ (quod non ſit ira, ſed indigna-
tio,) ſolcher Geſtalt aber ſey der Eiffer mit kei-
nem Haß des Beleidigenden vermiſcht/ ſondern
nur ein Trieb der Liebe gegen den Beleidigten.
Gleichwie aber erſtlich ſelten geſchiehet/ daß mei-
ne Liebe zu dem Beleidigten ſo vernuͤnfftig iſt/ als
ich dencke/ ſo gehoͤret doch ſehr viel darzu/ daß
wir bey dieſem Eiffer in der Defendirung unſers
Freundes ſo gar ohne Zorn und Haß gegen den
Beleidigenden bleiben ſolten/ wenn es uns auch
gleich unſer Hertz bereden ſolte. Ja es kan ein
jeder leicht begreiffen/ daß ſolcher Geſtalt faſt
aller Zorn unter der Larve des Eiffers
oder indignation durch paſſiren wuͤrde. Jch
beſcheide mich auch wohl/ daß Pinehas Eiffer
gelobet wird. Aber dieſes war ein Goͤttlicher
und uͤbernatuͤrlicher Eiffer/ der eben ſo gut iſt
als ein Goͤttlicher Zorn. Aber da gehoͤret noch
mehr zu/ ſich zu pruͤffen/ ob die affecten in uns
von GOtt erreget werden/ zu deſſen Pruͤffung
und Erkaͤntnuͤs die Sitten-Lehre nicht zulaͤng-
lich iſt.
46. Nun iſt der Neid noch uͤbrig. Jch ent-
ſinne mich nicht geleſen zu haben/ daß ein Philo-
ſophus den Neid fuͤr einen indifferenten Af-
fect gehalten/ auſſer Carteſius, (a) und die ihm
folgen. Denn die Natur zeiget an/ daß es gantz
unvernuͤnfftig ſey/ uͤber eines andern Men-
ſchen
(a) de Paſſion. Part. 3. art. 182. conf. §. 49.
E e 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/453 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/453>, abgerufen am 24.07.2024. |