Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 1. Hauptst. von denen Ursachen be und verleihe. Und ob schon nicht zu läugnen/daß GOtt dem Menschen eine Nachah- mung in das Hertze geleget/ weil Er Jhm ei- ne Liebe eingepflantzet/ die Liebe aber ohne Nach- ahmung nicht begriffen werden mag; So hat doch GOtt nicht gewolt/ daß dieser Trieb zur Nachahmung den Verstand zum bösen verlei- ten solte/ weil die Liebe die vernünfftig ist/ von GOtt kommet/ diese aber erst durch die Regeln gesunder Vernunfft die zuliebenden Personen kiesen soll/ ehe sie durch die Nachahmung sich mit Jhnen zuvereinigen trachtet/ da hingentheil das Vorurtheil der Nachahmung dieses alles/ als nur jetzo gemeldet worden/ umbkehret. Und wenn ja der Mensch die Nachahmung nicht las- sen kan; Warumb ahmet er nicht lieber tugend- hafftigen Exempeln/ als lasterhafften oder när- rischen nach/ zumahl da die tugendhafften Exem- pel bey tugendhafften Leuten ja so einen starcken Zug haben/ als die schädlichen bey thörichten? 52. Die andern Creaturen an sich selbst kön-
Das 1. Hauptſt. von denen Urſachen be und verleihe. Und ob ſchon nicht zu laͤugnen/daß GOtt dem Menſchen eine Nachah- mung in das Hertze geleget/ weil Er Jhm ei- ne Liebe eingepflantzet/ die Liebe aber ohne Nach- ahmung nicht begriffen werden mag; So hat doch GOtt nicht gewolt/ daß dieſer Trieb zur Nachahmung den Verſtand zum boͤſen verlei- ten ſolte/ weil die Liebe die vernuͤnfftig iſt/ von GOtt kommet/ dieſe aber erſt durch die Regeln geſunder Vernunfft die zuliebenden Perſonen kieſen ſoll/ ehe ſie durch die Nachahmung ſich mit Jhnen zuvereinigen trachtet/ da hingentheil das Vorurtheil der Nachahmung dieſes alles/ als nur jetzo gemeldet worden/ umbkehret. Und wenn ja der Menſch die Nachahmung nicht laſ- ſen kan; Warumb ahmet er nicht lieber tugend- hafftigen Exempeln/ als laſterhafften oder naͤr- riſchen nach/ zumahl da die tugendhafften Exem- pel bey tugendhafften Leuten ja ſo einen ſtarcken Zug haben/ als die ſchaͤdlichen bey thoͤrichten? 52. Die andern Creaturen an ſich ſelbſt koͤn-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0042" n="30"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 1. Hauptſt. von denen Urſachen</hi></fw><lb/> be und verleihe. Und ob ſchon nicht zu laͤugnen/<lb/><hi rendition="#fr">daß GOtt dem Menſchen eine Nachah-<lb/> mung in das Hertze geleget/</hi> weil Er Jhm ei-<lb/> ne Liebe eingepflantzet/ die Liebe aber ohne Nach-<lb/> ahmung nicht begriffen werden mag; So hat<lb/> doch GOtt nicht gewolt/ daß dieſer Trieb zur<lb/> Nachahmung den Verſtand zum boͤſen verlei-<lb/> ten ſolte/ weil die Liebe die vernuͤnfftig iſt/ von<lb/> GOtt kommet/ dieſe aber erſt durch die Regeln<lb/> geſunder Vernunfft die zuliebenden Perſonen<lb/> kieſen ſoll/ ehe ſie durch die Nachahmung ſich<lb/> mit Jhnen zuvereinigen trachtet/ da hingentheil<lb/> das Vorurtheil der Nachahmung dieſes alles/<lb/> als nur jetzo gemeldet worden/ umbkehret. Und<lb/> wenn ja der Menſch die Nachahmung nicht laſ-<lb/> ſen kan; Warumb ahmet er nicht lieber tugend-<lb/> hafftigen Exempeln/ als laſterhafften oder naͤr-<lb/> riſchen nach/ zumahl da die tugendhafften Exem-<lb/> pel bey tugendhafften Leuten ja ſo einen ſtarcken<lb/> Zug haben/ als die ſchaͤdlichen bey thoͤrichten?</p><lb/> <p>52. Die <hi rendition="#fr">andern Creaturen</hi> an ſich ſelbſt<lb/> koͤnnen es auch nicht thun/ denn Sie neigen das<lb/> menſchliche Hertz nimmer zu ſich/ wenn ſich ſol-<lb/> ches nicht zu erſt zu ihnen neiget. Dahero ge-<lb/> ſchiehet es/ daß eine Creatur von einem geliebet/<lb/> von dem andern gehaſſet/ von dem dritten aber<lb/> mit einer Gleichguͤltigkeit angeſehen wird; zu-<lb/> geſchweigen/ daß die andern Creaturen eigent-<lb/> lich zureden wegen Mangel der Vernunfft auch<lb/> einen vernuͤnfftigen Menſchen nicht an ſich ziehen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">koͤn-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [30/0042]
Das 1. Hauptſt. von denen Urſachen
be und verleihe. Und ob ſchon nicht zu laͤugnen/
daß GOtt dem Menſchen eine Nachah-
mung in das Hertze geleget/ weil Er Jhm ei-
ne Liebe eingepflantzet/ die Liebe aber ohne Nach-
ahmung nicht begriffen werden mag; So hat
doch GOtt nicht gewolt/ daß dieſer Trieb zur
Nachahmung den Verſtand zum boͤſen verlei-
ten ſolte/ weil die Liebe die vernuͤnfftig iſt/ von
GOtt kommet/ dieſe aber erſt durch die Regeln
geſunder Vernunfft die zuliebenden Perſonen
kieſen ſoll/ ehe ſie durch die Nachahmung ſich
mit Jhnen zuvereinigen trachtet/ da hingentheil
das Vorurtheil der Nachahmung dieſes alles/
als nur jetzo gemeldet worden/ umbkehret. Und
wenn ja der Menſch die Nachahmung nicht laſ-
ſen kan; Warumb ahmet er nicht lieber tugend-
hafftigen Exempeln/ als laſterhafften oder naͤr-
riſchen nach/ zumahl da die tugendhafften Exem-
pel bey tugendhafften Leuten ja ſo einen ſtarcken
Zug haben/ als die ſchaͤdlichen bey thoͤrichten?
52. Die andern Creaturen an ſich ſelbſt
koͤnnen es auch nicht thun/ denn Sie neigen das
menſchliche Hertz nimmer zu ſich/ wenn ſich ſol-
ches nicht zu erſt zu ihnen neiget. Dahero ge-
ſchiehet es/ daß eine Creatur von einem geliebet/
von dem andern gehaſſet/ von dem dritten aber
mit einer Gleichguͤltigkeit angeſehen wird; zu-
geſchweigen/ daß die andern Creaturen eigent-
lich zureden wegen Mangel der Vernunfft auch
einen vernuͤnfftigen Menſchen nicht an ſich ziehen
koͤn-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |