Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.der Menschlichen Gemüths-Neigungen. gen. Wenn ein Ehrgeitziger gleich verbirget/daß er gerne gelobet und geschmeichelt seyn wol- le/ oder daß er sich bemühe/ über den andern zu herrschen/ so wird er doch nicht so scharff darauff bedacht seyn/ seinen Eyffer und Zorn gantz zu verbeissen. Wenn ein Geldgeitziger seine Be- gierde zu Gelde/ und daß er gerne alles haben möchte/ verbirget/ so wird er doch so gar behut- sam in Verbergung seines Neides nicht seyn/ sondern zum öfftern beklagen/ daß dieser oder je- ner/ dieses oder jenes habe/ daß er nicht werth/ o- der ihm selbiges nicht nütze sey/ oder daß er es nicht zu gebrauchen wisse/ und sey Schade daß solche Sachen nicht ein anderer haben solle/ der solche besser gebrauchen könne. 10. Und dieses geschiehet dessentwegen/ daß ande- Cc
der Menſchlichen Gemuͤths-Neigungen. gen. Wenn ein Ehrgeitziger gleich verbirget/daß er gerne gelobet und geſchmeichelt ſeyn wol- le/ oder daß er ſich bemuͤhe/ uͤber den andern zu herrſchen/ ſo wird er doch nicht ſo ſcharff darauff bedacht ſeyn/ ſeinen Eyffer und Zorn gantz zu verbeiſſen. Wenn ein Geldgeitziger ſeine Be- gierde zu Gelde/ und daß er gerne alles haben moͤchte/ verbirget/ ſo wird er doch ſo gar behut- ſam in Verbergung ſeines Neides nicht ſeyn/ ſondern zum oͤfftern beklagen/ daß dieſer oder je- ner/ dieſes oder jenes habe/ daß er nicht werth/ o- der ihm ſelbiges nicht nuͤtze ſey/ oder daß er es nicht zu gebrauchen wiſſe/ und ſey Schade daß ſolche Sachen nicht ein anderer haben ſolle/ der ſolche beſſer gebrauchen koͤnne. 10. Und dieſes geſchiehet deſſentwegen/ daß ande- Cc
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der Menſchlichen Gemuͤths-Neigungen.
gen. Wenn ein Ehrgeitziger gleich verbirget/
daß er gerne gelobet und geſchmeichelt ſeyn wol-
le/ oder daß er ſich bemuͤhe/ uͤber den andern zu
herrſchen/ ſo wird er doch nicht ſo ſcharff darauff
bedacht ſeyn/ ſeinen Eyffer und Zorn gantz zu
verbeiſſen. Wenn ein Geldgeitziger ſeine Be-
gierde zu Gelde/ und daß er gerne alles haben
moͤchte/ verbirget/ ſo wird er doch ſo gar behut-
ſam in Verbergung ſeines Neides nicht ſeyn/
ſondern zum oͤfftern beklagen/ daß dieſer oder je-
ner/ dieſes oder jenes habe/ daß er nicht werth/ o-
der ihm ſelbiges nicht nuͤtze ſey/ oder daß er es
nicht zu gebrauchen wiſſe/ und ſey Schade daß
ſolche Sachen nicht ein anderer haben ſolle/ der
ſolche beſſer gebrauchen koͤnne.
10. Und dieſes geſchiehet deſſentwegen/ daß
man ſich und andere beredet/ entweder die Affe-
cten des Muͤßiggangs/ Zorns/ und Neides
ſeyn indifferente Affecten, und habe man alſo nicht
Urſache/ ſich derſelben gantz zu ſchaͤmen/ oder ſie
gantz zu verbergen; oder man meinet/ es ſey nicht
alles das jenige was doch eigentlich dahin gehoͤ-
ret/ mit dem Nahmen eines ſo boͤſes Affects zu
belegen/ und gewoͤhnet ſich alſo von jugend-auff
an/ Dingen/ die wuͤrcklich zum Muͤßiggang/
Zorn oder Neid gehoͤren/ tugendhaffte
Nahmen zu geben/ die doch ein Philoſophus
wohl weiß/ daß ſie ſolche Nahmen nicht verdie-
nen/ und alſo aus Erblickung derſelben/ wenn
man ſie nicht verbirget/ groſſe data zu Erkaͤntniß
ande-
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